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Kurzfilme, Stories & Neuigkeiten



KOLLERview erscheint viermal jährlich,

die nächste Ausgabe folgt im März 2021.

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In dieser Ausgabe:

• Im Zeichen der Freundschaft
• Obsession für die Landschaft
• Schirme auf zwei Kontinenten
• Variation, Serie, Fortsetzung
• Begeisterung für Chinas Malerei

 



 

Die Kunst des Stehlens

Marcel Duchamps "Fountain" der 1917 in der Dada-Zeitschrift The Blind Man abgebildet wurde.

“Immature poets imitate; mature poets steal” – T.S. Eliot
(Unreife Dichter imitieren; reife Dichter stehlen)

Man geht davon aus, dass der Ursprung der Appropriation Art – eine künstlerische Strömung bzw. ein Verfahren, bei dem vorhandene Bilder oder Objekte aufgegriffen und auf subtile Weise transformiert werden – auf Marcel Duchamps "Readymades" Anfang des 20. Jh. zurückgeht. Readymades sind vorgefertigte Objekte, wie zum Beispiel das auf einem Sockel stehende Porzellanurinal mit der Signatur "R. Mutt" und dem Titel "Fountain", das Duchamp 1917 bei der Ausstellung der Society of Independent Artists in New York einreichte. "Fountain" wurde schließlich als ein bahnbrechendes Werk der modernen Kunst anerkannt, wie bereits 1917 in einem Artikel in der Dada-Zeitschrift The Blind Man festgestellt wurde: "Ob Herr Mutt den Brunnen eigenhändig gemacht hat oder nicht, hat keine Bedeutung. Er hat ihn GEWÄHLT. Er nahm einen gewöhnlichen Alltagsgegenstand aus dem Leben, platzierte ihn so, dass seine brauchbare Funktion durch den neuen Titel und Blickwinkel verschwand und gab diesem Gegenstand somit eine neue Bedeutung ".

Seit jeher haben sich Künstler Ideen und Motive von anderen angeeignet, diese kopiert oder plump gestohlen. Dies jedoch in einer Kultur zu tun, in der der bloße Vorwurf des Plagiats ausreicht, um eine Karriere zu zerstören (Joseph Bidens erster US-Präsidentschaftswahlkampf 1987) und dies darüber hinaus mit dem Ziel zu tun, das Bild in einen neuen Kontext einzufügen oder es komplett in etwas Neues zu verwandeln, ist ein relativ modernes Konzept.

 

Richard Pettibone
(Los Angeles 1938–lebt und arbeitet in New York)
Andy Warhol 'Campbell's Soup Can: Cream of Mushroom Soup'. 1987. Acryl und Serigrafie auf Leinwand.


In seiner "Campbell's soup can" -Serie bringt Richard Pettibone die Appropriation Art auf eine andere Ebene - indem er das bekannte Motiv von Andy Warhol kopiert, der wiederum zuvor selbst das Bild von einer anderen Quelle übernommen hatte. Als Pettibone 1965 zum ersten Mal Warhol traf, amüsierte sich jener über Pettibones kleinformatige Versionen seiner gefeierten Suppendosen. Pettibone bringt es auf den Punkt: "Er kopierte bereits, warum also nicht die Kopie kopieren?". Durch subtile Unterschiede und vor allem dadurch, dass er die Spuren der Hand des Künstlers hinterlässt, die Warhol in seinen eigenen grafisch inspirierten Kompositionen zu verwischen suchte, schafft Pettibone etwas Neues aus Warhols Serie. Gleichzeitig hält er einem Kunstwerk, das sich als Spiegel moderner Realität begreift, seinen eigenen (Zerr-)Spiegel entgegen.

In der Auktion vom 5. Dezember wird auch ein "Campbell's Soup"-Serigrafie von Warhol präsentiert.

 

Sylvie Fleury
(Genf 1961–lebt und arbeitet in Genf)
Concetto spaziale. 1995. Jeans, geschlitzt.
Auktion am 5. Dezember 2020
Verkauft für CHF 5 500


Sylvie Fleury verwendet oft Elemente aus Mode und Haute Couture, um der männlich dominierten Kunstwelt eine genuin feministische Sichtweise entgegen zu setzen. In "Concetto Spaziale" ersetzt Fleury Lucio Fontanas berühmte zerschnittene Leinwand durch blauen Denim. Damit nimmt sie Bezug auf den Modekult der zerrissenen Jeans und rückt gleichzeitig das ikonische Bild ins neue Licht der Konsumgesellschaft.

 

Banksy
(Bristol 1974 – lebt und arbeitet u.a. in England)
Love Welcomes Mat.
Multiple. Fussmatte und Überreste einer Schwimmweste.
Auktion am 5. Dezember 2020
Verkauft für CHF 6 250


Banksy ist vielleicht der berühmteste lebende Aneignungskünstler, der mit seinen "Love Welcomes Mat" die Tradition von Duchamps Ready-mades fortführt. In diesem Werk verwendet er die Überreste einer Schwimmweste in Kombination mit einer handgestickten Willkommensmatte, die von Frauen in Flüchtlingslagern hergestellt wurde, um auf die Notlage von Migranten aufmerksam zu machen. Banksy untergräbt oft die Bildaussagen bekannter Gemälde mit sarkastischem Humor oder verwendet Bilder berühmter Meisterwerke wie Vermeers "Mädchen mit einem Perlenohrring" (umgewandelt in "Girl with a Pierced Eardrum" - Mädchen mit einem durchbohrten Trommelfell), um eine dezidierte Antikriegs- bzw. Anti-Establishment-Botschaft zu vermitteln. Er ist in dieser Auktion auch mit "Rude Copper", seinem frühesten kommerziell veröffentlichten Siebdruck, vertreten.



KOLLERview erscheint viermal jährlich,

die nächste Ausgabe folgt im November 2020.

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In dieser Ausgabe:

• Die Kunst der Verwandlung
• Die Melange von Kunst und Politik
• Grünes Refugium
• Grosse Resonanz
• Schlachtbewährtes Arsenal

 



 

Die Szene ist imaginär, aber die Schmetterlinge sind real

Carl Wilhelm de Hamilton (1668–1754)
Gegenstücke: Waldstück mit Eichhörnchen und Insekten /
Waldstück mit Schleiereule. Öl auf Leinwand. Je 72 x 56 cm.


Auf den ersten Blick scheinen die drei Gemälde von Carl Wilhelm de Hamilton (Brüssel 1668–1754 Augsburg) in der Auktion vom 25. September (Lose 3071 und 3074) reizvolle Darstellungen des geschäftigen Lebens auf einem Waldboden zu sein: Eichhörnchen, Schlangen, Schnecken und Eidechsen suchen inmitten einer Fülle von Blattpflanzen und Pilzen nach Nahrung. Aber ein Aspekt dieser Werke macht sie verblüffend einzigartig: Die Schmetterlinge waren ursprünglich echte, auf die Leinwand geklebte Exemplare.

Diese Gemälde zeigen de Hamilton als Vertreter eines Genres, das zur Mitte des 17. Jahrhunderts vom niederländischen Maler Otto Marseus van Schrieck (ca. 1613–1678) entwickelt und danach als Waldbodenstillleben oder Sottobosco bekannt wurde. Marseus lebte am Stadtrand von Amsterdam in einer sumpfigen Gegend, die als «Land der Schlangen» bekannt war. Er verbrachte einen grossen Teil seiner Zeit damit, Reptilien, Amphibien und Insekten zu beobachten und zu fangen. Der Künstler soll dabei so passioniert vorgegangen sein, dass seine Frau behauptete, die Schlangen begännen, für ihn zu posieren!

Marseus war offenbar an den wissenschaftlichen und natürlichen Aspekten dieser bodennahen Population ebenso interessiert wie an ihrem Potenzial für seine Malerei. In jener Zeit wurden wissenschaftliche Theorien in der gesamten gelehrten Gesellschaft debattiert und diskutiert. Darunter auch der damals weit verbreitete Glaube an die spontane Erzeugung, der besagt, dass bestimmte Tiere und Pflanzen, insbesondere «niedere Wesen» wie Schlangen, Kröten und Pilze, aus unbelebter Materie entstehen können – so etwa Maden aus verrottendem Fleisch.

 

Detail des obigen Bildes, das zeigt, wie die Schmetterlinge heute erscheinen...

Der Maler und Wissenschaftsdilettant Marseus überschritt die Grenze zwischen Wissenschaft und Kunst, als er die pigmentierten Schuppen von echten Schmetterlingsflügeln, den sogenannten «Schmetterlingsstaub», auf seine Leinwand klebte. Dabei benutzte er einen weissen, wahrscheinlich auf Blei basierenden Klebstoff, den er auf eine flügelförmige Fläche wie eine Imprimitur auf die Leinwand auftrug. Dann wurden die Flügel auf diese Fläche gepresst, wodurch die Schuppen haften blieben. Der weisse Hintergrund verstärkte die schimmernden Farben, der Effekt muss bezaubernd gewesen sein. Durch das Verblassen der Farben erscheinen die Flügel mit den Schmetterlingsschuppen heute weiss, es sei denn, sie wurden übermalt.

 

... und die Farben, die sie ursprünglich gehabt haben mögen.

Einer der zahlreiche Anhänger, die wesentlich zur Verbreitung des von Marseus etablierten Sottobosco-Genres beitrugen, war Carl Wilhelm de Hamilton. Er wanderte von Belgien nach Deutschland aus, wo er in mehreren Städten als Hofmaler arbeitete. Der Kunsthistoriker V. E. Mandrij konnte durch mikroskopische Untersuchungen der vorliegenden Werke Überreste der von Hamilton aufgetragenen Schmetterlingsschuppen sowie einige farbige Lasuren nachweisen, die der Künstler wohl hinzufügte, um die Bereiche zu vervollständigen, in denen Schuppen fehlten. Hamilton ahmte auch Marseus’ Technik nach, bei der statt eines Pinsels echte Flechten und Moose verwendet wurden, um diese Vegetation darzustellen.

 

Carl Wilhelm de Hamilton (1668–1754)
Waldstillleben (Detail). Öl auf Holz. 47,2 x 34 cm.


Ein interessanter Aspekt sowohl von Marseus’ als auch von Hamiltons Werk ist, dass trotz der offensichtlichen symbolischen Möglichkeiten, die solche Kompositionen bieten (das griechische Wort für Schmetterling, Psyche, bedeutet auch «Seele», so dass eine Schlange oder eine Kröte, die einen Schmetterling schnappt, eine moralisierende Welt beschwört), die Künstler anscheinend mehr daran interessiert waren, echte Tiere und Pflanzen ohne jede verborgene Bedeutung darzustellen. Damit stellten sie einen intimen Moment auf dem Waldboden nach – oder schufen ihn mit künstlerischen Mitteln neu.

Das Werk von Marseus und seinen Anhängern geriet in der Folge fast völlig in Vergessenheit. Erst mit Damien Hirsts Installation «In and Out of Love» aus dem Jahr 1991 tauchten wieder echte Schmetterlinge in der Welt der Kunst auf.



 

Hinter der Leinwand: Liebe und Skandal im Georgianischen Grossbritannien

Seymour Dorothy Fleming (1757–1818) als Lady Worsley.
Porträt von Joshua Reynolds, 1776 (Detail).
Harewood House Trust, Yorkshire.


Das Porträt von John Lewis Fleming (1779–1836) das in unserer Auktion vom 25. September angeboten wurde (Los 3083) ist nicht nur wegen seiner Zuschreibung an Sir Thomas Lawrence, einen der grössten britischen Porträtmaler, von Interesse, sondern auch wegen Flemings Verbindung zu einer der berühmtesten Frauen im England des späten 18. Jahrhunderts: seiner Gemahlin, Seymour Dorothy Fleming (1757–1818).

Seymour Fleming, eigensinnige Erbin eines kleinen Vermögens, heiratete im Alter von 17 Jahren Sir Richard Worsley. Dieser stammte aus einer alten aristokratischen Familie und brauchte grösseren Reichtum, um seine Position in der Londoner Gesellschaft zu verbessern. Sie hatten einen gemeinsamen Sohn, Robert Edwin, doch Lady Worsley fühlte sich bald vernachlässigt und begann eine Reihe von Affären, darunter eine Liaison mit einem Nachbarn und engen Freund ihres Mannes, Captain George Maurice Bissett. Die Beziehung zu Bissett wurde bald ernst, im August 1781 gebar Lady Worsley eine Tochter, deren Vater angeblich Bissett war. Im November 1781 brannte die junge Mutter mit ihrem Geliebten durch. Dies war für die damalige Zeit ein kühner Akt – die meisten Damen ihres Standes hätten die Affäre einfach weitergeführt, während ihre Ehemänner ein Auge zudrückten, wie es Worsley offenbar bis dahin getan hatte. Insgeheim hoffte sie wohl, dass ein solch kühner Schritt ihren Ehemann davon überzeugen würde, ihr die Scheidung zu gewähren.

 

Ein satirischer Druck aus dem Jahr 1782, der die Erniedrigung von Lord Worsley verspottet, als ihm nur ein Schilling Schadenersatz zugesprochen wurde.
Radierung herausgegeben von Hannah Humphrey.
© The Trustees of the British Museum.


Doch der erhoffte Effekt bliebt aus. Wütend über den öffentlichen Verrat durch einen Freund, verklagte Worsley Bissett wegen eines so genannten kriminellen Gesprächs auf Schadenersatz für die Verführung seiner Frau. Darüber hinaus weigerte er sich, Seymour die Scheidung zu gewähren und verlangte als Genugtuung die beispiellose Summe von 20.000 Pfund, die Bissett finanziell ruiniert hätte. Worsley schien dank Briefen und Zeugenaussagen gute Argumente zu haben, aber Seymour war so leicht nicht zu besiegen. Sie nahm die juristische Herausforderung an, wenn auch etwas rücksichtslos: Während des Prozesses enthüllte sie intime Details aus dem Privatleben des Paares, wobei Zeugen Episoden von Sir Richards Voyeurismus und der Ermutigung seiner Frau zur Untreue berichteten. Sie hatte Erfolg: Statt 20.000 Pfund zahlten die Geschworenen Worsley die demütigende Summe von einem Schilling und machten ihn damit zum Gespött ganz Englands. Einer Hetzjagd durch die Presse entzog er sich durch eine ausgedehnte Reise in den Nahen Osten.

Aber auch Seymour wurde zu einer gesellschaftlichen Aussenseiterin. Niemand in der damaligen höfischen Gesellschaft des Königreichs konnte sich mit jemandem verbünden, der wie sie seine skandalösen Taten so offen ausgebreitet hatte. Viele ihrer früheren Freunde und auch ihre Familie mieden sie. Doch erneut weigerte sich Seymour, sich ihrem Schicksal zu ergeben. Zusammen mit anderen Damen in ähnlicher Lage wurde sie Teil der Demimonde, die unter dem Namen «New Female Coterie» zusammenkam. Bissett verliess sie schliesslich, da es keine Möglichkeit einer Heirat gab, denn Worsley unterzeichnete erst sechs Jahre nach dem Prozess ein Trennungsabkommen mit der Klausel, dass Seymour England für vier Jahre verlässt. Sie zog nach Paris, wo Frauen mit ihrem Ruf gesellschaftlich besser akzeptiert waren, doch schon ein Jahr nach ihrer Ankunft brach die Revolution aus. Von den Wirren der Zeit mitgerissen, verbrachte Seymour wahrscheinlich einige Zeit in einem französischen Gefängnis, bevor sie 1797 sehr krank und in prekärer finanzieller Lage nach England zurückkehrte.

 

Sir Thomas Lawrence (zugeschrieben) (1769–1830).
Bildnis von John Lewis Fleming (1779–1836).
Öl auf Leinwand. 76,5 × 63,8 cm.
Verkauft für CHF 25 000.


In dieser Zeit lernte Seymour John Louis Hummell, geborener Cuchet, kennen und verliebte sich in ihn. Hummell war ein aus Genf stammender Musiker, der als eine Art Wunderkind bereits mit neun Jahren vor König Georg III. und Königin Charlotte auftrat. Ihr Altersunterschied war beträchtlich, aber es scheint eine echte Zuneigung zwischen den beiden gegeben zu haben. Als Worsley 1805 starb und Seymour schliesslich in den Besitz seines Anwesens gelangte, heirateten sie. Hummell änderte seinen Namen in John Lewis Fleming und Seymour nahm ihren Mädchennamen wieder an. Der Musiker Hummell fühlte sich zwar in gehobenen Kreisen wohl, war aber nicht adlig geboren. Das vorliegende Porträt wurde höchstwahrscheinlich von Seymour beim damals populärsten Porträtmaler in Auftrag gegeben – als eine Art Werbung für die Ankunft ihres neuen Ehemannes in der Gesellschaft.

1818 stirbt Seymour und Fleming erbt ihr Vermögen. Zwei Jahre später heiratet er Ernestine Jeanne Marie de Houdetot (1796–1836), eine französische Adlige. Deren gemeinsame Tochter heiratete den Berner Patrizier Dyonis Bernhard Friedrich Friedrich von Graffenried (1815–1886), wodurch das Gemälde in die Schweiz kam; seither verblieb es in derselben Familie. Der letzte Wunsch von John Lewis Fleming war es, neben seiner ersten Frau, Seymour Dorothy Fleming, auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise begraben zu werden.



 

Eine Zeitkapsel für den «goût Rothschild»

Ein Blick auf das Interieur des Hôtel Salomon de Rothschild. Der vorhandene Tisch ist links in der Mitte zu sehen.


Der table d’accouchée, der in unserer Auktion vom 24. September angeboten wird (Los 1050), gehörte Adèle de Rothschild (1843–1922) und damit einer Vertreterin einer der wohlhabendsten Familien der Geschichte. Der Sammel- und Dekorationsgeschmack der Rothschilds, die ihr Vermögen vor allem durch Bankgeschäfte erlangt haben, wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als «goût Rothschild» bekannt. Ihre palastartigen Häuser im Stil der Renaissance waren mit einer exzellenten Auswahl an meist französischen Antiquitäten, Goldschmiedearbeiten, schweren Stoffen und geschnitzten Boiserien gefüllt. Damit setzte die Familien einen neuen ästhetischen Standard, den spätere wohlhabende Dynastien wie die Rockefellers, Vanderbilts, Duponts und Gettys nachahmten.

1862 heiratete Adèle de Rothschild in Paris ihren Cousin Salomon de Rothschild (1835–1864), der nur zwei Jahre später an einem Herzinfarkt starb. Salomons unstetes Wesen und seine finanzielle Extravaganz sorgten für Verwerfungen mit dem Rest der Familie. Gleichwohl war er ein engagierter und leidenschaftlicher Sammler, der vor allem in den zwei Jahren nach seiner Heirat mit Adèle eine beeindruckende Kollektion hochwertiger Bücher, Fotografien, Gemälde und Skulpturen sowie Kunst und Kunstgewerbe des Nahen Ostens zusammentrug. Nach dem Tod ihres Mannes führte die erst 21-jährige Adèle für das nächste halbe Jahrhundert ein eher zurückgezogenes Leben, obwohl es einige Belege dafür gibt – nicht zuletzt Rechnungen über beträchtliche Mengen an Cognac und Zigarren –, dass sie weiterhin ein aktives, wenn auch sehr selektives soziales Leben in ihrer Residenz führte. Sie unterstützte zeitlebens die Kunst und war eine frühe Mäzenin des tschechischen Malers Alfons Mucha. So ermöglichte sie dessen ersten Aufenthalt in den Vereinigten Staaten im Jahr 1904.

 

Table d'accouchée, Louis XV, Paris circa 1750/60.

Ab 1872 beaufsichtigte Adèle den Bau eines grossen Herrenhauses im Pariser Stadtteil Monceau, des Hôtel Salomon de Rothschild, in dem die Sammlungen ihres verstorbenen Mannes sowie die ihres Vaters Mayer Carl von Rothschild untergebracht und ausgestellt werden sollten. Der jetzt angebotene Tisch gehörte zur prachtvollen Ausstattung des Hôtel Rothschild und ist ein typisches Beispiel für die hohe Qualität der legendären Möbelsammlungen der Rothschilds. Der table d’accouchée ist eine von mehreren neuen französischen Möbelformen, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts aufkamen. In ihnen spiegelt sich der Trend in der Regentschaft Ludwigs XV. weg von der exponierten Lebensweise in Versailles in den Epochen zuvor hin zu intimeren Privatwohnungen. Der obere Teil ist dazu bestimmt, im Bett als Lesepult, Schreibtisch oder Esstablett genutzt zu werden.

Das Hôtel Salomon de Rothschild, aus dem das Möbelstück stammt, beherbergt heute auf Wunsch von Adèle de Rothschild eine Stiftung, die sich den Künstlern und der Kunst widmet. Ein Raum wurde in der Tradition der Kuriositätenkabinette sorgfältig erhalten und ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Mit seinen über 400 Kunstwerken ist er ein hervorragendes Beispiel für den «goût Rothschild» und zugleich eine faszinierende Zeitkapsel aus einer Epoche, in der betuchte Sammlerinnen und Sammler ihre Leidenschaft für aussergewöhnliche Kunstobjekte auslebten.



    25 BÄUME FÜR DIE JUGEND

Der Dachverband Schweizer Jugendparlamente DSJ feiert sein 25-jähriges Bestehen und setzt ein nachhaltiges Zeichen. Anlässlich des Jubiläums werden 25 Bäume gepflanzt. Sie stehen damit sinnbildlich für die Förderung der politischen Partizipation und politischen Bildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen seit der Gründung des DSJ.

Nehmen Sie an der Auktion der 25 Bäume über Koller Auktionen teil und unterstützen Sie die Schweizer Jugendpolitik! Gebote können ab dem 5. Oktober 2020 auf unserer Website-Seite «ibid online only» abgegeben werden. Der Verkauf ist am 23. Oktober 2020.

Erfahren Sie hier mehr über den DSJ.





 

 



Ein Gemälde aus dem Goldenen Zeitalter

Karoline Weser, unsere Spezialistin für Alte Meister, präsentiert eine Landschaft von Salomon van Ruysdael, einem der bedeutendsten Künstler des Goldenen Zeitalters der niederländischen Malerei.


Astronomische Präzision

Die minutiöse Präzisionsarbeit einer faszinierenden astronomischen Uhr wird von Stephan Koller, Spezialist für Möbel und Dekorative Kunst, enthüllt.



 

KOLLERview erscheint viermal jährlich,

die nächste Ausgabe folgt im September 2020.

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In dieser Ausgabe:

• Die Kraft der Serie
• Von der Abstraktion zur Figur
• Blick in die Unendlichkeit
• Osmose zwischen Surrealismus und Realität
• Präzise während des ganzen Jahres
• Türkis – beliebt in aller Welt
• Sammeln als private Leidenschaft
• Erleuchtung und weltlicher Beistand

 



 

Hundertwasser – Künstler, Architekt, Umweltaktivist

Das Quixote Winegut, Napa Valley, Kalifornien.
Foto: Treve Johnson


Carl Doumani, Besitzer des in Bau befindlichen Weingutes Quixote in Napa Valley, Kalifornien, präsentierte seinem Architekten Friedensreich Hundertwasser voller Stolz seine neueste Errungenschaft: Säulen, die vom Künstler mit Kacheln verziert worden waren und den Transport von Deutschland trotz ihrer Zerbrechlichkeit allesamt unbeschadet überstanden hatten. Hundertwasser begutachtete seine Säulen, nahm einen Hammer zur Hand und zerschlug eine Säule mit den Worten: “Wenn sie nicht sehen, dass wir gebrauchtes Material benutzten, dann erkennen sie es auch nicht.”

Die Hingabe zur Imperfektion, so typisch für Hundertwasser (1928-2000), geht auf seine profunde und gleichzeitig intime Beziehung zur Natur zurück. Bekannt als ikonoklastischer Maler und Architekt, wäre Hundertwasser ebenso gerne als ruhehloser Umweltaktivist in Erinnerung geblieben. Als Vorreiter auf diesem Gebiet hat er nie den Kampf aufgegeben, die Natur in unser alltägliches Leben zu integrieren. Umso mehr noch sieht er den engen Kontakt zur Natur als essentiell für die physische und mentale Gesundheit.

 

Friedensreich Hundertwasser (1928–2000)
Der gelbe Platz - Flugplatz. 1958.
Aquarell mit Lack auf Packpapier, mit Kreide grundiert.
Verkauft für CHF 195 000.


Seine Kindheit in Wien wurde durch den Aufstieg der Nationalsozialisten und den Zweiten Weltkrieg überschattet. Obwohl oder gerade weil seine Mutter Jüdin war, gab er sich als Katholik aus, um der Verfolgung und dem Schicksal vieler seiner Verwandten zu entgehen. Er fand Trost in der Natur, und für den Rest seines Lebens führte er Krieg gegen die "gottlose und unmoralische" gerade Linie, die in der Natur abwesend und nur allzu präsent in den Militärparaden seiner Jugend war.

Die Spannung zwischen Natur und dem unnatürlichen Versuch der Menschen, dieser ihren Willen aufzudrängen, ist in Hundertwassers Kunst, Architektur und Texten zu jeder Zeit präsent: in seinem 1958 erstmals publizierten “Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur” fordert er, dass man Schimmel und Rost in seiner Wohnung willkommen heissen sollte, denn “das Leben zieht ins Haus, und durch diesen Prozess können wir bewusster Zeugen architektonischer Veränderungen werden, von denen wir viel lernen können.”

In dem vorliegenden Werk “Der gelbe Platz – Flugplatz” von 1958, ist diese Spannung in der Komposition, die durch eine horizontale Linie geteilt wird, offensichtlich. In der oberen Bildhälfte wird der Natur ihre verdiente Bedeutung zugesprochen, symbolisiert durch eine vollständige mit Grün umwucherte Spirale. Die Harmonie der oberen Hälfte ist in der unteren durch die gebrochene Spirale, von Menschen gemachte Konstruktionen wie z.B. rauchende Fabriken und die generelle Atmosphäre der Unvollständigkeit auf brutale Weise abwesend.

Die Spirale war massgebend in Hundertwassers Sicht der Welt. "Ich bin überzeugt, dass sich der Schöpfungsakt in Form einer Spirale vollzogen hat", schrieb er. "Unser ganzes Leben verläuft in Spiralen".

Für Hundertwasser ist ein zu Hause – ebenso wie die Welt insgesamt -, das keinen Platz für Natur lässt, einfach unbewohnbar. Mit Hilfe seiner Kunst, Architektur und seinem Engagement widmet er sein gesamtes Leben der Verbreitung und Bereitstellung von Räumen und Orten, in denen die Menschen nicht nur leben, sondern in Harmonie mit der Natur neue Wege beschreiten können.



Kommende Auktionen:
5. Dezember – Grafik & Multiples
5. Dezember – PostWar & Contemporary


Kataloge



 

Chamberlain und César

John Chamberlain (1927–2011)
Kiss #14. 1979.
Bemalter Stahl. 68,5 x 59,5 x 61 cm.
Verkauft für CHF 526 000.


Die Skulpturen des amerikanischen Bildhauers John Chamberlain (1927–2011) und die des Franzosen César (1921–1998) werden oft derselben künstlerischen Stilrichtung zugeschrieben. Doch so ähnlich sie auf den ersten Blick erscheinen, so unterschiedlich sind doch sowohl der künstlerische Prozess als auch die philosophische Idee, die hinter den Werken stecken.

Chamberlains frühester Einfluss waren die Arbeiten der ersten Generation der Abstrakten Expressionisten, und dort besonders die des Bildhauers David Smith, aber auch die Gemälde von Franz Kline und Chamberlains Freund und Mentor Willem de Kooning. Die Idee, gebrauchte Autos zu verwenden, kam ihm Mitte der 1950er Jahre während eines Besuchs bei seinem Freund, dem Maler Larry Rivers, der Teile eines 1929er Fords in seinem Hinterhof in Long Island liegen hatte. Chamberlain fuhr unzählige Male über die rostigen Einzelteile, um sie dann zu seiner ersten Auto-Skulptur “Shortstop” zu formen.

Shortstop bedeutete eine Sensation in der Kunstwelt und machte Chamberlain schon zu Beginn der 1960er Jahre zu einem Star. Später sagte er über seine frühen Skulpturen: Ich stellte fest, dass ich mit einer gewissen Spontaneität arbeitete. Ich versuchte, den oberen Teil (einer Skulptur) an der unteren Hälfte zu befestigen, aber wenn ich ihn an der richtigen Stelle platzierte, verband er sich an drei verschiedenen Stellen, so dass er mir sagte, wie ich ihn zusammensetzen sollte“. Diese Aussage beschreibt treffend einen entscheidenden Aspekt in seinem künstlerischen Vorgehen – bei Chamberlains Skulpturen handelt es sich um Collagen, die wiederum den Einfluss der Surrealisten zeigen, von denen viele Abstrakte Expressionisten ihre Inspiration nahmen. Für Chamberlain, aber auch für de Kooning und Pollock, war der Entstehungsprozess ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger als das Werk selbst oder die verwendeten Materialien.

 

César (César Baldaccini) (1921–1998)
Compression Evian. 1990.
Kompression mit unterschiedlichen Plastikflaschen.
30 x 21 x 21 cm. Unikat.
Verkauft für CHF 8 700.


César gehörte den Nouveaux Réalistes an, die sehr eng dem Dadaismus, dem Vorläufer der Surrealisten, verbunden waren. Er stammte aus sehr bescheidenen Verhältnissen und begann gebrauchte und gefundene Objekte zu nutzen, da er keinen Zugang zu teuren Materialien hatte. Aber die Bestandteile seiner Skulpturen, wie auch bei seinen Künstlerkollegen, hatten meistens eine politische und/oder soziologische Bedeutung. Seine hier dargestellte “Compression Evian” ist ein offener Kommentar zu unserer Konsumgesellschaft. Chamberlain dagegen verweigert, abgesehen von der offensichtlichen Assoziation von Autos als Symbol Amerikas, in seinem Werk jegliches politische Statement. Die Abstrakten Expressionisten waren in gewisser Weise viel egozentrischer als andere Gruppen, und genau diese eigene Ernsthaftigkeit provozierte die Nouveau Realisten bei jeder Gelegenheit, sich darüber lustig zu machen: so wie mit Niki de Saint Phalles “shooting paintings”, bei denen Künstler auf an die Leinwand befestigte Farbbeutel schiessen und somit ein Ready-Made im Stil von Pollocks Drip Paintings kreieren konnten.

 

John Chamberlain (1927–2011)
Grass Skirt Opus. 2002.
Bemalter und verchromter Stahl. 41 x 33 x 32 cm.


Ein weiteres herausstechendes Merkmal in Chamberlains Arbeiten ist die Farbe. Neben den überwiegend monochromen Skulpturen der 1950er Jahre wirkten Chamberlains strahlende, glänzende Farben wie eine Explosion im damaligen Kunstmarkt. Zu Beginn nutzte er die originale Farbigkeit der Autoteile, später aber zögerte er nicht, Farbe vor und nach der Bearbeitung hinzuzufügen oder durch Schaben und Kratzen den gewünschten Effekt zu erzeugen. Obwohl Farbe auch für César von grosser Bedeutung war, fällt es doch schwer sich vorzustellen, wie er seine gefundenen Objekte übermalt oder überarbeitet.

 

César (César Baldaccini) (1921–1998)
Compression.
Blech, bemalt. 31 x 31 x 16 cm.
Verkauft für CHF 24 700.


Eines haben Chamberlain und César dann aber noch gemeinsam, und zwar, dass sie – wie viele andere Künstler – vor allem mit einem Stilmerkmal immer assoziiert werden. Beide waren hochbegabte Künstler, die experimentiert haben und immer wieder die Grenzen der Kunst ausgetestet haben – Chamberlain hat in den 1960ern sogar Untergrundfilme wie Warhol gedreht – aber in der öffentlichen Wahrnehmung stehen sie nur für eins: gepresste Skulpturen. Vielleicht werden zukünftige Retrospektiven zu einem grösseren und offeneren Verständnis dieser beiden Künstler und der überaus spannenden Zeit führen, in der sie wirkten.



Kommende Auktionen
:
5. Dezember – Grafik & Multiples
5. Dezember – PostWar & Contemporary


Kataloge



 

Andy Warhol, Filmemacher im Underground

Das Albumcover des Soundtracks zu "Blood for Dracula".

Andy Warhol wurde einmal auf einer Party gefragt, während er seine allgegenwärtige Kamera hielt: «Warum fotografieren Sie ständig Menschen?» Warhol starrte den Gast, der eine Zigarette in der Hand hielt, einen Moment lang an und antwortete dann: «Warum rauchen Sie?»

Zeitlebens fasziniert vom fotografischen Bild, drehte Warhol Hunderte von Filmen, die ersten in jener Zeit nach 1963, als er in die legendäre New Yorker «Factory» einzog. Seine ersten Filme waren Stumm- und Schwarzweissfilme, die er mit seiner einfach ausgestatteten 16-mm-Bolex-Kamera drehte. Aus dieser Zeit stammen der sechsstündige Film «Sleep», der eine Person zeigt, die eine ganze Nacht lang schläft, sowie «Kiss», «Haircut» und 1964 eine erste, noch unvollendete Version von «Dracula», die er mit dem Underground-Filmer Jack Smith anfertigte.

 

Eine Szene aus Warhols "The Chelsea Girls" (1966) mit Nico und Ondine.

Mitte der 1960er-Jahre hatten es Warhols Filme in der New Yorker Underground-Szene zu gewissem Erfolg und Publicity gebracht. Einige Produktionen aus dieser Zeit gelten inzwischen als Klassiker, so etwa «The Chelsea Girls» (1966), eine Serie von zwölf 33-Minuten-Filmen, die in verschiedenen Zimmern des Chelsea Hotels gedreht wurden und von Newsweek «Der Ilias des Underground» genannt wurden. Warhols Regiekarriere endete 1968, als die vormalige Factory-Bewohnerin Valerie Solanas den Künstler mit drei Schüssen zu ermorden versuchte. Paul Morrissey, Warhols wichtigster Filmassistent seit 1965, übernahm die Regie und brachte die von Warhol produzierten Filme schliesslich einem viel grösseren Publikum näher.

 

Udo Kier wird grün in "Blood for Dracula".

Das Dracula-Motiv entstand für Morrissey, der auch bei «Andy Warhols Dracula» (1973/74) Regie geführt hatte. In «Blood for Dracula», so der spätere Titel, treten der deutsche Schauspieler Udo Kier und der Amerikaner Joe Dallesandro auf, der in vielen Warhol/Morrissey-Filmen Rollen übernahmen, so in «Flesh for Frankenstein». Die Dreharbeiten zu «Dracula» begannen nur wenige Tage nach der Fertigstellung von «Frankenstein», wobei die Schauspieler kürzere Haarschnitte bekamen, um ihre neuen Rollen spielen zu können. «Dracula» wurde in Deutschland und den USA mit gemischten Kritiken aufgenommen, ist inzwischen aber zu einem Kunstkinoklassiker geworden und enthält trotz seiner Low-Budget-Ästhetik des «Trash» einige wunderschön gedrehte Szenen.

 

Andy Warhol (1928–1987)
Dracula. 1981.
Farbsiebdruck mit Diamantstaub.
TP 2/30, Trial Proof ausserhalb der Auflage von 200. Unikat.
Verkauft für CHF 116 000 (Rekordpreis).


Warhol nahm das Dracula-Porträt von Udo Kier 1981 in seine «Mythen»-Reihe von Ikonen der Populärkultur auf. Der hier angebotene Siebdruck ist ein einzigartiger Probedruck und unterscheidet sich deutlich von anderen Probedrucken und der endgültigen Ausgabe durch seine leuchtenden Farben und die Verwendung von Diamantstaub. In der endgültigen Fassung verschmilzt die grau-schwarz getönte Figur fast mit dem dunklen Hintergrund. Der Film mag im Wesentlichen Morriseys Werk sein. Aber die Aneignung und Umwidmung eines klassischen Elements aus der Popkultur, wie im vorliegenden Siebdruck, ist Warhols autonome künstlerische Leistung.



Kommende Auktionen
:
5. Dezember – Grafik & Multiples
5. Dezember – PostWar & Contemporary


Kataloge



 

Eine Perlenkette im Wert eines Stadtpalastes

Elizabeth Taylor mit einer ihrer Naturperlen-Halsketten.

Während Jahrtausenden gehörten Naturperlen zu den wertvollsten Objekten, die man besitzen konnte. Überliefert ist die Legende, nach der Kleopatra mit ihrem Gefährten Marcus Antonius wettete, dass sie zehn Millionen Sesterzen für ein einziges Abendessen ausgeben könnte, indem sie eine ungewöhnlich grosse Naturperle in Essig auflöste und trank würde. 1917 erwarb Pierre Cartier einen Stadtpalast an der Fifth Avenue in New York, heute als «Cartier Mansion» bekannt, mit einer doppelsträngigen Naturperlenkette, die damals 1 Million Dollar wert war.

Das in unserer Auktion vom 2. Juli angebotene Perlen- und Diamantcollier wurde von einem Zürcher Juwelier 1919 mit 100’000 Schweizer Franken bewertet – was heute etwa 1 Million Franken entspricht –, wie die Originalrechnung belegt. Doch nur wenige Jahre nach dem Tauschhandel von Cartier und dem Kauf der Zürcher Halskette hatten die Perlen nur noch einen Bruchteil ihres früheren Wertes. Was verursachte diesen dramatischen Wandel auf dem Perlenmarkt?

 

Chinesische Perlentaucher aus der Enzyklopädie Tiangong Kaiwu, 1637.

Der hohe Wert von Naturperlen gründete in ihrer extremen Seltenheit. Es dauert Jahre, bis in einer Muschel eine Perle heranwächst, und dieser Prozess findet nur bei etwa einer von 10’000 Muscheln statt. Perlentaucher mussten in Tiefen von bis zu 40 Metern tauchen, um eine möglicherweise perlengefüllte Muschel zu bergen, was gefährlich und zeitaufwändig war. Aus diesem Grund waren Perlen als exklusive Attribute reich verzierter Anhänger, Ohrringe und Halsketten den «oberen Zehntausend» vorbehalten.

 

Verschiedene Arten von Zuchtperlen. Foto © GIA.

Im Jahr 1921 kamen zum ersten Mal Zuchtperlen auf den internationalen Markt, nachdem Kokichi Mikimoto und anderen bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Japan die Zucht gelungen war. Natürliche Perlen entstehen, wenn eine Molluske eine schützende Perlmutt-Schicht um einen winzigen Fremdkörper oder Verletzung bildet. Bei Zuchtperlen wird der Reizstoff von Menschen eingebracht, was zu einer viel effizienteren Produktion und erschwinglicheren Preisen führt. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren waren Zuchtperlen endlich für die Mittelschicht zugänglich. Dass sie von Prominenten wie Jackie Kennedy und Marilyn Monroe getragen wurden, machte sie umso begehrenswerter.

 

Naturperlen-Diamant-Collier, um 1919.
89 im Verlauf aufgezogenen, runden und semi-runden, cremefarbenen Naturperlen von ca. 4 – 7,2 mm Ø.
Mit Original-Kaufrechnung von Eugen Keller, Dezember 1919.
Verkauft für CHF 16 000.


Heute ist es möglich, einen der ehemals grössten Schätze der Welt – eine Halskette aus Naturperlen – zu erwerben und sich daran zu freuen, was einst nur wenigen Privilegierten vergönnt war.



Kommende Auktionen:

29. September  – Schmuck (online only)


Kataloge



 

Refugien: die Gärten der Künstler

Fabio Sidler

Max Liebermann am Wannsee-Garten um 1922.
© Max-Liebermann Gesellschaft.


Nach den ersten Lockerungen der Massnahmen zur Eindämmung von Covid19 las man von einem besonderen Ansturm auf die Gartencenter. Es war allgemein sehr auffällig, dass die Pflege des Gartens neben dem Kochen wohl die beliebteste Beschäftigung war während den in den meisten Teilen der Welt geltenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Der Garten gilt schon immer auch als ein Refugium, ein Rückzugsort. Diese Bedeutung des Gartens zeigt sich auch deutlich in der europäischen Kulturgeschichte. Ab dem 15. Jahrhundert wurde um Florenz die Villenkultur nach antikem Vorbild wiederbelebt. Fernab der Stadt schufen sich die Medici und viele andere mächtige Händler und Politiker prächtige Landsitze mit gepflegten Gartenanlagen, die man heute als die Renaissancegärten bezeichnet. Ausserhalb der Stadt schuf man sich Orte, an denen man sich mit den Intellektuellen aus Literatur, Kunst und Philosophie austauschte. So treffen sich in Boccaccios Dekameron zehn Jugendliche an einem solchen Ort, um sich in der Isoliertheit vor der grassierenden Pest zu schützen, und um sich mit Erzählungen die Zeit zu vertreiben.

Auffällig ist, wie sich auch viele bedeutende Künstler des Impressionismus und der Klassischen Moderne private Landsitze und schöne Gärten anlegen liessen. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Garten Monets in Giverny. Das Anfang dieses Jahr erschienene Buch von Jackie Bennett, Die Gärten der Künstler (Gerstenberg, 2020), zeigt über 20 Gärten, weltberühmter Künstler. Sie sind Inspirationsquelle, Freiluftatelier und geheimer Rückzugsort. Viele dieser Orte kann man heute noch als Bestandteil von Museen öffentlich besichtigen.

In unseren Auktionen vom 19. Juni und 3. Juli bieten wir einige schöne Beispiele von Ansichten solcher Gärten an:

 

Max Liebermann (1847–1935)
Blumenterrasse im Wannseegarten nach Norden. 1918.
Öl auf Karton. Verkauft für CHF 488 000.


Max Liebermann
1909 erwirbt Max Liebermann das Grundstück am Wannsee, sein liebevoll genanntes "Schloss am See" mit Villa und Gartenhaus. Die Blumenterrasse sowie der Nutzgarten vom Sommerhaus am Wannsee ist motivischer Dreh- und Angelpunkt für eine grosse Serie von Gartenbildern, die wesentlich das Spätwerk des deutschen Impressionisten prägen. Die Gartenanlage lässt Liebermann mit beratender Assistenz vieler Fachleute und in Zusammenarbeit mit Alfred Lichtwark, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle, kontinuierlich ausbauen und schafft so nach eigenen Ideen sein persönliches Freiluftatelier. Ab 1914 nutzt er die neue Inspiration intensiv und die Vielfalt der Motive mit der ständig wechselnden Bepflanzung, den farbigen Blumen, dem satten Grün der Wiese und der Bäume und den diversen Sichtwinkeln ist endlos. Vom Garten entstehen rund 200 Gemälde und etliche Zeichnungen, die von allen Himmelsrichtungen aus die Pracht des Gartens zeigen. Es erstaunt nicht, dass sich Liebermann gerade in den Jahren des Ersten Weltkriegs und der Grossen Depression um 1923 gerne hierher zurückzog.

 

Henri Martin (1860–1943)
Pergola Nord-Ouest de Marquayrol en fin d'automne.
1910–20. Öl auf Leinwand.


Henri Martin
Nach 10 Jahren auf der Suche nach dem perfekten Landhaus kauft Henri Martin im Jahr 1900 im Alter von 40 Jahren das aus dem 17. Jahrhundert stammende grosse Haus Marquayrol im Dorf Labastide du Vert im Lot im Südwesten Frankreichs. Das Haus und die Region werden zu Martins Sommerurlaubsort, wo er sich zwischen Mai und November aus der Grossstadt Paris zurückzieht, um die Gelassenheit der Natur zu geniessen.

 

Pierre-Auguste Renoir (1860–1943)
Dans le jardin des Collettes à Cagnes. Um 1910.
Öl auf Leinwand. Verkauft für CHF 360 000.


Pierre-Auguste Renoir
1907 kauft Renoir das Anwesen "Les Collettes" in Cagnes am Mittelmeer in der Nähe von Nizza. Im Herbst 1908 zieht er dorthin um. Das Anwesen mit seinem malerischen Bauernhaus, seinen Oliven- und Orangenhainen und dem Ausblick auf die hügelige Landschaft bietet dem Künstler wichtige Motive für seine späten Landschaften. In diesen gelingt es Renoir, ein ähnlich silbernes Licht zu erzeugen wie es Camille Corot, den er sehr verehrt, in seinen Landschaften Frankreichs um 1850 darstellt. Das hier angebotene Gemälde ist ein besonders schönes Beispiel, stimmig abgeschlossen und daher im Gegensatz zu vielen anderen späten Landschaften handsigniert.

 

Albert Marquet (1875–1947)
Arbre en fleurs devant Alger. Um 1943.
Öl auf Leinwand.


Albert Marquet
Während des Zweiten Weltkriegs bleiben Albert und Marcelle Marquet in Algier: 1941 kaufen sie etwas ausserhalb der Stadt ein Landstück namens Djenan Sidi Saïd, welches Marcelle mit "Garten des glücklichen Herrn" übersetzt.





Kommende Auktionen
:
  4. Dezember –  Impressionismus & Klassische Moderne Kunst
  4. Dezember –  Schweizer Kunst
  5. Dezember –  PostWar & Contemporary, Grafik & Multiples

Kataloge



 

Piraten, Pietät und Macht:
Das unglaubliche Schicksal der Werkstatt Roentgen, die es beinahe nie gegeben hätte.

Ein Missionsschiff der Herrnhuter Brüdergemeinde aus dem 18. Jh.

Abraham Roentgen reiste mit dem Schiff in Richtung Neue Welt, um sich in der englischen Kolonie North Carolina ein neues Leben aufzubauen. Man schrieb das Jahr 1737, als sich der deutschstämmige Möbelmacher entschied, das traute Heim zugunsten seiner Missionarsberufung für die Herrnhuter Brüdergemeinde hinter sich zu lassen, obwohl seine Frau noch an den Folgen einer Fehlgeburt litt und eine vielversprechende Berufskarriere als Möbelmacher für die englische Oberschicht in London lockte. Die Überfahrt nahm jedoch eine dramatische Wendung als spanische Piraten das Schiff, auf dem Abraham Roentgen unterwegs war, attackierten und es zu einem Nothalt an der irischen Küste zwangen. Roentgen kehrte gezwungenermassen zu seiner Frau zurück und ging wieder seiner gewohnten Tätigkeit als Möbelmacher in Deutschland nach.

 

Werkstatt Abraham und David Roentgen.
Fein intarsierter Mehrzwecktisch. Neuwied, um 1765/68.
Verkauft für CHF 73 000.


Abraham (1711–1791) und sein Sohn David Roentgen (1743–1807) etablierten trotz anfänglicher Widrigkeiten (oder gerade dank jenes schicksalhaften Piratenüberfalls) das erfolgreichste europäische Möbelmachergeschäft des 18. Jahrhunderts. Als sich die Herrnhuter Brüdergemeinde auf Einladung des Grafen von Neuwied 1750 in der gleichnamigen Stadt niederliess, ergriff Abraham Roentgen die Gelegenheit, um sein Geschäft ebenfalls im Umfeld seiner Glaubensgemeinschaft zu installieren, wo es ein halbes Jahrhundert lang florierte.

Zu den besonderen Privilegien, die der Graf der Bruderschaft gewährte, gehörten Ausnahmen von der Beschränkung der Zahl der Arbeiter in einer bestimmten Werkstatt sowie von der strikten Arbeitsteilung zwischen den Zünften. Diese Freiheiten ermöglichten Roentgen ein schnelles Wachstum, das nicht zuletzt auf seine hochprofessionalisierten Möbelspezialisten zurückzuführen war. Unter der Leitung des Meisterebenisten kümmerten sich die Fachleute um die Herstellung der Möbelkörper und Schnitzereien, gedrechselten Elemente und Bronzemontierungen. Roentgen behielt so die vollständige Kontrolle über die Qualität der handwerklichen Ausführung seiner Produkte.

 

Detail der Intarsien auf dem Roentgen-Tisch.

Roentgens Möbel stiessen beim deutschen Adel auf Gefallen und reges Interesse. Der Ebenist verband nicht nur modische Formen mit technischer Finesse. Vielmehr schuf er – wie im vorliegenden Beispiel – kleine Gesamtkunstwerke, die er mit feinsten Einlegearbeiten und einer ausgeklügelten Mechanik ausstattete. David trat als Jugendlicher in die Werkstatt seines Vaters ein und trug mit ihm zusammen zur weiteren Verbreitung ihres tadellosen Rufes bei.

Durch die Wirren und ökonomischen Nachwirkungen des Siebenjährigen Kriegs (1756–1763) sahen sich die Roentgens gezwungen, nach neuer Kundschaft Ausschau zu halten. Ihr Augenmerk fiel auf London, wo sie zwar keine Werkstatt etablieren konnten, jedoch teure exotische Edelhölzer für sich entdeckten.

Die kostenintensiven Einkaufstouren sowie eine von der Nachfrage unabhängige, spekulative Möbelfabrikation lösten bei ihrer Geldgeberin, der Herrnhuter Brüdergemeinde, Unbehagen aus. Dies hatte für David sogar den Ausschluss aus der religiösen Gemeinschaft und einen Finanzierungstop zur Folge.

 

Das "Neuwieder Kabinett", das teuerste Möbelstück des 18. Jahrhunderts.
© Foto: Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen zu Berlin. Fotograf: Stephan Klonk


Um sich aus dieser Krise zu retten, wagte David eine riskante und zugleich innovative Idee: Durch die Abhaltung einer Lotterie soll sein Luxusmöbellager aufgelöst werden. Auftrieb erhielt diese Idee durch den Umstand, dass die europäische Elite einem ausgesprochenen Hang zum Glücksspiel nachging. David veranlasste trotz der Missgunst der Herrnhuter eine Werbetour durch alle grossen deutschen Städte, um Werbung zu machen für den Verkauf seiner «Neuwieder Arbeiten», den absoluten Luxusartikeln für die Obrigkeit. Als Hauptgewinn lockte ein wunderbares Chinoiserie-Bürokabinett mit integrierter Carillon-Uhr.

Und tatsächlich fand die Lotterie statt: 1769 in Hamburg und sie wurde zu einem wahren Erfolg. Sämtliche Lotterielose konnte er verkaufen und so gelangte die Roentgen-Manufaktur abermals europaweit in aller Munde.

In den darauffolgenden 30 Jahren verkaufte David Roentgen seine Kreationen an die mächtigsten Monarchen, was einen Nachahmeffekt bei der wohlhabenden Obrigkeit und den Adligen des Hofes auslöste. Die Strategie ging vollends auf und gab Roentgen den nötigen Aufwind, um selbstbewusst Marie-Antoinette, Louis XVI. und Katharina die Grosse seine massgeschneiderten und kostenintensiven Entwürfe anzubieten, ohne dass ein Auftrag der jeweiligen Regenten eingegangen wäre.

Friedrich Wilhelm II., König von Preussen, bestellte bei Roentgen ein Bürokabinett für 12’000 Goldthaler – vermutlich das teuerste Möbelstück des 18. Jahrhunderts.

 

Porträt von David Roentgen, um 1785-90.
Roentgen-Museum, Neuwied


Unser Harlekin-Tisch, der in der Möbelauktion vom 18. Juni versteigert wird, zeugt vom Einfallsreichtum und der unverkennbaren Handwerkskunst der Roentgens. Es spiegelt eindrucksvoll den Geschmack der herrschenden Klasse in der Zeit der Aufklärung. Am Ende seiner Karriere versöhnte sich David Roentgen, dem Beispiel seines Vaters folgend, mit der Herrnhuter Brüdergemeinde. Sein diplomatisches Geschick und seine wichtigen Kontakte stellte er gelegentlich in den Dienst des Preussischen Hofes. Sein künstlerisches Erbe sollte als Vorbild für die Möbelhersteller des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus weiterleben.






Kommende Auktionen, Möbel & Dekorative Kunst
:
24. September 2020 – Möbel & Porzellan


Kataloge



 

Emilianische Schule, 16. Jahrhundert (Detail)

Verkauft für CHF 45 000

Ergebnisse ansehen

Viele Gebote und gute Ergebnisse bei Kollers Online-Auktionen trotz der aktuellen Umstände

Die Coronavirus-Krise hat die Online-Bieter nicht davon abgehalten, sich mit Begeisterung an Kollers "ibid online only"-Auktionen zu beteiligen. Bei den Versteigerungen, die am 31. März und 1. April endeten, wurde ein Gesamtergebnis von weit über 100% der angegebenen Schätzungen erzielt. Da den vielen, auch internationalen Kunden keine Möglichkeit zur persönlichen Besichtigung der Auktionsobjekte geboten werden konnte, entschied sich Koller für eine Verschiebung der grossen, ebenfalls im März geplanten Saalauktionen. Die Online-Auktionen aber konnten stattfinden.

Die Ergebnisse für die zu moderaten Preisen offerierten Auktions-Objekte waren trotz der nicht durchgeführter Vorbesichtigung ausgezeichnet. Dies sogar in jenen Bereichen, in denen in den letzten Jahren eine eher zurückhaltendere Nachfrage zu verzeichnen war: Die Versteigerung von antiken Möbeln übertraf die Erwartungen ebenso wie die Auktionen für Bücher, Porzellan und Silber. Besonders erfreulich waren die Ergebnisse für Gemälde alter Meister Zwei Werke - ein Familienporträt der Emilianischen Schule und ein Apostelkopf eines Nachfolgers von Anthonis van Dyck – erzielten mit 45 000 CHF bzw. 34 000 CHF ein Vielfaches der Ausrufpreise.

Vielleicht war die momentane Krise aber auch ein Grund für die guten Verkäufe: «Ich muss Ihnen noch für die perfekte Organisation der Auktion gratulieren», schrieb ein Käufer uns nach der Versteigerung. «Sie hat meiner Frau und mir erlaubt trotz "Hausarrest" ein paar spannende Stunden zu erleben.»

Seit 2018 führt Koller regelmässig “ibid online only“-Auktionen durch, die neben den Hauptauktionen auch online eine grosse Bandbreite an attraktiven Werken bieten. Sie haben sich nicht nur bei Kollers Stammkundschaft etabliert, sondern auch bei einer neuen Generation von Sammlern. Der transparente Prozess, der einfache Zugang zu hochauflösenden Bildern und Zustandsberichten sowie die direkte Beratung durch die Spezialisten machen diese Plattform zu einem beliebten Medium, um auf eine reiche Palette von Objekten zugreifen und bieten zu können, von Kunst und Design bis hin zu Wein, Mode & Vintage.

 


 

KOLLERview erscheint viermal jährlich,

die nächste Ausgabe folgt im Juni 2020.

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In dieser Ausgabe:

• Preziose aus Limoges
• Goldenes Mittelalter
• Weisses Gold aus Meissen
• «Design» des 18. Jahrhunderts
• Astronomische Präzision
• Von Corot bis Liebermann

 


 

KOLLERview erscheint viermal jährlich,

die nächste Ausgabe folgt im März 2020

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde unseres Hauses

Im gesellschaftlich bewegten und an politischen Umbrüchen reichen 20. Jahrhundert hat die bildende Kunst radikale Veränderungen erlebt: Mit den Wurzeln im Impressionismus und seinen Experimenten mit Farben und Formen kristallisierten sich nach 1900 an verschiedenen Orten und mit ganz unterschiedlichen Protagonistinnen und Protagonisten völlig neue Tendenzen heraus. Die Expressionisten krempelten die Farbpaletten um, der Kubismus drängte zur Auflösung der Körper in Geometrie, die Abstraktion schuf sich Platz auf den Leinwänden und in den Skulpturen. Exemplarisch für die Generationen der Moderne, die Künstlerpersönlichkeiten in einer Dichte hervorbrachte, die ihresgleichen sucht, präsentieren wir am 6. Dezember Werke von Pierre Auguste Renoir, Paul Cézanne, Pablo Picasso, Henri Matisse und Marc Chagall.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte sich das internationale Kunstgeschehen vom Epizentrum Europa mit den Metropolen Moskau, Berlin, Paris und London in die USA. New York und Chicago, San Francisco und Los Angeles fungierten als Schmelztiegel der Moderne der Fünfziger- und Sechzigerjahre. In diesen ‹boomtowns› nahmen Action Painting, Pop Art, Minimal Art und viele andere Strömungen ihren Anfang, bevor sich wuchtig wieder auf die ‹Alte Welt› zurückwirkten.

Unsere Dezember-Auktionen vereinen auch etliche Werke aus dieser Epoche des neuen künstlerischen Aufbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg, der eine vielsprachige Kunst hervorbrachte. Heute stehen die Arbeiten von Andy Warhol, Keith Haring, Robert Indiana, Jean Dubuffet, Mark Tobey, Ben Nicholson, Getulio Alviani, Alexander Calder und Karel Appel exemplarisch für die fruchtbaren Dialoge und Diskurse jener Jahrzehnte.

Mit skulpturalen Arbeiten von Ai Weiwei und Stephan Balkenhol ist die zeitgenössische Kunst bei Koller im Dezember ebenfalls prominent vertreten. Daneben können wir auch wieder vortreffliche Asiatica versteigern, so zwei Meiji-Bronze-Gefässe, die uns den intensiven Kulturtransfer zwischen Europa und Asien vor rund 120 Jahren anschaulich vor Augen führen.

Schliesslich gibt es in der Auktion Schweizer Kunst – neben dem berühmten Gemeindeschreiber von Albert Anker und Werken von Alexandre Calame, Giovanni Giacometti, Cuno Amiet oder Adolf Dietrich – mit Peter Robert Berri einen Meister wiederzuentdecken, der die Bergwelt zwischen Puschlav und Veltlin am Beginn des Jahrhunderts einfühlsam porträtierte.

Ich freue mich, Sie während unserer Vorbesichtigung an der Hardturmstrasse begrüssen zu dürfen, und wünsche Ihnen eine unterhaltsame und anregende Lektüre.

Unsere Expertinnen und Experten stehen Ihnen beim Kauf und Verkauf von Kunstwerken gern beratend zur Seite.

Mit herzlichen Grüssen
Ihr Cyril Koller

 


 

STEPHAN BALKENHOL
Mann mit grünem Hemd und Relief Domino. 2007.
Skulptur. Wawa-Holz, bemalt. 2-teilig.
Schätzung: CHF 50 000 / 70 000

Stephan Balkenhol spielt in seinen Holzskulpturen virtuos mit Massstäben: Während die auf einem Sockel platzierte Figur kleiner als in der Realität dargestellt ist, hat der Künstler die Dominosteine im Hintergrund auf ein Vielfaches vergrössert. Die Irritation, die dieser Sprung der Dimensionen beim Betrachter auslöst, steht am Beginn eines ganzen Erzählstrangs, der sich um diese raumgreifende Installation entwickeln kann. «Meine Skulpturen machen Angebote zu Geschichten, ohne diese zu Ende zu erzählen», so Balkenhol zu seinen Arbeiten.

 


 

ANDY WARHOL
Superman. 1981.
Farbserigrafie mit Diamantstaub. 8/200.
Blattmass 95,2 x 95,2.
Schätzung: CHF 120 000 / 180 000

Comic-Ikonen

Andy Warhols «Superman» in der Auktion PostWar & Contemporary vom 7. Dezember 2019

Die Welt des Comics kennt viele Helden: Max und Moritz (ab 1865), Mickey Mouse (ab 1928) und Donald Duck (ab 1931), Popeye (ab 1929) oder Tim und Struppi (ab 1929). Der sagenumwobene Superheld des modernen Comics ist aber Superman alias Kal-El alias Clark Kent, der 1938 das Licht der Bunte-Hefte-Welt erblickte. Seine Erfinder, der Comic-Autor Jerry Siegel und der Zeichner Joe Shuster, lösten in den Vereinigten Staaten einen regelrechten Superhelden-Boom aus, der unter anderem Figuren wie Batman (ab 1939) und Wonder Woman (ab 1941) hervorbrachte. Und Andy Warhol, Jahrgang 1928, repräsentierte damals perfekt die Zielgruppe dieses Mediums: Kinder, Teenager und junge Erwachsene sollten sich für die neuen gezeichneten Idole begeistern und die regelmässig erscheinenden Hefte mit Bildgeschichten kaufen, sammeln und tauschen.



ANDY WARHOL
The new spirit (Donald Duck). 1985.
Farbserigrafie. 132/190.
Blattmass 95,2 x 95,2 cm.
Schätzung: CHF 24 000 / 28 000

Das Superman-Motiv reiht sich ein in eine ganze Folge von Comic-Ikonen, die Warhol seit den 1960er-Jahren in seine Arbeiten aufgenommen hat. Zu den gesuchtesten Werkgruppen gehört seine Siebdruck-Serie «Myths» von 1981, aus der neben Mickey Mouse auch der vorliegende Superman stammt. Die meisten Charaktere in Warhols Myths-Serie stammen aus alten Hollywood-Filmen, frühen US-amerikanischen Comics und aus TV-Serien der 1950er-Jahre. Sie erinnern zum einen an die grosse Vergangenheit der amerikanischen Unterhaltungsindustrie, zum anderen haben sie Andy Warhol in die Jahre seiner Kindheit zurückversetzt. Der durch eine Autoimmun-erkrankung lange bettlägrige kleine Andy begeisterte sich früh für Comics und Filme. Nach seiner Ausbildung zum Werbegrafiker sammelte Warhol markante Magazin-Abbildungen und -Cover, die er – seriell wiederholt – in Serigrafien adaptierte. Warhol liebte variantenreiche Wiederholungen, wie sie sich in den Campbell-Suppendosen oder in gestapelten Brillo-Putzmittelboxen: «I love to do the same thing over and over again.»

Wie vertraut Warhol mit der Welt des Comics war, erschliesst sich auch an einem formalen Detail, das er nicht aus der historischen Superman-Vorlage übernommen hat, das aber ganz selbstverständlich zur Geschichte des Comiczeichnens gehört: Mit der Vervielfältigung und Überlagerung des Motivs erzeugt der Künstler den Eindruck einer Bewegung, die das Bild aktiviert und dynamisiert. Eines der Urbilder dieses künstlerischen Effekts ist Wilhelm Buschs unvergessener pianospielender «Virtuos», der beim «Finale furioso» ekstatisch in die Tasten greift und dabei – als Sinnbild für die enorme Geschwindigkeit seines musikalischen Vortrags – gleich mehrfach zu sehen ist. In vergleichbarer Manier lässt Warhol seinen Superman, Faust voran und Umhang flatternd, dynamisch aufsteigen und sich quasi selbst überholen. Dass Warhol diese Art der Darstellung nicht zufällig wählte, belegen Probedrucke des Motivs in Schwarzweiss, in denen er die Verdopplung bereits anlegte. Die kräftige Farbpalette in Rot und Blau übernimmt der Künstler direkt vom Superman-Original, versieht aber die Konturen des gedoppelten Motivs mit Diamantenstaub. Beides wirkt vor dem schwarzen Hintergrund dramatisch und setzt so den spannungsvollen Erzählfaden des Superman-Comics in einem eigenständigen Kunstwerk adäquat fort.

Mit «The New Spirit» kommt in der gleichen Auktion eine Farbserigrafie aus der legendären «Ads»-Serie von Warhol zum Aufruf. In dieser zehn Motive umfassenden Bildfolge inszenierte der Künstler 1985 nicht nur die berühmte Comicfigur Donald Duck, sondern gleich ein ganzes Potpourri ikonischer Signets und Bilder des ‹American Way of Life› und der US-amerikanischen Konsumwelt: die Markenzeichen von Apple, Paramount und Chanel oder Porträts von Judy Garland, Ronald Reagan und James Dean. Im Dezember 2018 erlöste Koller für die Farbserigrafie «Mickey Mouse» aus der kurz zuvor entstandenen Serigrafie-Serie «Myths» 168’500 Franken – ein neuer Weltrekord für dieses Blatt.

 


 

01 ALEXANDER CALDER
17" Planets. 1976.
Gouache und Tinte auf Vélin.
37,1 x 109,1 cm.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000

PreView

01 Calders Faszination für das Sonnensystem war Teil eines breiteren Phänomens, das unter anderem durch die Entdeckung des Planeten Pluto im Jahr 1930 ausgelöst wurde. «Die einfachsten Formen im Universum sind die Kugel und der Kreis. Ich präsentiere sie durch Scheiben und dann variiere ich sie.»



02 GENEVIÈVE CLAISSE
H. 1970.
Acryl auf Leinwand.
86 x 86 cm.
Schätzung: CHF 6 000 / 8 000

03 FERNANDO BOTERO
Cane. 1979.
Pastell auf dünnem Karton.
31 x 41 cm.
Schätzung: CHF 24 000 / 32 000

04 GETULIO ALVIANI
Superficie a testura vibratile.
Aluminium auf Holz.
70 x 70 cm.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000

02 Claisse war überzeugt davon, dass die Kunst nicht «die Krücken der traditionellen Malerei» braucht – und schuf unverwechselbare Werke der Geometrischen Abstraktion.

03 Ob Frauen, Männer mit Schnauzbärten, Kinder, Vögel oder – wie hier – ein Hund: Botero verzaubert mit heiteren, leuchtenden Farben und immer wie aufgeblasen wirkenden Formen.

04 Die Werke des italienischen Objektkünstlers «Get» Alviani sind magische Illusionen, die mit pulsierender Energie aufgeladen sind. Seit den Fünfzigerjahren experimentierte er mit Metalloberflächen, die er mit präzise angelegten, optisch vibrierenden Texturen versah.

05 Itten, der vom Bauhaus kam, die Kunstgewerbeschule Zürich leitete und nach dem Zweiten Weltkrieg an der Hoch schule für Gestaltung in Ulm unterrichtete, untersuchte zeitlebens das Wechselspiel von Farbe und Form, das in seine eigene Farblehre mündete.

06 Als Mitgründer der Avantgarde-Künstlergruppe ZERO stellte Piene die Darstellung des Lichts in den Mittelpunkt seiner Arbeit: «Früher schienen Gemälde und Skulpturen zu glühen. Nun tun sie es.»

05 JOHANNES ITTEN
Diagonalen. 1962.
Öl auf Leinwand.
60 x 60 cm.
Schätzung: CHF 20 000 / 30 000

06 OTTO PIENE
Ohne Titel (Feuerblume). 1987.
Pigmente, Gouache und Feuerspuren auf dünnem Karton.
66,5 x 97,5 cm.
Schätzung: CHF 12 000 / 16 000


07 KAREL APPEL
Cochon avec Femme. 1971.
Öl auf Leinwand.
37,1 x 109,1 cm.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000

07 Das malerische Werk des Niederländers Appel ist stark geprägt von der 1948 gegründeten internationalen Künstler gruppe CoBrA (ein Akronym der Städtenamen Copenhagen Brüssel Amsterdam). Appels kindlich-naive Motivwelt zeigt sich in den Siebzigerjahren in grellen Farben.



08 ROBERT INDIANA
The Book of Love. 1996.
Portfolio mit 12 Farbserigrafien und 12 Gedichten.
sowie dem Impressum. 50/200.
Schätzung: CHF 80 000 / 140 000

09 LUCIO FONTANA
Concetto Spaziale. 1966.
Risse und Graffiti auf weissem Vélin.
56 x 43 cm.
Schätzung: CHF 35 000 / 55 000

10 SUBODH GUPTA
Ohne Titel #11. 2006.
Aluminium. 3/3.
46 x 54 x 75 cm.
Schätzung: CHF 15 000 / 25 000

08 Indianas zur Mitte der Sechzigerjahre entstandenes Love-Signet ist heute weltberühmt und ziert T-Shirts und Kaffeetassen, Plakatwände und sogar eine US-amerikanische Briefmarke. «The Book of Love» vereint Gedichte mit dem Schriftzug in zwölf verschiedenen Siebdruck-Farbkombinationen.

09 Mit der Ritzung und dem Aufschneiden der Oberflächen stellt Fontana die Dreidimensionalität des Bildes in den Vordergrund und führt in ein mystisches Reich ein, das auf der Rückseite der Bildfläche liegt.

10 Gupta ist eine der prägenden Figuren der zeitgenössischen Kunst Indiens. Die FAZ schrieb, er sei kein Belehrer, sondern ein Künstler, der den Alltag seiner Heimat vorzeige und in Kunst verwandle – voller warmer Nähe zu seinem Ursprung.

11 Seine letzten Lebensjahre verbrachte Tobey auf Vermittlung von Ernst Beyeler in Basel. In dieser Zeit entstanden Temperas wie diese, in denen der Künstler immer neue Texturen kreierte.

12 Vasarelys geometrische Abstraktionen greifen auf Formfindungen der Suprematisten, der De-Stijl-Bewegung und der Konstruktivisten zurück. Die optischen Illusionen und Irritationen, mit denen er arbeitet, entfalten erst im menschlichen Auge ihre Wirkung.

11 MARK TOBEY
Ohne Titel. 1965.
Tempera auf Vélin.
26 x 17 cm.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000

12 VICTOR VASARELY
Kezdi-RSZ. 1966-1974.
Acryl auf Leinwand
160 x 160 cm.
Schätzung: CHF 90 000 / 140 00

 


 

JEAN DUBUFFET
Site avec 5 personnages. 1981.
Acryl auf Papier, auf Leinwand aufgelegt.
50 x 68 cm.
Schätzung: CHF 160 000 / 240 000

Dubuffets Metamorphose

Jean Dubuffet in der Auktion Post War & Contemporary vom 7. Dezember 2019

Anhand von fünf sehr verschiedenen Werken der Dezember-Auktion lässt sich die künstlerische Entwicklung des 1901 geborenen Franzosen Jean Dubuffet vom Ende der Fünfzigerjahre bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1985 nachzeichnen. Dubuffet, der sich in den Zwanzigerjahren im Umkreis der Pariser Surrealisten bewegte, widmete sich erst nach 1942 nachhaltig der Malerei und Objektkunst, Druckgrafik und Bildhauerei. Mit seinem Manifest «L’Art brut préféré aux arts culturels», das er 1949 publizierte, setzte er parallel zu seiner eigenen künstlerischen Arbeit einen bedeutenden kunsttheoretischen Akzent. Dubuffets bedeutende, ab 1945 zusammengetragene Artbrut-Sammlung ist seit 1976 im Château de Beaulieu in Lausanne als Schenkung des Künstlers zu sehen.



JEAN DUBUFFET
L'Aguicheuse. 1966.
Marker und Bundstift auf Vélin.
25 x 16,5 cm.
Schätzung: CHF 30 000 / 50 000

JEAN DUBUFFET
Personnage. 1965.
Schwarzer Filzstift auf Vélin von Montgolfier S.M.
27 x 21 cm.
Schätzung: CHF 15 000 / 25 000

Eine Serie von Ölbildern diente Dubuffet in den Fünfzigern für Experimente mit Materialien und Texturen, «Texturologie LII» von 1958 ist ein Zeugnis dieser Bildfolge. Die durch auftropfende Farbe entstehenden vitalen Oberflächen stehen dabei für «wimmelnde Materie, Böden oder sogar Galaxien und Nebel», so der Künstler.

Vor allem mit Ausstellungen in den USA machte sich Dubuffet einen Namen. In Paris entstanden ab 1960 jene farbkräftigen und formstarken Arbeiten, mit denen man sein Schaffen zuallererst verbindet. Prototypisch für diese Phase sind drei weitere Werke aus der Dezember-Auktion: die auf die charakteristischen schwarzweissen Zellformen reduzierte «Personnage» von 1965, «L’aguicheuse», eine 1966 entstandene farbige Zeichnung, und die Skulptur «Le tétrascopique» aus dem Jahr 1971, von dem nur fünf von Hand überarbeitete Hors-commerce-Exemplare existieren. Letzteres belegt Dubuffets spielerisches Vordringen in die dritte Dimension, das 1966 einsetzte. «5 Personnages» von 1981 ruft schliesslich Dubuffets Begeisterung für die Naive Kunst in Erinnerung.


JEAN DUBUFFET
Texturologie LII (pariétale mouchetée). 1958.
Öl auf Leinwand.
66 x 80 cm.
Mindestzuschlagspreis: CHF 32 000

JEAN DUBUFFET
Le Tétrascopique. 1971.
Skulptur mit vier polychrome Komponenten.
97,5 x 50 x 50 cm. Mit Metallsockel.
Schätzung: CHF 25 000 / 35 000

 


 

HENRI MATISSE
Nymphes. 20. Mai 1945.
Kohle auf Papier.
48 x 37 cm.
Schätzung: CHF 120 000 / 180 000

Stiller Cézanne, bewegter Matisse

Vorschau auf die Auktion für Impressionismus & Klassische Moderne vom 6. Dezember 2019

Natures mortes spielten in Cézannes Schaffen eine zentrale Rolle; nicht weniger als 170 Stillleben kennt man heute von ihm, die allerdings nur sehr selten auf dem Markt angeboten werden. In den letzten zehn Jahren kamen auf Auktionen weltweit gerade einmal 13 Stillleben unter den Hammer. Anhand immer neuer Arrangements näherte sich der Franzose Form- und Flächenproblemen, experimentierte mit Licht und Farben und schuf auf diese Weise einzigartige Bildräume. «Man behandle die Natur gemäss Zylinder, Kugel und Kegel», manifestierte er 1904 seine Suche nach einer neuen Bildsprache. Als das in der Dezember-Auktion angebotene Ölbild entstand, galt Cézanne als Eigenbrötler und es gab nur wenige Fürsprecher seiner künstlerischen Haltung, unter ihnen der einflussreiche Pariser Kunsthändler Ambroise Vollard. Das Stillleben gehörte einst Franz Meyer, langjähriger Direktor des Kunstmuseums Basel, Präsident der Alberto Giacometti Stiftung in Zürich und Schwiegersohn Marc Chagalls.



PAUL CÉZANNE
Bol, boîte à lait et bouteille. 1879-80.
Öl auf Leinwand.
15,7 x 20 cm.
Schätzung: CHF 300 000 / 500 000

Im vorliegenden Motiv manifestieren sich die perspektivischen Verschiebungen, die Cézannes weiteres Werk entscheidend prägen werden: Während man die bemalte, helle Schüssel von vorn sieht, schaut man in den deutlich höheren Krug auf der linken Seite des Bildes von oben hinein. Für manchen Betrachter ist es nur eine kleine Irritation, doch ist in diesem Detail Cézannes Loslösung von herkömmlichen Darstellungen bereits etabliert. Vor allem seine Maltechnik, seine Bildfindungen und seine Experimente mit der Bildperspektive faszinierten nachfolgende Künstlergenerationen. Die Komplexität und Modernität Cézanne’scher Bildschöpfungen wirkte bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.

Neben Picasso («Cézanne war mein einziger und ein einzigartiger Meister.»), Braque und Derain zählte auch Henri Matisse zu jenen Künstlern, die sich immer wieder auf Cézanne als «Vater der Moderne» bezogen. Matisse’ schwungvolle Darstellung dreier Nymphen, die in der Dezember-Auktion aufgerufen wird, stammt aus dem Jahr 1945. Bereits vier Jahre zuvor hatte sich der Künstler verstärkt dem Zeichnen mit Kohle zugewandt, nachdem er durch eine schwere Bauchoperation nur noch im Bett arbeiten konnte.

Mit den ausgewischten Spuren der vorausgegangenen Kohlezeichnungen bleibt der eigentliche Prozess des Gestaltens auch im fertigen Bild sichtbar. Wie wichtig Matisse der transformative Wandel eines Motivs war, zeigte sich eindrücklich an der Eröffnungsausstellung der Pariser Galerie Maeght 1946, an der Matisse Fotografien präsentierte, die die Entstehung der sechs ausgestellten Gemälde stufenweise dokumentierten. In den akzentuierten Formen der nackten Körper deutet sich auch schon die letzte Schaffensphase von Henri Matisse an, seine Papiers découpés. In seinen späten Jahren ersetzen diese ausgeschnittenen und aufgeklebten Formen seine Zeichnungen, Malereien und bildhauerischen Arbeiten.

 


 

13 BEN NICHOLSON
Helmos. Dezember 1963.
Relief aus Holz, bemalt.
78 x 78 cm.
Schätzung: CHF 100 000 / 150 000

PreView

13 Bereits in den Dreissigerjahren experimentierte Nicholson mit rein geometrischen, beinahe architektonischen Formen. Nachhaltigen Einfluss auf den Briten hatten damals Piet Mondrian und Naum Gabo. Deren strenge Reduktion der Bildsprache im Sinne des Néo-Plasticisme spiegelt sich auch in vorliegendem Relief.



14 PABLO PICASSO
Françoise. 1946.
Lithografie. 2/50.
Darstellung 59,5 x 48,5 cm.
Schätzung: CHF 25 000 / 35 000

15 MARC CHAGALL
Repos sur coq et chevauchée au village rouge. 1975-78.
Gouache, Tempera und Tusche auf Papier.
65,3 x 50 cm.
Schätzung: CHF 120 000 / 180 000

16 PIERRE-AUGUSTE RENOIR
Paysage, vallée village sur la hauteur et fond de montagnes. 1900.
Öl auf Leinwand.
26 x 36 cm.
Schätzung: CHF 100 000 / 150 000

14 Dieses Bildnis des Spaniers zeigt die Malerin und Grafikerin Françoise Gilot, seine neue Geliebte und Mutter der gemeinsamen Kinder Claude und Paloma. Für Gilot hatte Picasso Mitte der Vierzigerjahre seine Beziehung zu Dora Maar beendet. Mehrere Jahre war diese Steinzeichnung das einzige Porträt von ihr, das der Künstler angefertigt hat.

15 Jedes Detail von Chagalls Malerei ist nicht nur Teil einer ganzen Bilderzählung, sondern immer auch symbolisch aufgeladen. Ab den Sechzigern beschäftige er sich mit etlichen grossen Aufträgen für Wandbilder und Glasmalereien, unter anderem in Japan, Israel und den USA. Zeitgleich entstanden Bühnenbilder und Kostümentwürfe fürs Theater.

16 Exquisite Farben und zauberhaftes Licht – mit diesen Ingredienzen gestaltet Renoir nahezu alle seine Landschaftsgemälde. Mit seinen frühen Arbeiten hat er dem Impressionismus wesentliche Impulse gegeben, die Lebendigkeit seines Duktus bewahrte er sich bis ins hohe Alter.

17 Gerade Picassos Zeichnungen belegen seine meisterhafte Beherrschung der Linie. Dieses am 11. Juli 1966 begonnene Blatt, das mit dem Motiv einer Dreierbeziehung ein zentrales Thema seines Schaffens aufnimmt, hat der Künstler wenige Tage später nochmals intensiv überarbeitet und verdichtet.

18 Dieses Gemälde entstand im Jahr 1908, als Giovanni Giacometti gemeinsam mit der Künstlervereinigung «Brücke» in Dresden ausstellte.

17 PABLO PICASSO
Trois personnages. 1966.
Farbkreide und Filzstift auf Papier.
50 x 61 cm.
Schätzung: CHF 280 000 / 350 000

18 GIOVANNI GIACOMETTI
Waldinneres. 1908.
Öl auf Leinwand.
38 × 46 cm.
Schätzung: CHF 80 000 / 120 000


19 ADOLF DIETRICH
Clivia. 1943.
Öl auf Holz.
65 × 57 cm.
Schätzung: CHF 60 000 / 90 000

19 In den Vierzigerjahren erreichte der Schweizer Dietrich den Höhepunkt seines Erfolgs. Seine neusachlichen, teils hyperrealistischen Gemälde – Landschaften, Stillleben, Tierbilder und Porträts – fanden einen grossen Kreis von Sammlern und Museumsleuten, die seine Werke ausstellten.



20 ALEXANDRE CALAME
Lac des Quatre-Cantons, près de Brunnen.
Öl auf Leinwand.
64,6 × 87,5 cm.
Schätzung: CHF 30 000 / 50 000

20 Die in stimmungsvolles Licht getauchten Landschaftsgemälde Calames reüssierten in ganz Europa und prägten das künstlerische Bild der Schweizer Alpen im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts nachhaltig.


 



SCHMUCK, ARMBAND- & TASCHENUHREN

Auktion: 4.12.2019


MINERVA

Extrem seltener, attraktiver Split-Sekunden Chronograph.

Edelstahl. D 44 mm.

Schätzung: CHF 55 000 / 75 000

 

SELTENE PATEK PHILIPPE

Jahreskalender mit Flyback-Chronograph, 2009.

Platin 950. D 40,5 mm.

Schätzung: CHF 35 000 / 55 000

 

SELTENE ROLEX

Daytona "Zenith"-Kaliber, 1999.

Edelstahl. D 38 mm.

Schätzung: CHF 20 000 / 25 000

 



 

PATEK PHILIPPE

Seltener, attraktiver "Ewiger Kalender", 2014.

Weissgold 750. D 37,5 mm.

Schätzung: CHF 28 000 / 50 000

 

RUBIN-SMARAGD-SAPHIR-DIAMANT-CLIPBROSCHE

Van Cleef & Arpels, NY 1964.

Gelbgold 750 und Platin 10% Iridium, 47g.

Schätzung: CHF 20 000 / 30 00

 

SMARAGD-SAPHIR-DIAMANT-BRACELET

Van Cleef & Arpels, NY, um 1960.

Gelbgold 750, 54g.

Schätzung: CHF 20 000 / 30 000

 



 

DIAMANT-RING

Weissgold 750.

1 Cushion-Diamant von 10.02 ct, J/SI1

Schätzung: CHF 100 000 / 150 000

 

BURMA-SAPHIR-BRILLANT-RING

Platin 950, 27g.

1 antik-ovalen Burma-Saphir von 37.67 ct.

Schätzung: CHF 220 000 / 320 000

 

 


 

ALBERT ANKER
Der Gemeindeschreiber V. 1899.
Öl auf Leinwand.
62,5 × 49 cm.
Schätzung: CHF 600 000 / 900 000

Zwischen Puschlav und Veltlin

Vorschau auf die Auktion Schweizer Kunst vom 6. Dezember 2019

1864 in St. Moritz geboren, studierte Berri in der Schweiz und Deutschland Medizin. 1892 machte ihn die Heilquellen-Gesellschaft St. Moritz-Bad zum Chefarzt. Sechs Jahre später lernte er Giovanni Segantini und Giovanni Giacometti kennen, deren Maltechnik und Bildwelt Berri in ersten eigenen Malereien talentiert adaptierte. Giacometti ermunterte ihn, seiner Sehnsucht zu malen, nachzugehen: «Allem nach bist Du Colorist. Die Farben ziehen Dich an. Lass Deinem Drange freien Lauf.»



PETER ROBERT BERRI
Lej da Suvretta.
Öl auf Leinwand.
97,5 × 147 cm.
Schätzung: CHF 60 000 / 100 000

GOTTARDO SEGANTINI
Maloja "Paesaggio paradisiaco". 1920.
Öl auf Leinwand.
120 × 100 cm.
Schätzung: CHF 100 000 / 150 000

Berris Wunsch, nicht nur zu dilettieren, sondern Maler zu werden, manifestierte sich in einem Kunststudium an der renommierten privaten Pariser Académie Julian und einem Zeichenkurs bei Heinrich Knirr in München. Die Jahre zwischen 1905 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs verbrachte er in der Bergwelt Graubündens und des Engadins, des Puschlav und des italienischen Veltlin. In jenen produktiven Jahren lernte er unter anderem Ferdinand Hodler und Friedrich Nietzsche kennen, seine Werke wurden an den grossen Schweizer Kunstausstellungen und an der Biennale in Venedig gezeigt.

Zentrale Werke seines Schaffens zeigen die Bergwelt um den Julier- und Berninapass. Seine Bildwerke, die im Duktus an Gemälde des von Berri verehrten Giovanni Segantini erinnern, entstanden nicht im Atelier, sondern vor dem Motiv in der freien Natur — plein air. «Zehn Jahre habe ich im Winter jeweilen mehrere Monate auf dem Julier- und Berninapass gearbeitet, weil mich diese Höhe mit ihrer grösseren Licht- und Farbenfülle besonders anzog», erinnerte sich Berri an diese Schaffensphase. Das eigenwillig flirrende Spektrum von Licht und Farben neben den Viertausendern fängt Berri in grossen Landschaftsbildern ein, denen ein pastoser Farbauftrag zusätzliche Dynamik verleiht. In der Ölmalerei fand Berris Naturempfinden seine Entsprechung: «Letzten Herbst trieb ich mich, gereizt von jenen wunderbaren Farbensymphonien der Herbstlandschaft, einen unwiderstehlichen Drange folgend, wochenlang mit Farbstiften und Skizzenbuch auf den Bergen herum, um zu skizzieren. Allein, ich musste gar bald die betrübende Erfahrung machen, dass die kalten, harten Farbstiften meine malerische Empfindung nicht wiederzugeben vermochten.»

Von besonderem Stellenwert ist die Darstellung des Schnees in Berris Bildern. In den vorliegenden beiden Frühsommerbildern sind es die schattigen Bergflanken, an denen sich die Reste der weissen Pracht halten. Neben den Landschaftsbildern schuf Berri eindrückliche Porträts und Selbstporträts, darüber hinaus entstanden etliche Motive, die den von Traditionen und jahrhundertealten Bräuchen, harter Arbeit und wenig Komfort geprägten Alltag in den Bergdörfern Graubündens spiegeln.

PETER ROBERT BERRI
Piz Julier.
Öl auf Leinwand.
70,5 × 111 cm.
Schätzung: CHF 50 000 / 80 000

 


 

FEINE FIGUR DES SITZENDEN BUDDHA
Tibet, 14./15. Jh. H 27 cm.
Feuervergoldete Kupferlegierung.
Elegante Darstellung des Shakyamuni im Moment der Erleuchtung.
Schätzung: CHF 100 000 / 150 000

Berührungen zwischen Ost und West

Vorschau auf die Asiatica-Auktion vom 3. Dezember 2019

Der Kulturtransfer zwischen Ostasien und Westeuropa erlebte im 19. Jahrhundert seine Hochzeit. Insbesondere die Weltausstellungen, die im Jahr 1851 im Londoner Crystal Palace ihren Ursprung hatten, entwickelten sich zu Plattformen, auf denen sich nicht nur die Industrien, sondern zugleich die bildenden und angewandten Künste verschiedener Nationen begegneten. Mit den pompösen Länderschauen gelangte auch asiatische Kunst nach Europa und Amerika, die nie zuvor in dieser Fülle erlebt und rezipiert werden konnte. Der dadurch angeregte Japonismus jener Jahre – den Begriff prägte der französische Kunsthistoriker Philippe Burty 1872 – zeitigte bedeutende Werke des Impressionismus, der Art Nouveau oder der Wiener Moderne. Zugleich etablierte sich in Europa eine handverlesene Szene von Händlern wie Samuel Bing und Sammlern, die sich vorzugsweise japanischer Kunst widmeten. Holzschnitte von Hokusai und Hiroshige, Utamaro oder Kesai Eisen wechselten die Hand und gehörten binnen kurzer Zeit zum kulturhistorischen Bilderschatz Europas. Künstler wie Vincent van Gogh und Édouard Manet, Aubrey Beardsley, Gustav Klimt oder Paul Klee reagierten in ihren Werken vielfach auf diese fernöstlichen Impulse.



BRONZEVASE
Japan, Meiji-Zeit (frühes 20 Jh.).
H 39,5 cm. Zylinderförmiger Körper
Schätzung: CHF 5 000 / 8 000

Inspirierend waren die Weltausstellungen aber auch für die aus der Ferne angereisten Gäste: Durch deren Begegnungen mit dem Jugendstil entsteht vor allem nach 1900 auch eine gegenläufige Bewegung. So integrieren japanische Künstler – neben ihren eigenen Wurzeln wie etwa jenen der Rinpa-Schule um Ogata Kōrin (1658–1716) – gestalterische Einflüsse des Westens in ihre Malerei, Lackkunst und Metallarbeiten. Die Blütezeit des Jugendstils in Europa erreichte Japan über japanische Besucher, darunter die Maler und Holzschneider Kuroda Seiki (1866–1924) und Asai Chu (1856–1907). Die Eleganz der naturalistischen und ornamentalen Dekors, die für den Jugendstil charakteristisch sind, wirkte inspirierend auf die Japaner und führte sie zu kreativeren Entwürfen. Aus diesen komplexen Berührungen und Verflechtungen erwuchsen einzigartige Arbeiten wie die beiden Meiji-Bronze-Gefässe, die in der Dezember-Auktion angeboten werden.

Dieser beidseitige Transfer wurde erst möglich durch die umfassende gesellschaftliche Modernisierung und Öffnung des vormaligen Feudalstaats Japans im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Die 1868 einsetzende Meiji-Restauration mit Tennō Mutsuhito favorisierte yôga, die Kunst im westlichen Stil, und sandte junge Studenten nach Europa, um westliches Wissen und Technik nach Japan zu bringen. Der westliche Naturalismus schlug sich ganz offensichtlich in den Skulpturen der Tokyo-Schule nieder, deren Werke ebenfalls in der Dezember-Auktion vertreten sind. Traditionelle japanische Metallarbeiten – vorzugsweise die Produktion von Samurai-Schwertern – wiesen ein extrem hohes handwerkliches Niveau auf. Metalllegierungen konnten für verschiedenen Farbwirkungen variiert werden, Gold- und Silberauflagen wurden für den Schwertzierrat auf kleinster Fläche verarbeitet. Die in den 1870er-Jahren erlassenen Verbote, Waffen in der Öffentlichkeit zu tragen, führte zu einer grundlegenden Neuorientierung der involvierten Handwerker. Das virtuose Beherrschen der Techniken ermöglichte es den Meistern, die ästhetische Qualität des traditionellen Handwerks auf neue Objekte zu übertragen. Gerade die Bronzebearbeitung erlebte dadurch einen neuen Aufschwung. Neben der bisherigen Kunsthandwerk-Elite entstanden neue metallbearbeitende Schulen, die aufwändige Objekte wie Vasen und Skulpturen kreierten.

DRACHEN-INGWERTOPF
China, 19. Jh.
H 20,3 cm.
Schätzung: CHF 10 000 / 15 000

SELTENER PAGODEN-RELIQUIENBEHÄLTER
Japan, datiert 1698, H 81,5 cm.
Feuervergoldetes Kupferblech mit fein ziseliertem Dekor, Sockel mit Holzkern.
Schätzung: CHF 50 000 / 80 000

 


 

01 PAAR VERGOLDETE BRONZE SCHWÄNE
Hnach einem Meissener Porzellanmodell von 1748.
von JOHANN JOACHIM KÄNDLER (1706-1775).
Louis XV, Paris, wohl 18. Jh.
Ergebnis: CHF 40 560

ReView

01 Vermutlich gehen diese beiden Modelle auf das berühmte Meissener Schwanenservice zurück, das 1737 im Auftrag des damaligen Manufakturdirektors Graf von Brühl angefertigt wurde.



02 JOHANN RUDOLF BYS
Gegenstücke.
Öl auf Leinwand.
DJe 44,5 × 35 cm.
Ergebnis: CHF 171 100

03 MINNEKÄSTCHEN MIT EISENVERSTÄRKUNGEN
gotisch, Frankreich, 15.Jh.
ichenholzkern mit reichem Eisenbeschlag in Form
von durchbrochenen, stilisierten Ranken.
Ergebnis: CHF 6 000

04 MÄRKISCHE SCHULE, 1. HÄLFTE DES 15. JAHRHUNDERTS
Kreuzigungsszene.
Tempera und Goldgrund auf Holz.
42 × 30,2 cm.
Ergebnis: CHF 152 800

02 Gegenstücke erfreuten sich im Zeitalter der Wunderkammern und privaten Kunstkabinette grosser Beliebtheit. Die Motivwelt des Schweizers Bys, der nicht nur Tafelbilder, sondern auch viele Wandmalereien hinterliess, war von Vorbildern aus den Niederlanden und Italien geprägt.

03 Behältnisse wie dieses waren «Reliquiare der Liebe». Die «truhelin» oder «lädlin» bezeichneten Deckelkästchen aus Holz, Leder oder Elfenbein wurden verschenkt und galten vor allem vom 13. bis zum 15. Jh. als Ausdruck tiefer Freundschaft, etwa unter Verlobten oder Brautleuten.

04 Diese Darstellung aus der Zeit der Hochgotik zeigt jenen Moment, als der sterbende Christus seinen Lieblingsjünger Johannes seiner Mutter als Sohn anempfiehlt.

05 Van der Ast gilt als Spezialist für brillant gemalte, symbolisch aufgeladene Stillleben, insbesondere Blumenstücke und Früchtearrangements. Ab 1619 lebte er in Utrecht und war Mitglied der dortigen Lukasgilde, was ihm Ansehen und zahlreiche Aufträge verschaffte.

06 Die Kunstfertigkeit und malerische Virtuosität Klombecks äussert sich in der differenzierten Detailvielfalt seiner Gemälde.

05 BALTHASAR VAN DER AST
Stillleben mit Früchten in einem Flechtkorb.
Öl auf Holz.
29,7 × 52,3 cm.
Ergebnis: CHF 219 900

06 JOHAN BERNHARD KLOMBECK
Waldweg mit Reisenden an einem Bach. 1857.
Öl auf Holz.
69,5 × 58 cm.
Ergebnis: CHF 36 900


07 MEISTER VON 1537 / FRANS VERBEECK (?)
Bildnis eines Narren. Um 1550.
Öl auf Holz.
33,9 × 24,6 cm.
Ergebnis: CHF 695 300

07 Dieses frühe Narrenbildnis ist ein exzellentes Beispiel für die flämische Porträtmalerei des 16. Jahrhunderts zwischen Hieronymus Bosch und Pieter Bruegel d. Ä.



08 JEAN-BAPTISTE-CAMILLE COROT
Naples – le Mont Saint-Elme et partie de la ville. 1828.
Öl auf Papier auf Holz.
20,6 × 40,4 cm.
Ergebnis: CHF 104 000

09 JAN WELLENS DE COCK
Zwei Tafeln eines Altars.
Öl auf Holz.
Je 48,5 × 25,5 cm.
Ergebnis: CHF 522 800

10 PAUL TROUBETZKOY
Bronzeplastik des Ettore Bugatti zu Pferd.
Bronze mit dunkelbrauner Patina.
54 x 31 x 62 cm.
Ergebnis: CHF 128 400

08 Corots Werke – wie diese Stadtansicht aus seinem frühen Schaffen – gehen den Schritt von der klassischen akademischen Landschaftsmalerei in die Moderne. Seine Farben und seine Art, das Licht des Südens ins Bild zu setzen, gaben den Impressionisten entscheidende Impulse.

09 Diese zwei Tafeln gehörten vermutlich zu einem Triptychon, das im 19. Jahrhundert separiert wurde. Erst jetzt konnten diese beiden zusammengehörenden Motive wiedervereint und gemeinsam in neue Hände vermittelt werden.

10 Der Italiener Troubetzskoy hatte russische Wurzeln und lebte am Anfang des 20. Jahrhunderts in der Schweiz. Der von ihm dargestellte Bugatti war Gründer der berühmten Automarke, die von 1909 bis 1963 im Elsass und später in Italien produzierte.

11 Der um 1700 tätige Michau ist einer der letzten Vertreter der niederländischen Landschaftsmalerei des Goldenen Zeitalters, die fast anderthalb Jahrhunderte zuvor eingeleitet worden war.

12 In der zweiten Hälfte des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren Tüchleinmalereien besonders beliebt. Bei dieser Technik werden die Pigmente mit Leimtempera ohne Grundierung auf ein fein gewebtes Leinentuch aufgetragen. Trotz des sensiblen Materials blieb diese Darstellung Christi hervorragend erhalten.

11 THEOBALD MICHAU
Festliche Dorfgesellschaft.
Öl auf Kupfer.
33 × 45 cm.
Ergebnis: CHF 73 500

12 SÜDLICHE NIEDERLANDE / DEUTSCHLAND, UM 1500
Dornenkrönung Christi.
Tempera und Goldgrund auf Leinwand (Tüchleinmalerei).
47 × 37,5 cm (Lichtmass).
Ergebnis: CHF 97 900

 


 

FABERGÉ & OBJETS DE VERTU
Zwangsversteigerung: 5.12.2019

In dieser 97 Lose umfassenden Auktion werden neben qualitätsvollen Golddosen, antikem Schmuck und seltenen Spazierstöcken 38 ausgewählte und teils hochseltene Objekte aus der Manufaktur des kaiserlichen Hofjuweliers Fabergé angeboten.

* Bitte beachten Sie die speziellen Steigerungsbedingungen im Katalog.


NEPHRIT UND GOLD SCHALE, FABERGÉ, ca. 1890

Meistermarke Michael Perchin, eingeritzte Inventar-Nr. 47970.

Ca. 4,8 cm Ø. H ca. 2,8 cm.

Mindestzuschlagspreis: CHF 3 500

 

ACHAT KAKADU FIGUR AUF EINER SCHAUKEL, FABERGÉ, ca. 1900

Meistermarke Michael Perchin, 88 Zolotniky.

Ca. 11,4 cm.

Mindestzuschlagspreis: CHF 93 000

 

ACHAT PARFUMFLACON/SIEGEL IN FORM EINER GNOM FIGUR, FABERGÉ

Moskau, ca. 1900. Meistermarke Henrik Wigström, 56 Zolotniky.

Ca. 7,4 x 3,9 cm.

Mindestzuschlagspreis: CHF 146 000

 



 

MINIATUR ROULETTE-RAD, FABERGÉ, St. Petersburg, 1846-1920.

Meistermarke Fedor Afanassiev, Inventar Nr. 18955.

Ca. 5 cm Ø. H ca. 1,5 cm

Mindestzuschlagspreis: CHF 200 500

 

EDELSTEIN UND GOLDFIBELN, Marokko, Fez, spätes 18. Jh.

Khallalat.

Ca. 6,5 cm Ø.

Mindestzuschlagspreis: CHF 1 500

 

SMARAGD UND GOLD SCHMUCKSTÜCK, frühes 17. Jh.

Gelbgold.

Ca. 4,2 x 4 cm.

Mindestzuschlagspreis: CHF 80 000

 



 

PERLMUTT UND GOLD ZIGARETTEN ETUI, FABERGÉ

St. Petersburg, ca. 1890. Meistermarke Michael Perchin, 84 Zolotniky.

Ca. 8,8 x 5,3 x 2,4 cm.

Mindestzuschlagspreis: CHF 150 500

 

NEPHRIT, SAPHIR UND GOLD KOMPASS, FABERGÉ.

St. Petersburg 1884-1886. Meistermarke Michael Perchin.

Ca. 4,8 x 2,4 cm.

Mindestzuschlagspreis: CHF 49 000

 

 


 

TAMARA DE LEMPICKA
Cruche et citrons sur une chaise. Um 1942.
Öl auf Leinwand.
51 x 40,5 cm
Mindestzuschlagspreis: CHF 27 500

Moderne & Zeitgenössische Kunst
Zwangsversteigerung: 5.12.2019

Die Auktion umfasst 17 Gemälde, Grafiken und Skulpturen von Jean Dubuffet, Andy Warhol, Jan Schoonhoven, David Smith, Richard Paul Lohse, Robert Indiana, Tamara de Lempicka, Félix del Marle, Auguste Herbin, Edmond van Dooren, Albert Gleizes, Alexandra Exter, Man Ray, David Nestorovich Kakabadze, Julio Gonzáles und Miguel Barceló.

* Bitte beachten Sie die speziellen Steigerungsbedingungen im Katalog.

ROBERT INDIANA
Chief. 1969.
Öl auf Leinwand.
61 x 56 x 4 cm.
Mindestzuschlagspreis: CHF 79 500

 










EINLADUNG ZUM KÜNSTLERGESPRÄCH

Samstag, 30. November 2019 um 14 Uhr
Sonderöffnung mit Adventstrunk von 13 bis 16 Uhr

Im Rahmen der Ausstellung:
Junge Künstler der Akademie der Bildenden Künste München

mit Sonja Allgaier, Thomas Breitenfeld, Daniel Huss und Keiyona C. Stumpf
Absolventen und Studenten der Klasse Prof. Nicole Wermers / ehemals Prof. Karstieß und Prof. Prangenberg

Ausstellung kuratiert von Dina Renninger


Ort:
Koller Auktionen München
Maximiliansplatz 20, 80333 München
Tel: +49 89 – 22 80 27 66

Ausstellung verlängert bis 13. Dezember 2019, Öffnungszeiten Mo – Fr. 10 - 17 Uhr


Save the Date

3. Ausstellung: Klasse Prof. Pia Fries, Frühjahr 2020

Im Rahmen von KOLLERNOW kuratiert von Dina Renninger
für das Auktionshaus Koller Auktionen, München





 

Klasse Prof. Wermers/Karstiess /Prangenberg

bis 13. Dezember 2019

In der dritten Ausstellung der Reihe KollerNOW werden Studenten aus der Bildhauerklasse von Prof. Nicole Wermers sowie Absolventen von Prof. Karstiess und Prof. Prangenberg vertreten sein: Sonja Allgaier, Thomas Breitenfeld, Daniel Huss und Keiyona Stumpf. In den unterschiedlichen Materialien – Holz, Bronze, Keramik, Glas, Fotografie – zeigt sich das kreative Potential der Bildhauerklasse. Hier dominiert der haptische Reiz in gleichem Maße wie der raumgreifende Aspekt. Das virtuose Ringen um natürlich und künstlerisch Geschaffenes spiegelt sich in allen Arbeiten wieder.

Sonja Allgaiers (*1978) Arbeiten bezaubern den Betrachter auf den ersten Blick durch das Wechselspiel zwischen dem sakral anmutenden Goldgrund und der blanken Realität der Fotografie. Dabei stellt ihre installative Präsentation eine aufmerksame Untersuchung unserer Wahrnehmung von Wirklichkeit und den dahinter liegenden Strukturen dar. Wie äußert sich Wandel, die Machtverhältnisse, der Wahrheitsanspruch in unserer Gesellschaft?  

Thomas Breitenfeld (*1983) vorrangiges Material ist das Holz, welches den transformatorischen Prozess seiner Arbeitsweise sichtbar werden lässt. Die amorphen Formen der Holzskulpturen, die dynamisch aus der Wand oder dem Boden erwachsen, entstehen im Einklang mit dem Material.  Breitenfeld testet immer wieder die Grenzen des Material und dessen Beschaffenheit als Impulsgeber für den kreativen Prozess. Auch seine Bronzearbeiten faszinieren durch die sichtbaren, materialimmanenten Eigenheiten und das dem Schaffensprozess innewohnende Zufallselement.

Der Künstler und Musiker Daniel Huss (*1986) lässt seine charismatischen Figuren aus verschiedenen Elementen entstehen, lässt sie wachsen und sich entwickeln, wobei der kontrollierte Zufall eine große Rolle spielt. Gips, Holz oder Glas dienen dabei als strukturgebende Körper, wobei die rohe Materialität oft einen spannungsreichen Gegenpol zur cartoonhaften Form und poppigen Glasur bildet.

Keiyona Stumpfs (*1982) Skulpturen und Reliefs faszinieren durch ein gestalterisches Spiel von großer Komplexität. In ihrer Formensprache greift sie die wuchernde, organische Lebendigkeit der Natur auf und fängt sie in einem ornamentalen Netz aus fließenden Übergängen, glänzenden Lasuren und verschachtelten Zwischenräumen ein. Aus ihren Werken in Porzellan, Keramik und Glas erwachsen assoziative Erinnerungen an organische Formen, Mikrostukturen oder Fabelwesen. Natur und Kultur ringen um die Vorherrschaft im Raum, wobei dieser unentschiedene, dynamische Zweikampf den Betrachter stets involviert.

Für weitere Informationen über KollerNOW, bitte clicken Sie hier.




KOLLERview erscheint viermal jährlich,

die nächste Ausgabe folgt im Dezember 2019

Als PDF lesen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde unseres Hauses

Im Jahr 1990 begann ich als 23jähriger Jüngling in unserem Auktionshaus zu arbeiten, das mein Vater 1958 aus dem Nichts gegründet und aufgebaut hatte. Das Vertrauen, das mein Vater mir bereits in diesen frühen Jahren entgegenbrachte, und die Freiheit, die er mir bei der Umsetzung neuer Ideen von Anfang an gewährte, waren bestimmend für unsere ganze zukünftige Zusammenarbeit. Offenheit der älteren Generation gegenüber der jüngeren und Respekt der Jungen gegenüber den Erfahrungen der Älteren – das war die auf den Punkt gebrachte Zauberformel für das weitere erfolgreiche Gedeihen unseres Auktionshauses in den folgenden Jahrzehnten. Für alle diese Jahre bin ich zutiefst dankbar!

Das Leben meines Vaters, das am 21. Juni 2019 zu Ende ging, war bis zum letzten Tag aufs Engste verwoben mit seiner Galerie Koller. Sein grösstes Interesse galt bis zum Schluss unserem Auktionshaus. Und so hätte er mir an dieser Stelle mit Sicherheit geraten, nach gebührender Danksagung auf die Höhepunkte unserer kommenden Auktionen hinzuweisen.

Die Hauptwerke unserer Altmeister-Auktion sind zwei zur gleichen Zeit entstandene, in ihrer Auffassung aber diametral verschiedene Tafeln. Das eine entstand in Florenz, das andere in Mechelen. Die Toskana und Flandern, zwei der im 15. und 16. Jahrhundert wirtschaftlich und kulturell führenden Regionen, standen in regem Kontakt und Austausch miteinander. Und dennoch sehen wir im «Narrenbildnis» des Meisters von 1537 und in der «Madonna» von Pier Francesco di Jacopo Foschi zwei Ideenwelten aufeinanderprallen. Von natürlich realistischer, der Welt zugewandter, den Betrachter regelrecht herausfordernden Art das eine – in idealisierend subtiler Komposition und Farbgebung gestalteter Manier, dem Himmlischen dienend, das andere.

Die Faszination für mechanische Perfektion und Zurschaustellung moderner Technik im 18. und 19. Jahrhundert dokumentieren einerseits eine in Paris um 1780 entstandene Skelettpendule und andererseits zwei maschinell in Seide gewobene Bücher. Deren Herstellung wurde 1878, also rund hundert Jahre nach der Produktion der genannten Skelettpendule, mit Hilfe von Tausenden von Lochkarten automatisiert. Die Programmierung von Jacquard-Webstühlen für die Herstellung detailreicher Bücher war bahnbrechend, entspricht doch ihr hochkomplexer Binärcode einem der Grundprinzipien des späteren Computers.

Mehrere italienische Tafelbilder aus dem 14. und 15. Jahrhundert und viele weitere, über sämtliche Fachgebiete verteilte Objekte stammen aus einer erlesenen Tessiner Sammlung, die ein italienischer Connaisseur während vieler Jahre liebevoll und kenntnisreich zusammengetragen hat.

Schliesslich stellen wir auch in dieser Ausgabe von KOLLERview einige Objekte und Kunstwerke vor, die wir in den letzten Monaten erfolgreich versteigern konnten.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine informative Lektüre.

Ihr Cyril Koller


MEISTER VON 1537 / FRANS VERBEECK (?)
Bildnis eines Narren. Um 1550.
Öl auf Holz.
33,9 × 24,6 cm.
Schätzung: CHF 500 000 / 700 000

Narren sagen, was Kluge denken

Vorschau auf die Auktion für Gemälde Alter Meister vom 27. September 2019

Der Narr begegnet uns als symbolträchtige Figur immer wieder in der Literatur sowie in den bildenden und darstellenden Künsten, so auch in der flämischen Malerei des 16. Jahrhunderts. Damals lieferten etwa Quentin Massys (1466–1530) oder Lucas van Leyden (1494–1533) herausragende Beispiele für dieses Sujet. Eng verwandt zeigt sich ein kolorierter Einblatt-Farbholzschnitt von Heinrich Vogtherr d. J., um 1540 (siehe Abb. unten). Der für seine sprichwörtlichen Freiheiten bekannte Hofnarr ist unter den Dargestellten die wohl ikonischste Figur, doch zeigt sich gerade in ihm der ambivalente Charakter seiner Rolle am ausgeprägtesten: Zwar hatte der Narr bei Hofe durch seine Nähe zur Macht ein vergleichsweise gutes Auskommen, fiel er jedoch in Ungnade, war die schöne Zeit vorbei, ihm drohte gar der Tod. Das Leben des Hofnarren war also immer eine riskante Gratwanderung, ein fortwährendes Vabanquespiel zwischen der Leichtigkeit des Seins und dem Absturz.



© akg-images

Das in der Altmeisterauktion vom 27. September 2019 angebotene Narrenbildnis befand sich seit 2010 als Leihgabe im Musée départemental de Flandre in Cassel. Auf ihm sind etablierte Attribute des Narren unschwer wiederzuerkennen: das gelbrote Kostüm sowie die Narrenkappe mit Eselsohren und Hahnenkamm. Der Narrenstock rechts erinnert an ‹Marotten› genannte Stabpuppen. Hier zeigt der Stabkopf das Konterfei seines Trägers, womit auf dessen Selbstverliebtheit, womöglich auch die Gottlosigkeit der Narren angespielt werden sollte. Die Darstellung vor einem schwarzen Hintergrund und der Verzicht auf einen Bildkontext konzentriert die Komposition – und damit den Blick des Betrachters – auf Mimik und Habitus des Narren. In dieser Porträtform stellt die dargebotene Arbeit eine Rarität im 16. Jahrhundert dar. Zur Entschlüsselung seiner eigenwilligen Geste gelangt man unweigerlich auf eine im Niederländischen bis heute gebräuchliche Redewendung: «iets door de vingers zien». «Etwas durch die Finger sehen» steht für den Wunsch, die Augen vor etwas zu verschliessen, etwas zu erdulden, grosszügig zu sein. Offenbar verweist der Künstler darauf, dass man anderen – und damit auch den Narren – Fehler nachsehen sollte. Die Brille gilt für gewöhnlich als Zeichen der Gelehrsamkeit. Hier steht sie vermutlich für Blendung und Betrug, denn Augengläser, wie die hier gezeigte hölzerne Bügelbrille, herzustellen, war eine technische Herausforderung. Da die Brillen nicht überall von gleichwertiger Qualität waren, galten ihre Verkäufer mitunter als Scharlatane.

Das eindrucksvolle Narrenbildnis wurde dem ‹Meister von 1537› zugeschrieben, der – zwischen 1520 und 1570 in Mechelen tätig – seinen Notnamen aufgrund einer so datierten Tafel erhielt, die die Heilige Familie darstellt. Jüngste kunsthistorische Untersuchungen legen nahe, dass es sich beim Meister von 1537 um Frans Verbeeck (vor 1530 – um 1570) handeln könnte. Auf Basis einer dendrochronologischen Untersuchung der Holztafel kann das vorliegende Gemälde auf eine Entstehungszeit nach 1548 datiert werden, die intensivste Schaffensphase Verbeecks. Verwandt sind dessen Arbeiten mit jenen von Jan Sanders van Hemessen (1500–1566) und Pieter Coeck van Aelst (1502–1550), wobei Verbeeck einen eigenen Stil entwickelte, der sich durch exaltierte Gesichtszüge, übersteigerte Posen und einzigartige Bildkompositionen auszeichnet. Seine Sujets enthalten oft satirische Charakteristiken. Chronologisch und stilistisch stellen Verbeecks Malereien eine Verbindung zwischen den Werken von Hieronymus Bosch (um 1450–1516) und Pieter Bruegel d. Ä. (um 1525/30–1569) her. Auch in diesem Kontext ist das vorliegende Narrenbildnis ein exzellentes Beispiel für die hochstehende flämische Porträtmalerei des 16. Jahrhunderts.



BALTHASAR VAN DER AST
Stillleben mit Früchten in einem Flechtkorb.
Öl auf Holz.
29,7 × 52,3 cm.
Schätzung: CHF 180 000 / 280 000

Johannes – Lieblingsjünger, Hoffnungsträger und Stadtpatron

Vorschau auf die Auktion für Gemälde Alter Meister vom 27. September 2019

Innig nah beieinander und vom Künstler gekonnt im Bildraum verschränkt – so zeigen sich Maria mit dem Kind und der Johannesknabe auf einem grossformatigen Gemälde, das als eines der Hauptwerke von Pier Francesco di Jacopo Foschi (1502–1567) bezeichnet werden kann. Foschi, dessen Vater ein Schüler Botticellis war, zählte bereits zu Lebzeiten zu den gefragten und erfolgreichen Künstlern seiner Zeit, blieb hingegen der späteren kunsthistorischen Forschung weitgehend unbekannt. Erst 1953 wurde sein bedeutsames Werk vom renommierten italienischen Kunsthistoriker Roberto Longhi wiederentdeckt. Heute gilt Foschi als einer der führenden florentinischen Maler des 16. Jahrhunderts. Das qualitätsvolle und sehr gut erhaltene Werk ist in jene Schaffensphase zwischen 1530 und 1540 zu datieren, in der der Künstler insbesondere mit und unter Jacopo da Pontormo (1494–1557) arbeitete. Während Foschis künstlerischer Stil in seinen frühen Werken massgeblich von der Malweise seines Lehrmeisters Andrea del Sarto (1486–1530) geprägt war, gibt er in dieser Zeit die deskriptiv-narrativen Elemente zugunsten einer Betonung des Mystisch-Religiösen auf. Stilistisch dem Manierismus verpflichtet, erscheint der Bildraum durch die ineinandergreifende Anordnung der Figuren dicht komprimiert. Die wohlrhythmisierte Komposition der Blicke, Hände und geschwungenen Körper verleiht dem Motiv eine lebhafte Dynamik. Abgerundet wird die meisterhafte Darstellung durch den gezielten Einsatz von Farben und das äusserst zart gehaltene Inkarnat der Figuren. Vergleichbare Darstellungen zählten bereits im 15. Jahrhundert beim Florentiner Bürgertum und Adel zu den beliebten Andachtsmotiven, insbesondere weil Johannes der Täufer, hier neben dem Christuskind als Junge dargestellt, schon damals Stadtpatron von Florenz war und es bis heute geblieben ist.



THEOBALD MICHAU
Belebte Dorfszene vor weiter Landschaft.
Öl auf Holz.
42 × 62 cm.
Schätzung: CHF 50 000 / 70 000

MÄRKISCHE SCHULE, 1. HÄLFTE DES 15. JAHRHUNDERTS
Kreuzigungsszene.
Tempera und Goldgrund auf Holz.
42 × 30,2 cm.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000

Das Leiden Christi am Kreuz zählt zu den zentralen Sujets christlicher Kunst. Auf dieser aus der Epoche der Hochgotik stammenden, bisher nie veröffentlichten Bildtafel ist jener Moment festgehalten, in dem Christus kurz vor seinem Tod Maria seinen Lieblingsjünger Johannes als Sohn anempfiehlt – Weib, siehe hier: Dein Sohn und Du, sieh hier Deine Mutter. Diese Episode inszeniert der Künstler subtil: Die Muttergottes nimmt den knienden Johannes bei der Hand und hüllt ihren Mantel schützend um ihn. Hinter beiden sieht man, gleichsam als Zeuge dieses hochemotionalen Geschehens, den Heiligen Franziskus von Assisi der das Kreuz berührt. Auffallend dekorativ und nobilitierend sind der reiche Goldgrund des Himmels mit seinen eingeritzten Pflanzenranken und das faszinierend geführte Licht auf den vier Figuren, ihren Kleidern und der dunkel gehaltenen Felsenlandschaft. Die Tafel kleinen Formats aus dem frühen 15. Jahrhundert ist vermutlich in den Marken nahe Fabriano oder San Severino entstanden. «In diesen Regionen bildete sich im 15. Jahrhundert eine Bildwelt, welche den verspielten hochgotischen Stil Norditaliens, der Lombardei, der Visconti und des Veneto einerseits und die Eleganz der klassischen, plastischeren Formenwelt der Toskana andererseits zur Synthese verband» (Zitat: Prof. Dr. Gaudenz Freuler).

PIER FRANCESCO DI JACOPO FOSCHI
Madonna mit Kind und dem Johannesknaben.
Öl auf Holz.
109 × 85 cm.
Schätzung: CHF 400 000 / 600 000



SEIDENBUCH -
Lamartine, Alphonse de.
Les Laboureurs, poème tiré de Jocelyn reproduit en caractères tissés avec
license des propriétaires éditeurs, en souvenier de l'exposition de Paris 1878.
Schätzung: CHF 80 000 / 120 000

Vorläufer der Computertechnik

Vorschau auf die Auktion für Bücher vom 24. September 2019

Was haben die amerikanische Freiheitsstatue, die Braille-Blindenschrift, das Telefon und das elektrische Licht gemeinsam? Sie alle zählten im Jahr 1878 zu den Exponaten der 3. Weltausstellung in Paris, deren Fokus auf «Neue Technologien» gerichtet war. Neben den genannten prominenten Ausstellungsstücken gab es eine ausgesprochen exotisch anmutende Innovation zu sehen, die mit enormem technischem Aufwand umgesetzt wurde: Ein ganzes Buch sollte vollständig aus Seide hergestellt werden. Geistiger Vater und Realisator dieses visionären Projekts war der Lyoner Seidenfabrikant Joseph-Alphonse Henry (1836–1913). Es ist nicht bekannt, wie viel Zeit und fruchtlose Versuche Henry und sein Atelier unternommen haben, um an ihr Ziel zu gelangen. Fest steht: Die Herstellungskosten müssen exorbitant gewesen sein und liessen sich wohl nur durch den aussergewöhnlichen Werbeeffekt rechtfertigen, den die Pariser Weltausstellung versprach.



SEIDENBUCH -
Buchseite aus dem Livre de Prières.
Tissé sur soie d’après les enluminures
des manuscrits du XIVe au XVIe siècle.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000

SEIDENBUCH -
Livre de Prières.
Tissé sur soie d’après les enluminures
des manuscrits du XIVe au XVIe siècle.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000

Dieses allererste programmiert produzierte Textilbuch wurde auf einem Jacquard-Webstuhl hergestellt. Joseph-Marie Jacquard (1752–1834) entwickelte die Idee für seine Erfindung bereits 1790. Er experimentierte mit Lochkarten, um das Weben weitgehend zu automatisieren. Bis 1801 perfektionierte der Erfinder die Prozesse und konnte mit Hilfe von Tausenden Lochkarten komplexe Endlosmuster herstellen. Auf diese Weise schuf Jacquard einen Vorläufer moderner Computerprogramme.

Die gewobenen Exemplare mit Alphonse de Lamartines Gedicht ‹Les Laboureurs› waren nicht für den Handel bestimmt. Heute sind nur drei Exemplare aus dem Jahr 1878 bekannt: Das Exemplar der Bibliothèque Nationale de Paris sowie jenes des Musées des Tissus in Lyon kommen dem von uns angebotenen Exemplar – dem veritablen Prototyp («Exemplaire No1») – am nächsten, weisen jedoch keine Nummerierung auf. Ein weiteres, besonders reich verziertes Exemplar wurde später vom Comte de Paris, Philippe d’Orléans, bestellt, unter der Bedingung, dass keine weitere Kopie produziert wird. Dieses Exemplar wird im Musée Louis-Philippe du château d'Eu aufbewahrt. Gleichwohl ist ein weiteres Exemplar bekannt, das jedoch einen abgeänderten Titel trägt – mit reicher Bordüre, neuer Adresse der Atéliers J. A. Henry und mit dem eingewobenem Datum 1883.

Auf den Zehntelmillimeter genau

In unserer Auktion vom 24. September 2019 kommt icht nur das einzige in privater Hand befindliche Stück der Ur-Exemplare unter den Hammer, sondern auch der perfektionierte zweite Versuch, ein Buch zu weben: Livre de Prières. Tissé d’après les Enluminures des Manuscrits du XIVe au XVIe Siècle, Lyon 1886/87. Es wurde ebenfalls von Joseph-Alphonse Henry hergestellt und ist von bestechender Qualität; die Detailgenauigkeit dieses Buches sucht ihresgleichen. Mehr als fünfzig Versuche in einem Zeitraum von über zwei Jahren waren notwendig, um zum Erfolg zu gelangen. Die Seiten sind mit aufwendigen Bordüren ausgestattet. Der ausgezeichnet lesbare Text wird von vier Miniaturen, drei davon ganzseitig, künstlerisch gesteigert. Um die Produktion der seidenen Buchseiten zu kodieren, waren vermutlich 300’000 bis 400’000 Lochkarten nötig. Zum präzisen Weben von 400 Schussfäden pro Quadratzoll für Typografie und Abbildungen mussten Maschinenbewegungen von nicht mehr als einem Zehntelmillimeter realisiert werden! Da die Seiten nur mit einer Schauseite gewoben werden können, wurden Vorder- und Rückseiten separat gewoben, der anschliessende Prozess zum Verkleben war sehr fehleranfällig. Das Stundenbuch ‹Livre de Prières› wurde 1889 auf der Weltausstellung in Paris präsentiert.

Es sind weltweit keine weiteren Experimente in dieser aussergewöhnlichen Technik bekannt. Dass nun diese beiden überragenden technologische Meisterwerke in einer Auktion angeboten werden können, ist ein Glücksfall für Sammler, Institutionen und Museen. Neben diesem singulären Buchpaar werden zwei handschriftlich verfasste Bücher über Seidenweberei von 1855 und 1880 versteigert.



HENRI ADOLPHE SCHAEP
Nächtliche Arbeit in den Docks. 1856.
Öl auf Leinwand.
47,7 × 69 cm.
Schätzung: CHF 15 000 / 20 000

In Licht getaucht

Vorschau auf die Auktion für Gemälde des 19. Jahrhunderts vom 27. September 2019

Nachdem bereits im März mehrere Kunstwerke aus der renommierten Sammlung von Jef Rademakers bei Koller zur Versteigerung kamen, folgt nun der zweite Teil mit Werken der niederländischen und belgischen Romantik des 19. Jahrhunderts, darunter auch ‹Dorf am Fluss im Mondschein› von Theodorus Jacobus Abels (1803–1866). Mit derartigen nächtlichen Flusslandschaften, die vor allem im Spätwerk zu seinem charakteristischen Merkmal wurden, wetteiferte Abels mit den grossen Vorbildern aus dem 17. Jahrhundert, etwa jenen seines Landsmannes Aert van der Neer (1603–1677).



JEAN-BAPTISTE-CAMILLE COROT
Naples – le Mont Saint-Elme et partie de la ville. 1828.
Öl auf Papier auf Holz.
20,6 × 40,4 cm.
Schätzung: CHF 70 000 / 90 000

THEODORUS JACOBUS ABELS
Dorf am Fluss im Mondschein.
Öl auf Holz.
74,3 × 95,7 cm.
Schätzung: CHF 12 000 / 18 000

Abels Mondscheinbilder finden sich in den königlichen Sammlungen der Niederlande und Belgiens.

Abels Zeitgenosse Henri Adolphe Schaep (1826–1870) erlangte als Marinemaler grosse Bekanntheit. Daneben begeisterte er sich für in dramatisches Mondlicht getauchte Flusslandschaften, wie sein Gemälde ‹Nächtliche Arbeit in den Docks› belegt. Eine seiner wichtigsten Inspirationsquellen war die von grossen Schonern befahrene Schelde zwischen Antwerpen und der Mündung in die Nordsee.

Zur September-Auktion steuert Jean-Baptiste Camille Corot (1796–1875) eine lichtdurchflutete und in Pastelltönen gehaltene Aussicht über Neapel mit Blick zum Mont Saint-Elme bei. Der Künstler sammelte 1825 bis 1828 erste Eindrücke in Italien, als er Rom und die Campagna sowie Neapel besuchte. Das vorliegende Gemälde ist eine frühe Freilichtmalerei des gebürtigen Parisers, der als einer der Wegbereiter des Impressionismus gilt. Mit besonderem Augenmerk auf die Erfassung von Licht und Atmosphäre schuf Corot bereits in seinem Frühwerk die Grundlagen für ein neues künstlerisches Verständnis der Landschaftsmalerei seiner Zeit. Seine frühen, en plein air erstellten Ölskizzen und Gemälde leben von leuchtenden Farben und flüssigem Duktus und wirkten auf die nachfolgende Künstlergeneration mit grossem Nachdruck. Die hier angebotene, vielfach ausgestellte Landschaft bei Neapel von 1828 zählte einst zur Sammlung des einflussreichen Pariser Kunsthändlers und Galeristen Paul Durand-Ruel.

Einen exklusiven Einblick in das Leben der Mönche bietet Eduard Grützners «Heimliche Studie» von 1892, die drei Geistliche beim Studium in einer Klosterbibliothek zeigt. Mit grösster Detailvielfalt ausgeführt, ist diese charakteristische Arbeit Teil einer Werkgruppe, die unter dem Titel «Mönche oder Priester bei der Lektüre und anderer Freizeitgestaltung» erschien. Der Künstler – 1886 zum Professor der Münchner Akademie ernannt und 1916 in den Adelsstand gehoben – zählt neben Carl Spitzweg (1808–1885) und Franz von Defregger (1835–1921) zu den bedeutendsten Münchner Genremalern in der Gründerzeit.

PEDUARD GRÜTZNER
Heimliche Studie. 1892.
Öl auf Leinwand.
79,5 × 60,5 cm.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000



SELTENE UND SCHÖNE PRÄZISIONS-SKELETTPENDULE
MIT DATUM, WOCHENTAG, STERNZEICHEN UND SEKUNDE
Louis XVI/Directoire, Paris Ende 18. Jh.
42 x 20 x 62 cm.
Schätzung: CHF 30 000 / 50 000

Technische Eleganz

Vorschau auf die Auktion für Möbel, Skulpturen, Silber und Porzellan vom 26. September 2019

Skelettpendulen vereinen in sich zwei ganz verschiedene Metiers: das der Uhrmacherkunst und das der Produktgestaltung. Im ausgehenden 18. Jahrhundert steckte die Industrielle Revolution zwar noch in ihren Kinderschuhen, doch das Interesse an faszinierender Technik wuchs rasant. Die in jener Zeit aufwändig von Hand produzierten Pendulen, wie die nun zur Auktion angebotene französischen Skelettpendule, zeigen sich weniger als raumschmückende Accessoires in aufwändig gestalteten Gehäusen wie in früheren Epochen, sondern als selbstbewusst zur Schau gestellte technische Meisterwerke. Stolz präsentierten die Manufakturen das raffinierte mechanische Zusammenspiel in den hochfeinen und präzisen gearbeiteten Uhrwerken. Das Zifferblatt war keine grosse weisse Email-Scheibe mehr, sondern auf einen Ring reduziert – damit blieb das Zentrum der Front offen und gab den Blick frei auf das bewegte Innenleben. Die meisten der wertvollen Skelettuhren dieser Zeit, so auch die hier angebotene, zeichnen sich durch eine sehr exakte Gangart aus. Eine Besonderheit dieser in Paris gefertigten Pendule ist ein Kompensationspendel, das durch Temperaturunterschiede bedingte Gangdifferenzen ausgleichen kann.



DIE VIER ERDTEILE
Meissen. Modelle J.F. Eberlein.
Um 1746 / 1763.
H 25 / 30 cm.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000

PAAR BEDEUTENDE ROKOKOAPPLIKEN
Deutschland, Franken um 1765.
Holz geschnitzt und polychrom gefasst.
H 58,5 cm.
Schätzung: CHF 20 000 / 30 000

Ein Paar prachtvoller Leuchterappliken im Stil des Rokoko kann auf eine spannende Provenienz verweisen: Sechs dieser fränkischen Appliken aus der Zeit um 1765 vermittelte der renommierte Münchner Kunsthändler Karl Fischer-Böhler dem US-amerikanischen Sammlerehepaar Shaefer, das sie dem Metropolitan Museum in New York schenkte, wo sie heute ausgestellt sind. Zwei weitere Exemplare aus dieser Folge, die Fischer-Böhler für sich selbst behielt, werden nun in Zürich zur Versteigerung ausgerufen. Die beiden naturalistischen Appliken erinnern in der Feinheit ihres polychrom gefassten Schnitzwerks, aber auch in der Einzigartigkeit ihres Entwurfes an die bedeutenden, zeitgleich entstandenen Sitz- und Ziermöbel aus dem Schloss Seehof, ehemals im Besitz des Fürstbischofs von Würzburg, Adam Friedrich von Seinsheim (1708–1779). Vermutlich zählten die Leuchterappliken ebenfalls zum dortigen Interieur, das heute – ebenfalls als Schenkung der Shaefer Collection – dem Met gehört.

Frühe Beispiele aus der berühmten Meissener Manufaktur mit der Schwertermarke zählen zu den gefragtesten Stücken auf dem Markt für historisches Porzellan. Die nun angebotenen grossen Allegorien der vier Kontinente Europa, Amerika, Asien und Afrika aus der Zeit von 1745 bis 1763, gehen zurück auf Modelle, die 1745 von der russischen Zarin Elisabeth Petrowna in Auftrag gegeben wurden. Die Vorlagen für die personifizierten Darstellungen lieferte der erfahrene Porzellanmodelleur Johann Friedrich Eberlein (1695–1749). Bereits 1741 hatte Elisabeth I. umfangreiche Meissener Lieferungen vom Sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. erhalten und bestellte in den Folgejahren noch weiteres «Weisses Gold» aus der ‹Kurfürstlich-Sächsischen Porzellan-Manufaktur›, das sich heute im Besitz der Petersburger Ermitage befindet. Damit setzte sich gut etablierte Familienbande fort: Schon beide Väter – Zar Peter der Grosse und August der Starke, Kurfürst von Sachsen und nach eigenem Bekunden von der maladie de porcelaine befallen – hatten die gute Beziehung zwischen beiden Ländern gepflegt, wozu auch der Austausch diplomatischer Geschenke zählte.

RGROSSE KOMMODE "À LA GRECQUE"
Transition, Paris um 1765/70.
Signiert S. OEBEN.
Amarant und Tulpenholz eingelegt
Schätzung: CHF 80 000 / 120 000



01 1 PAAR FLASCHENHALTER
Mailand 20. Jh. Meistermarke Buccellati.
In Form von Schwänen. Mit herausnehmbarem Einsatz für Flaschen.
H 28,5 bzw. 34 cm. Zus. 2960 g.
Schätzung: CHF 4 000 / 8 000

PreView

01 Das Mailänder Traditionshaus Bucellatti feiert 2019 sein einhundertjähriges Bestehen. Einer der prominenten Kunden war der Schriftsteller Gabriele D´Annunzio.



02 PETER BINOIT
Glasvase mit Blumenstrauss, Maikäfer, Schnecke und anderen kleinen Insekten.
Öl auf Holz.
33,8 × 24 cm.
Schätzung: CHF 80 000 / 120 000

03 ALBRECHT DÜRER
Die apokalyptischen Reiter, um 1497/98.
Holzschnitt auf Bütten.
39 x 27,5 cm. Gerahmt.
Schätzung: CHF 15 000 / 20 000

04 ORIENT -
David Roberts. Egypt & Nubia.
From Drawings made on the spot by David Roberts, R.A. 2 Teile in 3 Bänden.
London, F. G. Moon, 1846–1849.
Schätzung: CHF 25 000 / 40 000

02 Das Blumenbouquet des deutschen Malers zeigt sich zeittypisch vor dunklem Hintergrund und in beinahe fotorealistischer Manier.

03 Dürers 16 Motive umfassende «Apokalypse» sind ein Höhepunkt der europäischen Druckgrafik, die Darstellung der apokalyptischen Reiter gehört zu bekanntesten Holzschnitten überhaupt.

04 Die enzyklopädischen Darstellungen von Gebäuden und Monumenten fertigte David Roberts während seiner Nilreisen 1838 und Aufenthalten in Kairo und Alexandria 1839.

05 Das IJ war Amsterdams direkte Verbindung zum Meer. Neben Winterbildern waren dramatisch in Abendlicht getauchte Himmel Leickerts Markenzeichen.

06 De Noters Gemälde gibt nicht nur Einblick in das Alltagsleben im 19. Jahrhunderts, er verbindet die Genreszene zugleich mit Details, die das Werk mit kleinen Stillleben bereichern.

05 CHARLES HENRI JOSEPH LEICKERT
Das IJ mit Amsterdam in der Ferne.
Öl auf Holz.
30 × 40,8 cm.
Schätzung: CHF 25 000 / 35 000

06 DAVID EMIL JOSEPH DE NOTER
Kücheninterieur. 1845.
Öl auf Holz.
76,5 × 58 cm.
Schätzung: CHF 20 000 / 30 000


07 JOHANN RUDOLF BYS
Gegenstücke: Grosse exotische Seeschnecke mit Blumen und Fink /
Grosse Jakobsmuschel mit Blumen und Stieglitz. 1694.
Öl auf Leinwand. Je 44,5 × 35 cm.
Schätzung: CHF 60 000 / 100 000

07 Der Schweizer Bys malte unter anderem im Auftrag des Kaisers Leopold I. aus dem Hause Habsburg und für den Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn. Die Pendanthängung von Gegenstücken war in vielen privaten Sammlungen beliebt, so vermutlich auch für diese beiden Muschelstillleben.



08 NICCOLÒ DA VOLTRI (UMKREIS)
Madonna mit Kind mit den Heiligen Petrus, Paulus, Johannes d. Täufer und Antonius Abbas.
Tempera und Goldgrund auf Holz.
46,4 × 33,4 cm.
Schätzung: CHF 30 000 / 50 000

09 SELTENE TAPISSERIE "TOBIAS MIT DEM FISCH"
Brüssel, um 1530/40.
Nach Vorbildern eines Nachfolgers von Bernard van Orley.
350 × 430 cm.
Schätzung: CHF 10 000 / 15 000

08 Diese kleinformatige Marienbild aus der Zeit um 1400 dürfte in Ligurien oder der Toskana entstanden sein und ursprünglich der privaten Andacht gedient haben.

09 Die Tapisserie zeigt eine Szene aus dem alttestamentarischen Buch Tobit. Tobits Sohn Tobias wird auf einer Reise vom Erzengel Raphael begleitet, der ihm hilft, seinen blinden Vater mithilfe einer Fischgalle wieder sehend zu machen.

10 Der namentlich unbekannte Meister, dessen Werke in Norditalien nachgewiesen sind, stand unter dem stilistischen Einfluss des bedeutenden Florentiner Malers Domenico Ghirlandaio. Dieses Madonnenbild brilliert durch die strenge Komposition wie auch den sublimen Duktus.

11 Seine Zeit rühmte Huysum als «Phönix der Blumen- und Fruchtmaler», weil Feinheit und Präzision seiner Gemälde unübertroffen blieben.

12 Die römischen Aristokraten schätzten den aus einfachen Verhältnissen stammenden Piancastelli als Porträtmaler wie auch als künstlerischen Berater.

10 MEISTER VON MARRADI
Madonna mit Kind umgeben von Erzengeln. Um 1500.
Tempera auf Holz.
67 × 44,5 cm.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000

11 JAN VAN HUYSUM
Blumenvase in einer Nische. Um 1725-28.
Feder in Braun, schwarze Kreide, grau und braun laviert, auf leicht braunem Papier.
24,2 x 18,5 cm. Gerahmt.
Schätzung: CHF 15 000 / 20 000

12 GIOVANNI PIANCASTELLI
Gegenstücke: Emigrazione dell' Agro Romano – Partendo und Tornando.
Öl auf Holz.
59,7 × 99,8 cm / 59,1 × 99,9 cm.
Schätzung: CHF 180 000 / 250 000

PRÄCHTIGES PHÖNIX-BECKEN (2019)
China, 17./18. Jh.
H 24 cm, B 59 cm, Gewicht 22,3 kg.
Bronze mit vergoldetem Reliefdekor.
Ergebnis: CHF 4,8 Mio

4,8 Millionen für ein Weihrauchbecken

Spitzenergebnisse für asiatische Kunst

Grosser Fund im letzten Herbst! Dem Hause Koller wurde ein grosses Räucherbecken angeboten, das sich schon seit Generationen in Familienbesitz befand und dort mittlerweile als Behälter von Tennisbällen und anderem Krimskrams diente. Was die Besitzer ganz offenbar nicht ahnten: Bei dem zweckentfremdeten Gefäss handelte sich um ein bedeutendes chinesisches Weihrauchbecken, ausgeführt in der Zeit um 1700 in teilvergoldeter Bronze. Versteigert wurde dieses kapitale Exponat nun an der Asiatica-Auktion im Juni und erzielte dort den Rekordpreis von 4,8 Millionen Franken.



BUDDHA SHAKYAMUNI (2017)
Nordostindien, Pala, 8./9. Jh.
H 16,5 cm.
Bronze mit Silber- und Kupfereinlagen.
Ergebnis: CHF 1,17 Mio.

CLOISONNÉ-TELLER (2017)
China, Ming-Dynastie, 1. Hälfte 15. Jh.
D 26 cm.
Flache Rundschale mit türkisgrundigem Lotosdekor.
Ergebnis: CHF 144 000

Schon im Mai war das reich geschmückte Becken der Star der Antiquitätenmesse in Hong Kong, wo Koller es im Vorfeld der Auktion zusammen mit weiteren Highlights präsentiert hatte. An der Auktion in Zürich beteiligten sich die wichtigsten asiatischen Sammler persönlich im Auktionssaal oder via Telefon und lieferten sich einen regelrechten Bieterwettkampf um das Becken. Mehr als 30 Interessenten gaben ihre Gebote für das aussergewöhnliche Stück ab. Den Zuschlag erhielt schliesslich ein Sammler aus China, der derzeit in Bejing ein Privatmuseum einrichtet. Dabei hätte das wertvolle Stück schon in den 1960er-Jahren in einem wichtigen Museum für Ostasiatische Kunst landen können, dem die Besitzer es zum Kauf anboten. Das Museum lehnte damals dankend ab. Und auch eine Versteigerung in London in den 1970er-Jahren kam nicht zustande, weil ein dortiges Auktionshaus eine Kopie aus dem 19. Jahrhunderts vor sich wähnte. Der Transport «würde sich wohl kaum lohnen», hiess es.

Phönix und Päonien

China gilt als antike Hochburg des Bronzegusses. Hier wurde diese Technik nicht nur früh entwickelt, sondern über Jahrtausende hinweg immer weiter perfektioniert. Der für das Räucherbecken erzielte Preis von CHF 4,8 Mio. ist Rekord für ein solches Objekt, zu dem es in Bezug auf Grösse und Qualität keine vergleichbaren Stücke gibt. Seine Gestaltung ist einzigartig: Die seitlich angebrachten Köpfe zweier Phönixe, deren Schwingen in Pfingstrosen (Päonien) übergehen und das Gefäss umfassen, dienen als Henkel. Der Phönix gilt in China als Königin unter den Vögeln, die Päonie als Königin unter den Blumen. Ihre Symbolkraft durchzieht alle Sparten der chinesischen Kultur. So trägt eines der berühmtesten Opernstücke der Ming-Zeit, geschrieben von Tang Xianzu, einem Zeitgenossen von Shakespeare, den Titel «Päonien-Pavillon». Der Phönix steht zugleich für die chinesische Kaiserin, 1weshalb vermutet werden darf, dass das Becken – 60 Zentimeter im Durchmesser und 22 Kilogramm schwer – für einen kaiserlichen Palast oder Tempel geschaffen wurde. Im Fuss des Gefässes befindet sich eine Xuande-Sechszeichenmarke. Ihrem ursprünglichen Zweck entsprechend, wurden solche Gefässe mit Reisasche gefüllt, in die man glimmende Räucherstäbchen steckte. China kennt seit Jahrtausenden einen ausgeprägten familiären Ahnen- und Totenkult, der seit jeher von Räucherwerk begleitet wird. Bei den damit verbundenen Zeremonien ehrte man Vorfahren und Götter, in dem man in Tempeln oder vor Hausaltären Räucherstäbchen spendete.

Der für die Weihrauchschale erzielte Preis ist der Höhepunkt in einer ganzen Reihe von Spitzenergebnissen, die Koller in jüngerer Zeit für bedeutende asiatische Kunstwerke erreichen konnte. So erzielte das Auktionshaus für eine tibetische Bronze der Gottheit Panca Raksha CHF 3,24 Mio. Eine kaiserliche Wand aus geschnitztem Holz erreichte 2017 CHF 940’000. Im gleichen Jahr konnte Koller eine Bronzeskulptur des Buddha Shakyamuni auf einem Löwenthron für CHF 1,17 Mio. verkaufen und eine kaiserlich-chinesische Bronze-Glocke wurde für CHF 1,2 Mio. in neue Hände vermittelt.

SANG DE BOEUF-VASE (MEIPING) (2018)
China, Qianlong-Marke und aus der Periode.
H 30 cm.
Vase für Pflaumenblütenzweige , überzogen mit einer dunklen Kupferglasur.
Ergebnis: CHF 102 000


01 RENÉ MAGRITTE
Les voies et moyens. 1948.
Gouache und Gold auf Papier.
40,5 × 32,8 cm.
Ergebnis: CHF 439 000

ReView

01 Mit einer an Karikaturen orientierten und von beissender Kritik durchzogenen Porträtserie provozierte Magritte 1947/48 «tout Paris».



02 PIERO DORAZIO
Mimet. 1962.
Öl auf Leinwand.
46 × 33 cm.
Schätzung: CHF 88 000

03 FERDINAND HODLER
Schreitende. Um 1910.
Öl auf Leinwand.
46,5 × 40 cm.
Ergebnis: CHF 340 000

04 MAGNUM PHOTOS
"Selection Esther Woerdehoff", 1947-2007.
Portfolio mit 15 Original-Photographien.
Blattgrösse 28 x 35,5 cm bis 40 x 50 cm (diverse Hoch- und Querformate)
Ergebnis: CHF 45 000

02 Phänomene des Lichts und der Farbe übersetzte Dorazio in energiegeladene, flirrende Kompositionen.

03 Mit Variationen symbolistisch aufgeladener Ganzfigurenbildern wie dieser tänzerisch bewegten Dame – dargestellt ist das Modell Giulia Leonardi – feierte Hodler in den Jahren um 1900 in ganz Europa grosse Erfolge. Diese Frauenfi guren wurden nicht nur zum Markenzeichen des Künstlers, sondern zu Ikonen der Schweizer Kunst der Moderne.

04 Anlässlich des 60. Geburtstags der Agentur veröff entlichte die Galer istin Woerdehoff eine Auswahl weltberühmter Magnum-Aufnahmen.

05 Mit "Abend am See mit roten Wolken“ schafft Dietrich seinen ersten Sonnenuntergang zu dem sich in den folgenden Jahren noch etwas mehr als zwanzig Bilder des gleichen Themas gesellen. Die Ausgewogenheit von Komposition und Kolorit, die Ruhe und Harmonie, welche von diesem Werk ausgehen und die sich dem Betrachter erst vor dem Original ganz erschliessen, sind umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Dietrich diese Landschaft fast gänzlich frei von Einflüssen älterer oder zeitgenössischer Kunst schuf.

06 Sisley beschreibt nicht das Drama der Natur, sondern zeigt dem Betrachter im scheinbar Gewöhnlichen das Besondere.

05 ADOLF DIETRICH
Abend am See mit roten Wolken. 1915.
Öl auf Karton.
28 × 38,5 cm.
Ergebnis: CHF 183 000

06 ALFRED SISLEY
Autour de la forêt, juin. Um 1885.
Öl auf Leinwand.
54 x 72,7 cm.
Ergebnis: CHF 800 000


07 ROBERT MANGOLD
Red with Green Ellipse / Black frame. 1988/89.
Acryl und Bleistift auf Leinwand (Diptychon).
140 x 210 cm.
Ergebnis: CHF 315 000

07 In Mangolds voluminösen Doppelbildern rücken Farbe und Material in den Raum und es entsteht über diese Ausdehnung des Bildes ins Dreidimensionale eine eigene Beziehung zum Betrachter. Der Künstler thematisiert in seinen Arbeiten den Dialog zwischen Unsicherheit und Überzeugung, zwischen Intuition und Analyse.



08 JEAN FAUTRIER
La passoire. 1947.
Öl auf Papier auf Lein- wand.
46 x 55 cm.
Ergebnis: CHF 207 000

09 OSKAR KOKOSCHKA
Ann Windfohr. 1960.
Öl auf Leinwand.
91 x 70 cm.
Ergebnis: CHF 146 000

08 Fautriers ‹art informel›-Gemälde leben vom pastosen Farbauftrag und der Konzentration auf ein isoliertes, gegenstandsloses Motiv.

09 Kokoschkas Können als Porträtist war gefragt, hier malte er die US-amerikanische Kunstsammlerin Ann Windfohr.

10 Dieser Skiläufer oberhalb von Maloja war eines der letzten Bilder, die Giacometti für seine Auftraggeberin Anna von Planta ausführte.

11 Ungezählte Künstlerinnen und Künstler waren fasziniert von der einzigartigen Landschaft der bretonischen Steilküsten, so auch Moret. In seiner Malerei verbindet er den Synthetismus der Schule von Pont-Aven mit dem Impressionismus.

12 Bugattis Bronzen – überwiegend Tierdarstellungen und Figuren wie dieser Akt – markieren den Übergang vom Jugendstil zum Art Déco.

10 GIOVANNI GIACOMETTI
Skiläufer. 1899.
Öl auf Leinwand.
65,5 × 102 cm.
Ergebnis: CHF 488 000

11 HENRY MORET
Falaises, côte de Bretagne. 1910.
Öl auf Leinwand.
64 x 79 cm.
Ergebnis: CHF 110 000

12 REMBRANDT BUGATTI
SKULPTUR "Le Réveil", um 1907.
Bronze braun patiniert.
H: 34.5 cm.
Ergebnis: CHF 195 000

13 KEITH HARING
Pop Shop I-IV. 1988.
Los von 4 Farbserigrafien. 183/200.
Variierende Darstellungsmasse auf Vélin 30,5 x 38 cm.
Ergebnis: CHF 56 000

13 Diese Folge von vier Farbserigrafien entstand in jenen Jahren, als Haring in New York seinen Pop Shop betrieb, in dem er seine eigenen Werke und Vervielfältigungen davon verkaufte. Der Stil seiner Figurenbilder, die er in grosser Zahl auch an Hauswände und Werbeflächen malte, ist unverkennbar.



14 CUNO AMIET
Die Obsternte. 1912.
Öl auf Leinwand.
103 × 115 cm.
Ergebnis: CHF 775 000

15 LOUISE NEVELSON
Cloud II. 1984.
Holz, bemalt.
84 x 115 x 6,5 cm.
Ergebnis: CHF 73 000

14 Apfeldarstellungen haben Amiet während seines ganzen Künstlerlebens beschäftigt. Viele Studien und Variationen des Themas verdichten sich im Laufe weniger Jahre bis etwa 1915 zu einer veritablen Werkgruppe, zu der auch diese grossformatige Arbeit zählt. In dieser Fassung der Obsternte ist der Künstler auf der Höhe der künstlerischen Hauptströmungen jener Epoche: des Expressionismus von Fauve und Brücke und des Kubismus. Das Werk stammt aus der Sammlung von Eugen Loeb, mit dem Amiet bis zu seinem Tod freundschaftlich verbunden war.

15 Die Künstlergeneration um Louise Nevelson trug mit ihren genuinen Bildfindungen zur Emanzipation der jungen US-amerikanischen Kunst von europäischen Strömungen bei.

FRANZ GERTSCH (2018)
Dominique. 1988.
Farbiger Holzschnitt. 7/18.
103 x 115 cm.
Ergebnis: CHF 168 000

Swiss Printmakers

Resultate für Schweizer Grafik

zinierende Spuren in der Kunstgeschichte vor allem der letzten rund 150 Jahre hinterlassen. Die Traditionslinie spannt sich dabei von den Holzschnitten und Radierungen eines Félix Vallotton über die Lithografien Alberto Giacomettis bis zu den Linolschnitten von Lill Tschudi und den Holzschnitten von Franz Gertsch. In ihren Werken fächert sich der schier endlose Variantenreichtum druckgrafischer Ausdrucksmöglichkeiten auf. Besonders faszinierend ist dabei, welch unterschiedliche Ergebnisse mittels der gleichen Techniken erzielt wurden: So nutzen zwar Vallotton und Gertsch die des Holzschnittes, ihre Bildwelten könnten sich jedoch kaum st ärker voneinander unterscheiden.



LILL TSCHUDI (2018)
Guards. 1936.
Linolschnitt in Rot.
Darstellung 16 x 20,2 cm auf dünnem Japan 22,5 x 28 cm.
Ergebnis: CHF 2 500

Félix Vallotton (1865–1925) bedient sich in seinen Einzelblättern und Grafikfolgen kraftvoller, flächiger Schwarz-Weiss-Kontraste, um seine signethaften Motive zu formulieren. Mit nur wenigen perfekt platzierten Schnitten in den hölzernen Druckstock gelingen ihm zeitlose Bildfindungen. Interessant ist der Kontrast der Holzschnitte zu den stilistisch völlig anders angelegten Zeichnungen und Gemälden des Künstlers

Ganz anders zeigt sich dies bei Alberto Giacometti (1901–1966), dessen Lithografien und Radierungen aufs Engste verwandt sind mit seinen Zeichnungen und Gemälden. Motivisch und im Duktus unterschieden sich die Steinzeichnungen Giacomettis nicht von seinen Unikaten auf Papier und Leinwand. Das charakteristische Oeuvre wird dominiert von Porträts, Landschaftsdarstellungen und Innenansichten des Ateliers. In dem 1969 erschienenen Buch ‹Paris sans fin› beweisen 150 von Giacometti angefertigte Abbildungen dessen ganzes Können als Steinzeichner. Die in kleiner Auflage erschienene Publikation ist ein Meilenstein der druckgrafischen Kunst des 20. Jahrhunderts.

Lill Tschudi (1911–2004), die Ende der Zwanzigerjahre an der innovativen und einflussreichen Grosvenor School of Modern Art in London studierte, sorgte vor allem mit ihren plakativen Linolschnitten für Furore. Zweifellos zählte Pablo Picasso zu jenen Künstlern, die diese Technik in der Kunst der Moderne etabliert haben. Claude Flight führte die aus dem Glarus stammende Künstlerin in die Technik des Linolschnitts ein, Wegbegleiter wie André Lhote, Gino Severini und Fernand Léger erweiterten ihren künstlerischen Horizont. Im Unterschied zu den meisten anderen ihrer Zeitgenossen hat sich Lill Tschudi vollständig auf den Linolschnitt konzentriert und nur in dieser Technik gearbeitet. Vor allem ihre Sujets der Zwischenkriegsjahre spiegeln den Zeitgeist eindrucksvoll: Ihre Motive sind geprägt vom technischen Fortschritt, von der Intensität und dem Tempo, aber auch von der Anonymität und der sich abzeichnenden Krise der ‹Roaring Twenties›.

Als zeitgenössischer Vertreter reiht sich Franz Gertsch (*1930) in diese Traditionslinie ein. Monumentale Holzschnitte nehmen in seinem Werk zweifellos eine zentrale Rolle ein. In den Jahren 1986 bis 1994 widmete sich Gertsch ausschliesslich dieser traditionsreichen Technik und stiess dabei zu völlig eigenständigen Ausdrucksformen vor. In einer bis dahin unerreichten Präzision, nicht zuletzt bei der Herstellung der zu bedruckenden Japanpapiere, ist Gertsch an die Grenzen des im Holzschnitt Machbaren gestossen und hat diesem klassischen Medium eine neue Dimension erschlossen. Sein druckgrafisches Werk ist dominiert von monochromen, formatfüllenden Porträts von Frauen aus seinem Umfeld und faszinierenden Details aus Landschaften, zu denen der Künstler einen speziellen Bezug hat. Mit einfachsten Mitteln aber in meisterlicher Ausführung verleiht Gertsch seinen Werken unvergleichliche Plastizität und Dynamik.

FÉLIX VALLOTTON (2017)
Les Trois Baigneuses. 1894.
Holzschnitt. 85/100.
Darstellung 18,3 x 11,2 cm auf Vélin 30,5 x 20 cm.
Ergebnis: CHF 9 500

ALBERTO GIACOMETTI (2019)
Autoportrait. 1963.
Lithografie. 64/75.
Darstellung 53,7 x 34 cm auf Vélin 65,4 x 50,5 cm.
Ergebnis: CHF 10 000








Gründer und Grandseigneur

Pierre Koller ist im Alter von 94 Jahren verstorben

Wer die Galerie Koller an der Rämistrasse gleich neben der «Kronenhalle» betrat, wurde vom Patron empfangen, als wäre er Stammkunde. Wer es war, fühlte sich hier stets willkommen, und wer es nicht war, ebenfalls. Denn Pierre Koller machte kaum einen Unterschied zwischen Neukunden und langjährigen Kunstsammlern, wenn er, die Arme ausgebreitet, mit einem «Bonjour, Monsieur», «Guten Tag, Madame» einem entgegenstürzte. Sein Charme war so legendär wie sein Witz, mit dem er während langer Versteigerungssitzungen die Bietenden im Saal stets bei bester Laune hielt.

Pierre Koller war ein Grandseigneur guten alten Stils, ein Kunstfreund mit einem französischen Hang zum Prunkvollen, und vor allem auch ein ausgezeichneter Verkäufer. Von Hause aus Jurist, eröffnete er im Jahr 1958 an der Zürcher Dufourstrasse eine Bildergalerie mit Spezialisierung auf «Equitation». Denn angetan hatte es dem damals 34-Jährigen die Kunst der Pferdedarstellungen. Er sollte sein Hobby zum Beruf machen. Und so erweiterte Pierre Koller zusammen mit seiner Schwester Antoinette, die 1959 zum Unternehmen stiess und einen Blick für Keramik, Silber und asiatische Kunst hatte, das Galerieprogramm rasch. 1961 erfolgte der Umzug an die Rämistrasse 8, wo bald ein stattliches Auktionshaus auf fünf Etagen entstand. International machte sich Pierre Koller einen Namen für die Expertise kostbarer antiker Möbel und Objets d'Art vor allem französischer Provenienz. Die erste Auktion führte er 1960 im Zürcher Kongresshaus durch, als sich ihm die Gelegenheit bot, einige wichtige Sammlungen, darunter eine Uhrenkollektion aus Augsburger Privatbesitz, zu akquirieren. Und so versteigerte Koller an der Rämistrasse bald regelmässig wertvolle Kunstobjekte aller Sparten und immer wieder ganze Kollektionen.

Einen Höhepunkt in Pierre Kollers Vita als Kunsthändler und Auktionator stellte 1995 die Versteigerung einer epochalen Privatsammlung von Napoleonica dar, auf welche sich Koller spezialisiert hatte. Der erste Zuschlag von über einer Million Franken in der Geschichte des Auktionshauses Koller erfolgte 1973 für ein Dora-Maar-Porträt von Picasso. Und einer der letzten unter unzähligen von Pierre Kollers Versteigerungs-Erfolgen am Auktionspult war ein Schreibtisch des berühmten Ebenisten André-Charles Boulle aus dem Jahr 1720, den er im September 2014 im hohen Alter von 90 Jahren für 3 Millionen Franken einem Privatsammler aus London zuschlagen konnte.

wuchsen rasch zu einem kleinen Imperium. 1975 entstand im Schloss Lucens in der französischen Schweiz eine Dépendance für Auktionen, die schliesslich 1980 nach Genf an die Rue de l'Athénée verlegt wurde. Mit «Koller Tiefenbrunnen» versteigerte man ab 1977 auch mittel- und tiefpreisige Kunstgegenstände. Bald erfolgte die Betreuung dieses Segments unter dem Namen »Koller West» an der Hardturmstrasse. 1991 verliess die Galerie Koller die Rämistrasse und richtete ihren Hauptsitz an der Hardturmstrasse in Zürich-West ein, als noch niemand ahnte, dass dort ein Galerien-Mekka entstehen würde. 2004 übergab Pierre Koller seinem ältesten Sohn Cyril die Geschäftsleitung des Familienbetriebs.

Bei Pierre Koller in die «Schule des Handels mit Kunst» sind nicht zuletzt zahlreiche später in Zürich bekannte Galeristen und Auktionatoren gegangen. Der Gründer des heute grössten Schweizer Auktionshauses hatte eine wichtige Schrittmacherfunktion für den Schweizer Kunsthandel inne. Am 23. Juni ist Pierre Koller im Alter von 94 Jahren gestorben.

Dieser Nachruf von Philipp Meier erschien in der NZZ vom 26. Juni 2019.








EINLADUNG ZUM KÜNSTLERGESPRÄCH

Dienstag, 16. Juli 2019 um 19 Uhr
Abendöffnung von 18 bis 21 Uhr

Im Rahmen der Ausstellung:
Junge Künstler der Akademie der Bildenden Künste München

mit Andrej Auch, Jenny Foster, Stefanie Hofer, Steffen Kern, Martin Spengler und Felix Rehfeld
Absolventen und Studenten der Klasse Prof. Karin Kneffel

Ausstellung kuratiert von Dina Renninger


Ort:
Koller Auktionen München
Maximiliansplatz 20, 80333 München
Tel: +49 89 – 22 80 27 66

Ausstellungsdauer noch bis 19. Juli 2019, Öffnungszeiten Mo – Fr. 10 - 17 Uhr


Save the Date
Neue Ausstellungsreihe KOLLERNOW 2019 kuratiert von Dina Renninger
für das Auktionshaus Koller Auktionen, München

3. Ausstellung: Klasse Wermers/Karstiess/Prangenberg:
Eröffnung 10. Oktober 2019
11. Oktober – 15 November 2019





KOLLERview erscheint viermal jährlich,

die nächste Ausgabe folgt im September 2019

Als PDF lesen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde unseres Hauses

Ferdinand Hodlers elegische Frauenfiguren sind nicht nur zum Markenzeichen des Künstlers, sondern längst zu Ikonen der Schweizer Kunst der Moderne geworden. Sie wurden in Hodlers fortwährender Suche mehr und mehr zu Schicksalsdarstellungen. Der Künstler suggeriert mit diesen Werken Empfindungen und huldigte zugleich der Unendlichkeit und dem Schönen. Hodler malte unser Titelmotiv «Die Schreitende» um 1912, auf dem Zenit seiner Künstlerkarriere. Das Bild, das Hodlers Modell Giulia Leonardi zeigt, ist eines der Lose unserer Juni-Auktion Schweizer Kunst, die einen umfassenden Überblick über die hiesige Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts bietet. Kaum einer der grossen Namen fehlt.

Mit dem vierteiligen Engadin-Panorama von Giovanni Giacometti kommt ein kapitales Werk zum Ausruf. Das vierteilige Gemälde zeigt einen Rundblick vom Muottas Muragl auf die schneebedeckten Gipfel und grünen Bergtäler des Engadin – so weit das Auge reicht. Wie Hodler und Giacometti stand auch deren Zeitgenosse Cuno Amiet in der Gunst privater Kunstsammler. So erwarb der Kaufhausunternehmer und mit Amiet befreundete Eugen Loeb zahlreiche Werke des Künstlers von der Oschwand, darunter die expressive «Apfelernte in Blau und Rot».

Im Rahmen unserer Juni-Auktionen kommen auch Werke des Impressionismus und der Klassischen Moderne zum Ausruf. Hauptwerk dieser Versteigerung ist eine wunderbare Landschaft des grossen Impressionisten Alfred Sisley.

Nationale und internationale Kunst der letzten 70 Jahre versteigern wir einen Tag später in unserer Auktion PostWar & Contemporary. Deren Offerte zeigt unter anderem, wie sich die Kunst der amerikanischen Avantgarde in den Nachkriegsjahrzehnten von ihren europäischen Wurzeln und Vorbildern emanzipierte. Mit Werken von Hans Hofmann, Alfred Julio Jensen und Theodoros Stamos sowie Robert Mangold und Andy Warhol werden verschiedene Entwicklungslinien vom Abstrakten Expressionismus über den Minimalismus bis zur Pop Art sichtbar.

Vom 20. bis 25. Juni können Sie in unseren Ausstellungsräumen das umfassende Angebot unserer Hauptauktionen besichtigen, das – neben internationaler und Schweizer Kunst der letzten 200 Jahre – von Schmuck und Armbanduhren über Designobjekte und Vintage bis zur Photographie reicht. Gleichzeitig haben Sie Gelegenheit, auch alle Angebote der Koller ibid online only Auktionen in Augenschein zu nehmen. Seit 2018 versteigern wir dekorative Kunstobjekte in tieferen Preislagen online.

Ich freue mich, Sie während unserer Vorbesichtigung an der Hardturmstrasse begrüssen zu dürfen, und wünsche Ihnen eine unterhaltsame und anregende Lektüre. Unsere Expertinnen und Experten stehen Ihnen beim Kauf und Verkauf von Kunstwerken gern beratend zur Seite.

Mit herzlichen Grüssen

Ihr Cyril Koller


ADOLF DIETRICH
Abend am See mit roten Wolken. 1915.
Öl auf Karton.
28 x 38,5 cm.
Schätzung: CHF 150 000 / 200 000

In der formalen Ausgewogenheit und dem faszinierenden Kolorit erkennt man Adolf Dietrich als einen der bedeutendsten Schweizer Künstler des frühen 20. Jahrhunderts. Dieser Sonnenuntergang ist der erste einer ganzen Reihe, die Dietrich ab 1915 malte. Pastellstudien in der Natur folgte die Arbeit an der Leinwand im Atelier. Hier zeigt sich der Künstler völlig eigenständig und von äusseren Einflüssen unberührt.




01 ALFRED JULIO JENSEN
Temple of Numbers at Paestum. 1961.
Öl auf Leinwand.
186,5 x 136,5 cm.
Schätzung: CHF 250 000 / 350 000

Amerikanische Avantgarde nach 1945

Vorschau auf die Auktion PostWar & Contemporary vom 29. Juni 2019

Der Deutsch-Amerikaner Hans Hofmann (1880–1966), von den Nationalsozialisten als «entartet» verfemt, war nach seiner Emigration eine prägende Lehrerfigurder New York School und Impulsgeber für die erste Generation des Abstrakten Expressionismus. Seine Gouache «The Tree» (08) lebt von intensiven Farbklängen, die sein Spätwerk prägen. Der US-Kunstkritiker Clement Greenberg hielt fest: «Hofmann behandelt die Bildfläch nicht als ein trägpassives, sondern als ein empfänglich reagierendes Objekt …»



02 ROBERT MANGOLD
Red with Green Ellipse / Black frame. 1988/89.
Acryl und Bleistift auf Leinwand (Diptychon).
140 x 210 cm.
Schätzung: CHF 180 000 / 240 000

03 THEODOROS STAMOS
Hovering Yellow Sun Box. 1967.
Acryl auf Leinwand.
143 x 132 cm.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000

Emanzipation von Europa

Hofmann beeinflussteeine ganze Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die – zunehmend losge-löst von den europäischen Strömungen und mit neuen Bezügen zu indigener und sogenannt «primitiver» Kunst – ihre eigenen Wege gingen. In den Verzweigungen der nordamerikanischen Bewegung findenetwa Theo-doros Stamos (1922–1997) oder Hofmann-Schüler wie Alfred Jensen (1859–1953) oder Louise Nevelson (1899–1988) genuine Formulierungen, die zur Emanzipation der jungen Kunst in den USA beitrugen. Ihnen folgten Protagonisten wie Jasper Johns oder Robert Rauschenberg, die das Bindeglied zur späteren Pop Art bildeten.23© 2019, ProLitteris, ZurichGeometrische Formen auf monochromem Grund bilden «Hovering Yellow Sun-Box» (03) des US-Amerikaners Theodoros Stamos, einem der führenden Abstrakten Expressionisten der ersten Generation. Das Motiv ist Teil der seit Anfang der Sechzigerjahre entstandenen Serie von Sun-Box-Gemälden. Alfred Jensens monumentale Arbeit «Temple of Numbers at Paestum» (01) entstand in jenem Jahr 1961, in dem ihm das Guggenheim Muse-um New York eine grosse Einzelausstellung widmete. Der Künstler mit deutsch-dänischer Abstammung wurde bekannt durch seine geometrisch-abstrakten Malereien in dickem Impasto, denen ab Ende der 1950er-Jahre vor allem Farbspektren und mathematische Zahlensysteme zugrunde lagen.

Eine ebenfalls höchst individuelle Spur legt der Minimalist Robert Mangold (geb. 1937). Sein Diptychon «Red with Green Ellipse/Black Frame» von 1988/89 (02) hat tektonischen Charakter. In ihm rücken Farbe und Material in den Raum und es entsteht über diese Ausdehnung des Bildes ins Dreidimensionale eine eigene Beziehung zum Betrachter. Die markante Diptychon-Kombination von Ellipse und schwarzem Rahmen taucht um 1990 in einer Werkgruppe auf, zu der Mangold konstatierte: «Ich wollte, dass diese fast gegensätzlichen Strukturen, die an einer Kante oder sogar nur an einem Punkt verbunden sind, ein einziges Werk ergeben. Es war dieser Kampf zwischen Trennung und Einheit, der mich interessierte.» Obwohl Mangolds abstraktes Werk Vielen als Inbegriffdes Re-duktionismus und Minimalismus gilt, erweist es sich in sei-nen Quellen und Ambitionen als komplexer. Der Künstler stützt sich vor allem auf den Dialog zwischen Unsicherheit und Überzeugung, zwischen Intuition und Analyse.


04 Der gelernte Glasmaler Polke (neue Glas- und Achatfenster im Zürcher Gross-münster, 2006–2009) gründete 1963 mit Gerhard Richter und Konrad Lueg den ‹Kapitalistischen Realismus›. Viele seiner Werke reagieren ironisch auf den etablierten Kunstbetrieb.

05 Die monumentalen Farbholzschnitte Gertschs sind nicht nur handwerklich herausragend, sondern ebenso als erstaunliche Zeugnisse seiner intensiven, ja meditativen Beschäftigung mit der Natur und ihren Geheimnissen.

04 SIGMAR POLKE
Ohne Titel. 1999.
Aquarell und Gouache auf Vélin.
70,2 x 99,7 cm.
Schätzung: CHF 60 000 / 80 000

05 FRANZ GERTSCH
Gräser I. 2000.
Farbiger Holzschnitt.
Schätzung: CHF 40 000 / 50 000


06 JEAN FAUTRIER
La passoire. 1947.
Öl auf Vélin auf Leinwand.
46 x 55 cm.
Schätzung: CHF 100 000 / 200 000

06 Fautriers Gemälde leben vom pastosen Farbauftrag und der Konzentration auf ein isoliertes Motiv. Der Franzose gilt als wichtigster Vertreter seines Landes in der gegenstandslosen, nicht-geometrischen ‹art informel›.

07 Im Werk des kanadischen Action-Painters Riopelle finden sich enge Bezüge zu Werken der Pariser Automatisten und Tachisten.



07 JEAN-PAUL RIOPELLE
Ohne Titel. 1958.
Öl auf Vélin auf Leinwand.
79,5 x 59 cm.
Schätzung: CHF 50 000 / 70 000

08 HANS HOFMANN
The Tree. 1944.
Öl und Gouache auf Vélin (doppelseitig).
73,5 x 58,5 cm.
Schätzung: CHF 35 000 / 45 000

09 Diese Gouache lebt durch den subtilen Kontrast zwischen den tiefschwarzen Balken und dem kräftigen, dazwischen aufleuchtendem Blau. Mit Gummirakeln strukturiert Soulages seine Bildfläche und legt die unter dem deckenden Schwarz liegenden Farbflächen frei. Diese in die Tiefe der Malschichten vordringende Schabtechnik dynamisiert die Bildkompositionen und fördert effektvolle Farbklänge zutage. Die auf diese Weise entstehenden Werke werden als Outrenoir-Bilder bezeichnet, also Arbeiten jenseits von Schwarz.

10 Roths Barwagen vereint in sich die vom Bauhaus geprägte Formenwelt und die bevorzugten Materialien des modernen Produktdesigns der frühen 1930er-Jahre. Vor allem die strenge Chromstahlkonstruktion verweist unmittelbar auf Möbelentwürfe von Mart Stam, Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe.

11 Lichtensteins plakative, am zeitgenössischen Comic orientierten Motive der Sechzigerjahre sind zu Ikonen der Nachkriegskunst geworden.

09 PABLO PICASSO
Tête au masque. 1956.
Teller. Keramik mit Relief.
Schätzung: CHF 5 000 / 7 000

10 JEFF KOONS
Animals II. 2019.
3 Multiples. Porzellan.
Schätzung: CHF 25 000 / 30 000

11 PIERO DORAZIO
Mimet. 1962.
Öl auf Leinwand.
46 x 33 cm.
Schätzung: CHF 30 000 / 40 000

12 JOHANNES ITTEN
Quadrate in Bewegung. 1958.
Öl auf Hartfaserplatte.
70 x 100 cm.
Schätzung: CHF 60 000 / 80 000

12 Itten stellte in seiner Zeit als Bauhaus-Lehrer eine ganze Farbtypenlehre auf, in deren Zentrum das Verhältnis von Farbe und Form sowie der Farben untereinander stehen. Abstraktionen wie diese Quadrate prägen sein Werk bis in die Nachkriegszeit.



13 SIGMAR POLKE
Ohne Titel. 1999.
Tinte, Aquarell und Gouache auf Vélin.
70,2 x 100 cm.
Schätzung: CHF 80 000 / 140 000

14 ANDY WARHOL
Apple. 1985.
Farbserigrafie. 165/190.
Blattmass 96,5 x 96,5 cm
Schätzung: CHF 50 000 / 70 000

13 Polke beschäftige sich während Jahrzehnten mit Aquarell- und Gouachemalerei und wechselte dabei vielgestaltig und metaphorisch aufgeladen zwischen Abstraktion und Figuration.

14 1985 entstand eine Serie von zehn «Advertising»-Motiven, in denen Warhol berühmte Markenlogos – wie hier das von Apple – als Symbole des Massenkonsums nutzte.



LE CORBUSIER (CHARLES-ÉDOUARD JEANNERET)
Femme endormie. 1945.
Öl auf Holz.
24 x 33 cm.
Schätzung: CHF 80 000 / 120 000

Magritte provoziert Paris

Vorschau auf die Auktion für Impressionismus und Klassische Moderne vom 28. Juni 2019

René Magritte war schwer verärgert. Dem Belgier, der sich jahrelang um die Gunst seiner Künstlerkollegen und des Publikums in Paris bemühte, wurde immer wieder die kalte Schulter gezeigt. 1931 kehrte er der Stadt, die nichts weniger als die Hauptstadt des Surrealismus war, endgültig den Rücken. Doch 1948 erhielt er Gelegenheit, sich auf besondere Art zu revanchieren. In nur fünf Wochen um den Jahreswechsel 1947/48 entstehen für Magrittes Ausstellung in der Pariser Galerie du Faubourg 17 Ölgemälde und 20 Gouachen, die es in sich hatten. Basierend auf einem für Magritte neuen, schnellen und in gewisser Weise aggressiven Malstil – inspiriert von populären Quellen wie Karikaturen und Comics und durchsetzt mit stilistischen Anleihen bei Künstlern wie James Ensor und Edouard Manet, Henri Matisse und Joan Miró – entstanden innerhalb weniger Wochen knapp vierzig Werke. Die grellen, expressiven ja aufrührerischgrotesken Bilder zeitigten eine neue künstlerische Façette im OEuvre des Belgiers.



MAX ERNST
Paysage de Corbières. Um 1949.
Öl auf Holz.
33 x 23,8 cm.
Schätzung: CHF 100 000 / 150 000

OSKAR KOKOSCHKA
Ann Windfohr. 1960.
Öl auf Leinwand.
91 x 70 cm.
Schätzung: CHF 60 000 / 80 000

Beissender Spott

Die Werkfolge der kurzen «Période vache», zu der das im Juni von uns angebotene «Les voies et moyens» gehört, zeigt sich in einer für Magritte ungewohnten Bildsprache. Magritte nahm die Übersteigerung des Kolorits von den Fauvisten auf, um seine mit beissendem Spott durchzogenen Bilder zu malen. Mit dem unerwartet kruden Stil konterkariert der Künstler sein eigenes Werk, aber auch die Malerei der Moderne. Die Bezeichnung «Période vache», die Magritte dieser kurzen aber intensiven Schaffensphase selbst gegeben hat, sollte ironischerweise auf die Kunst der Fauvisten anspielen, die aufgrund ihrer Farbpalette und expressiven Malweise abwertend als «wilde Tiere » apostrophiert wurden. Doch im Französischen bedeutet «vache» nicht nur Kuh, sondern ebenso gemein oder böse; «vacherie» steht für einen bösen Trick.

Magritte stellte eine Ausstellung zusammen, die nichts anderes als eine Provokation für das Pariser Publikum sein musste. Durch mehr oder minder subtile Anspielungen nahm er die Hauptstädter in ihrem «bornierten Pariser Selbstverständnis als Bastion der Hochkultur» auf die Schippe und machte sich zugleich über seine französischen Künstlerkollegen lustig. «Es sind Werke von funkelnder Freiheit, in der die tollkühnsten Gedanken, die Handschrift und die Illuminierung verängstigt Lärm schlagen, wo Flegelhaftigkeit sich mit Esprit vermischt, Empörung mit Verblüffung, Gewalt mit Zärtlichkeit, Weisheit mit Jux.» (Louis Scutenaire).

Die Galerie verkaufte damals – wenig überraschend – kein einziges Werk der Schau. Sein Ziel erreichte der Künstler dennoch: Die Pariser zeigten sich entsetzt von den knapp 40 Werken, die Presse zerriss die Exposition. Alle Bilder der «Période vache» verschwanden danach für Jahrzehnte aus der Öffentlichkeit, bevor sie – als modernes kunstkritisches Manifest neu bewertet – seit den 1980er-Jahren auch in Einzelausstellungen wieder gezeigt werden, etwa 2009 in der Frankfurter Kunsthalle Schirn.

RENÉ MAGRITTE
Les voies et moyens. 1948.
Gouache und Gold auf Papier.
40,5 x 32,8 cm.
Schätzung: CHF 250 000 / 400 000


ALFRED SISLEY
Autour de la forêt, juin. Um 1885.
Öl auf Leinwand.
54 x 72,7 cm.
Schätzung: CHF 700 000 / 1 000 000

En plein air mit Alfred Sisley

Vorschau auf die Auktion für Impressionismus und Klassische Moderne vom 28. Juni 2019

Vielen von Sisleys Landschaftsgemälden, so auch dem vorliegenden «Autour de la Forêt, Juin», wohnt eine tiefe Stille inne. Der Künstler beschreibt nicht das Drama von Natur und Elementen, stattdessen nimmt er den Betrachter behutsam an die Hand, entführt ihn, um ihm im scheinbar Gewöhnlichen das Besondere zu zeigen.



HENRY MORET
Les Brisants. 1898.
Öl auf Leinwand.
51 x 65 cm.
Schätzung: CHF 50 000 / 70 000

HENRY MORET
Falaises, côte de Bretagne. 1910.
Öl auf Leinwand.
64 x 79 cm.
Schätzung: CHF 60 000 / 80 000

Wie die meisten anderen Gemälde Sisleys aus dieser Zeit, entstand sicherlich auch «Autour de la Forêt» en plein air, also unter freiem Himmel. Mit den damals neuartigen Ölfarben in Tuben zog es die Künstler hinaus aus ihren Pariser Ateliers, sie eroberten sich die pittoresken Landschaften der nahen Île-de-France mit Pinsel und Leinwand. Sisleys Obsession galt dabei insbesondere der Darstellung des Himmels: «Ich fange ein Bild immer mit dem Himmel an.» Exemplarisch für Sisleys Handschrift jener Jahre ist – neben der lichten Palette – die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Bildpartien. Während er die sommerlichen Wolkenformationen zart lasiert, formuliert er die Pflanzen, Wege und Wiesen mit gekonnt gesetzten pastosen Pinselstrichen. Dadurch wirken Bäume, Felder und die hoch aufgehäufte Strohmiete im Vordergrund intensiver und lebendiger. Sisley hält das Flüchtige, das Atmosphärische und Substanzlose fest – als «Impressionist», der seine Begeisterung für Turner und Constable nie verleugnete

Fernab vom Zeitgeist

Bereits Anfang der 1870er-Jahre etablierte sich Sisley im Kreis der später abschätzig als «Impressionisten» oder «Intransigeants» bezeichneten Malerinnen und Maler um August Renoir und Claude Monet, Paul Cézanne, Edgar Degas und Berthe Morisot. Sisley gehörte 1873 zu den Gründungsmitgliedern der ‹Société anonyme des artistes, peintres, sculpteurs, graveurs›, deren Werke zuvor vom konservativen ‹Salon de Paris› abgelehnt wurden. An der ersten Impressionisten-Ausstellung im Atelier des Fotografen Nadar im Frühling 1874 beteiligte sich Sisley mit zwei Landschaften; im Katalog der Gruppenschau von 1882 fanden sich nicht weniger als 27 seiner Gemälde. Anschliessend zog sich der 1839 in Paris geborene Engländer mehr und mehr zurück. Dass ihn seine engen Freunde Renoir und Monet bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1899 begleiteten, dürfte ihm Trost gewesen sein. Gleichwohl erkannten nur wenige Zeitgenossen Sisleys Rang unter den Malern des Lichts – wie etwa sein Malerkollege Camille Pissarro oder der umtriebige Kunsthändler Galerist Paul Durand-Ruel an der Rue Laffitte. Erst in jüngerer Zeit widmeten sich einzelne Institutionen wie das Von der Heydt-Museum in Wuppertal, das Bruce Museum in Greenwich oder das Hôtel de Caumont in Aix-en-Provence dem «wahren Impressionisten» Sisley.

EDWARD CUCUEL
Nach dem Bade. Vor 1912.
Öl auf Leinwand.
80 x 90 cm.
Schätzung: CHF 30 000 / 50 000


GIOVANNI GIACOMETTI
Panorama von Muottas Muragl. 1898.
Öl auf Leinwand.
Grösse total: 67 x 510 cm
Schätzung: CHF 2 800 000 / 4 000 000

So weit das Auge reicht: Giovanni Giacomettis Engadin

Vorschau auf die Auktion Schweizer Kunst vom 28. Juni 2019

An einem Oktobermorgen des Jahres 1897 machten sich die Maler Giovanni Segantini und Giovanni Giacometti in aller Früh zu Fuss in Begleitung eines Fotografen auf den Weg nach Muottas Muragl, einem Ausflugberg mit einer Höhe von 2453 südöstlich von Samedan. Der Bergrücken, der zehn Jahre später bequem mit einer Standseilbahn – der ersten überhaupt im Engadin –, erreicht werden konnte, bietet einen atemberaubenden Ausblick über das Oberengadin mit der Engadiner Seenplatte. Grund ihres Ausflugs war das Anfertigen von Skizzen für ein gigantisches Rundgemälde, das an der Pariser Weltausstellung von 1900 präsentiert werden sollte. Segantini hatte sich ein Gesamtkunstwerk ausgedacht, das in einem Rundbau die Schönheit des Engadins nicht nur mittels der Malerei, sondern mit Versatzstücken wie Bäumen und Alpenrosen, Wasserfällen sowie Brücken evozieren und das Erlebnis mit Windmaschinen sowie Licht- und Toneffekten verstärken sollte. Giovanni Giacometti, für den der zehn Jahre ältere Segantini ein Mentor war, hatte begeistert seine Mitarbeit zugesagt, auch Cuno Amiet und Ferdinand Hodler waren als Mitschaffende vorgesehen. Das von den Fremdenverkehrsorganisationen unterstützte Projekt musste jedoch aus finanziellen Gründen aufgegeben werden. Segantini zeigte in Paris als reduziertes Projekt das Triptychon "Werden – Sein – Vergehen" (La Vita – La Natura – La Morte), wobei La Natura den Ausblick von der Segantini-Hütte etwas oberhalb von Muottas Muragl wiedergibt.



GIOVANNI GIACOMETTI
Skiläufer. 1899.
Öl auf Leinwand.
65,5 x 102 cm.
Schätzung: CHF 50 000 / 70 000

GIOVANNI GIACOMETTI
Adler mit Engadiner Landschaft. 1898.
Öl auf Leinwand auf Holz.
44,5 x 82 cm (Halbkreis).
Schätzung: CHF 60 000 / 80 000

Vier Motive für das Herzstück

Giovanni Giacometti konnte seine auf Muottas Muragl gemachten Studien für einen anderen Auftrag verwenden: Noch im Oktober 1897 bat ihn Anna von Planta, ihr Chalet in St. Moritz-Bad auszugestalten. Von den zehn Bildern, die Giacometti in der Folge malte, bildet das vierteilige Panorama von Muottas Muragl, das im Juni bei Koller Auktionen versteigert wird, das für das Esszimmer bestimmte Herzstück. Das erste Bildfeld gibt den Blick von Muottas Muragl in südlicher Richtung auf das Rosegtal wieder. Zwischen dem Piz Chalchan links und dem Piz Surlej rechts erhebt sich die schneebedeckte Sellagruppe mit den damals noch markanten Gletscherzungen des Sellaund Roseggletschers. Giacometti malte die Ansicht in der divisionistischen Stricheltechnik, wie er sie von seinem Vorbild Segantini gelernt hatte. Besonders deutlich zeigt sich dies in den Waldpartien, deren sattes Grün mit komplementärem Rot durchsetzt ist. Die Felspartien, die nicht aus stumpfem Grau, sondern aus einer reichen Palette von Gelb, Grün, Blau und Rosa aufgebaut sind, weisen den Schöpfer als Meister der Farbe aus.

Auf dem zweiten Bildfeld blickt rechts ein Hirte mit einer Herde herunter auf den St. Moritzersee mit St. Moritz und Sankt Moritz-Bad. Darüber erhebt sich das 3380 m hohe Juliermassiv und rechts davon der etwas zu massig geratene Piz Bever. Auch sonst hat sich der Maler für die Topografie in diesem Bildfeld reichlich künstlerische Freiheiten herausgenommen. So wird der St. Moritzersee von Muottas Muragl aus als diagonal liegende, nicht als horizontale Fläche wahrgenommen. Die Unterschiede zur Realität erklären sich womöglich teilweise dadurch, dass Giovanni Giacometti die Gemälde im Winter 1897/98 auf der Oschwand bei seinem Freund Cuno Amiet und nicht vor Ort ausgeführt hat. Zwar bat er Ende 1897 Giovanni Segantini um die auf Muottas Muragl gemachten Fotografien, doch ging es ihm nicht um die sklavische Wiedergabe der Wirklichkeit, denn er schrieb in einem Brief: «Als Motiv für die Komposition habe ich die Aussicht von Muottas Muragl gewählt, wenigstens was die Bergkette und die Wälder betrifft.» Eine Studie kommentierend, vermutete die Auftraggeberin Anna von Planta gar, dass Giacometti den Vordergrund ungefähr beim Hahnensee (Lej dals Chöds) unterhalb des Piz Surlej ansetzte, womit es sich bei den beiden Dörfern um Silvaplana und Champfèr handeln würde.

Der Vordergrundstreifen des dritten Bildfelds wird von einem Hirten dominiert, der die ihn umstehenden Schafe füttert. Der Blick geht nun Richtung Westen, wo am linken Rand der Piz Saluver erscheint und rechts davon der Piz Ot mit 3246 m den höchsten Punkt dieser Gegend markiert.

Das letzte Bildfeld schliesst das Panorama mit dem Blick ins Val Bever ab. Hier wird die Horizontlinie links durch den Piz Üertsch markiert, im Zentrum durch die Crasta Mora und rechts durch den Piz Blaisun und das hochaufragende Massiv des Piz Kesch. Auffallend ist das Fehlen des Fernblicks auf Silvaplanersee, Silsersee und die Bergeller Berge – ein Segment, dass man eigentlich zwischen dem ersten und zweiten Bildfeld erwartet. Die Gründe dafür sind unbekannt. Im Briefwechsel mit Anna von Planta wird ausdrücklich von vier Bildfeldern gesprochen. Eine Studie in Privatbesitz legt jedoch nahe, dass Giacometti den Blick auf die Seen zunächst vorgesehen hatte. Der Bruch im Raumkontinuum wird vom Betrachter allerdings kaum bemerkt und schadet dem einheitlichen Bildeindruck keineswegs. Giacometti gelingt dies durch das Durchziehen des Terrains im Vordergrund und durch die horizontalen Streifen der topografisch frei platzierten Seen sowie durch die symmetrisch auf das Zentrum mit dem Hirten bezogenen Schafe.

Im Dialog mit der Auftraggeberin

Die Briefe Anna von Plantas an Giacometti widerspiegeln die grosse Anteilnahme am Fortgang der Arbeiten. Es scheint, dass der Maler die Kritik der Auftraggeberin an den Skizzen bei der Ausführung der Bilder teilweise berücksichtigt hat. So schreibt sie: «Der Hintergrund von hohen Bergspitzen ist sehr hübsch, die Bergspitzen dürften aber meinem Gefühl nach ruhigere Formen haben & weniger zackig & zerklüftet sein, mehr dem Character unserer Engadinerberge entsprechend. In Bezug auf das détail des Vordergrunds, möchte ich auch nicht gar zu viele Alpenrosen wünschen. Eine oder zwei kräftige, blühen¬de Pflanzen in der untern Ecke des 4ten Feldes würden wohl genügen.» Ausserdem wünschte sich Anna von Planta Ziegen statt Schafe, doch dazu liess sich Giacometti nicht erweichen.

Wenige Jahre nach dem Panorama von Muottas Muragl hat Giacometti der Schönheit der Bündner Berge mit dem Panorama von Flims ein weiteres Denkmal gesetzt. Die dreiteilige Komposition wurde 2016 von Koller Auktionen versteigert und kann heute in der Fondation Saner in Studen bewundert werden.

Paul Müller, Co-Autor des Werkverzeichnisses Giovanni Giacometti

GIOVANNI GIACOMETTI
Ruscello alpestre. Um 1917.
Öl auf Leinwand.
61,5 x 51 cm.
Schätzung: CHF 150 000 / 250 000


CUNO AMIET
Die Obsternte. 1912.
Öl auf Leinwand.
103 x 115 cm.
Schätzung: CHF 600 000 / 800 000

Cuno Amiet aus der Sammlung Loeb

Vorschau auf die Auktion Schweizer Kunst vom 28. Juni 2019

Den Künstler Cuno Amiet (1868–1961) und den Warenhaus-Unternehmer und Kunstsammler Eugen Loeb (1877–1959) verband ab Beginn der Dreissigerjahre eine enge Freundschaft. Loeb, der wie sein Bruder Arthur eine bedeutende Kunstkollektion aufgebaut hatte – unter anderem mit Werken von Vallotton, Barraud, Varlin und Gubler, daneben Monet, Pissarro und Renoir – kaufte Dutzende Gemälde und Zeichnungen beim Künstler von der Oschwand. Amiet schätzte Loebs Sachverstand und dessen sichere Hand bei der Auswahl der Werke: «Nie möchte ich etwas bei Ihnen wissen von mir, von dem ich nicht glaubte, dass es ganz gut ist.», schrieb der Künstler dem Sammler am 19. Okt ober 1936.



CUNO AMIET
Blaue Landschaft. Um 1910.
Aquarell auf Papier.
23,5 x 29,7 cm.
Schätzung: CHF 10 000 / 15 000

Die Begeisterung der Loebs für Amiets Schaffen reichte so weit, dass die Brüder zum Teil von Amiet selbst wie wohl auch über den Kunsthandel aus den ganz frühen Jahren wie mit der «Obsternte» («Apfelernte in Blau und Rot») oder mit den «Häusern in der Sonne» bedeutende Werke aus vorangehenden Schaffensperioden erwarben.

«Befreiung vom Naturmalen»

Apfeldarstellungen haben Amiet während seines ganzen Künstlerlebens beschäftigt. Ab 1907 tritt das Motiv der Apfel- oder Obsternte in seine Bildwelt ein, wiederkehrende Studien und zahlreiche Variationen des Themas verdichten sich im Laufe weniger Jahre bis etwa 1915 zu einer veritablen Werkgruppe, zu der auch die vorliegende grossformatige Arbeit in Öl auf Leinwand zählt, die als «Obsternte» oder «Apfelernte in Blau und Rot» betitelt wurde. Der Mensch in der Landschaft belegt ganz offenkundig Amiets ikonografische Bezüge zu Bildern von Cézanne, Gauguin und Matisse. In der Wahl des intensiven Rots – «die hellste und zugleich tiefste Farbe, die die Idee des Reichtums zum Ausdruck bringen kann», wie der Künstler selbst konstatierte – lehnt sich Amiet an Werke von Emile Bernard an. Amiets Palette wechselt in den verschiedenen Schaffensphasen: «So müsste, allein was die Farbgebung betraf, von einer frappierenden Wandlungsfähigkeit gesprochen werden. Sie würde auch in frühern Epochen nachzuweisen sein, beispielsweise in jenen monochromen Darstellungen der Apfelernte, die, meist auf Rot abgestimmt, zu den kühnsten und eigenwilligsten Schöpfungen Amiets zählen», konstatierten die Basler Nachrichten 1961 in ihrem Nachruf auf den verstorbenen Künstler. Eberhard Grisebach sah bereits 1912 in den monochromen Motiven einen grossen «Fortschritt, eine Befreiung vom Naturmalen » und einen «Übergang zum schöpferischen dekorativen Stil». Viola Radlach stellte darüber hinaus fest, dass die vereinfachten, konturierten Silhouetten den Cloisonismus oder Synthetismus der Schule von Pont-Aven um Paul Gauguin in Erinnerung rufen.

Unsere Gemälde repräsentiert den intensiven Prozess der Bildfindung für Amiets Werkgruppe «Obsternte», der in drei monumentale Fassungen mündete, die ihrerseits bedeutende Mosaiksteine einer wichtigen Schaffensphase des Künstlers sind. Das vorliegende Motiv ragt – zusammen mit den wenigen monochrom ausgeführten – als eigenständiges Werk aus dieser Folge heraus, weil Amiets spontaner expressiver Duktus in kontrastreichem Rot/Blau hier am stärksten überzeugt. Hier ist er auf Höhe der künstlerischen Hauptströmungen jener Epoche: des Expressionismus von Fauve und Brücke und des Kubismus.

Neben diesem gelangen weitere 16 Amiet-Werke aus der Sammlung Loeb im Juni zum Aufruf, darunter das 1910 entstandene kleinformatige Aquarell «Blaue Landschaft» und die beiden späteren Landschaften «Frühlingslandschaft mit gelb blühenden Bäumen» (1938) und «Gartent(h)or» (1931).

CUNO AMIET
Gartent(h)or. 1931.
Öl auf Leinwand.
85,5 x 65,5 cm.
Schätzung: CHF 70 000 / 100 000

 



Armband- & Taschenuhren | Schmuck & Juwelen




Patek Philippe, äusserst seltener Chronograph mit Ewigem Kalender, 1998.
Platin 950. Ref. 3970 E.
Schätzung: CHF 95 000 / 140 000




Patek Philippe, sehr seltene Jumbo Nautilus, ca. 1979.
Edelstahl. Ref. 3700/1.
Schätzung: CHF 40 000 / 60 000




Rolex Daytona Oyster Perpetual, 2012.
Edelstahl. Ref. 116520.
Schätzung: CHF 12 000 / 18 000

 


AQUAMARIN-DIAMANT-COLLIER, wohl RAYMOND C. YARD, um 1935.
Platin und Weissgold.
Schätzung: CHF 20 000 / 30 000




DIAMANT-ARMREIF, um 1880.
Roségold und Silber.
Schätzung: CHF 180 000 / 280 00




KASCHMIR-SAPHIR-DIAMANT-OHRHÄNGER.
Weissgold 750.
Schätzung: CHF 150 000 / 200 000



 


FRANÇOIS FERRIÈRE
Trompe-l'oeil: Puttenreigen.
Öl auf Karton auf Holz.
26 x 33,5 cm.
Ergebnis: CHF 44 000

Täuschend echt – echt täuschend

Rückblick auf die Auktion für Alte Kunst vom 29. März 2019

Das Auge zu täuschen – so lautet der erklärte Vorsatz der Trompe-l’oeil-Malerei. Schon die Antike kennt solcherlei Augentrug, wie Wandmalereien in Pompeji oder der berühmte, von Plinius d. Ä. überlieferte Wettstreit zwischen Parrhasios und Zeuxis belegen. Zwar lockte Zeuxis gemäss Plinius mit falschen Trauben Vögel an, doch liess er selbst sich von einem gemalten Vorhang des Parrhasios täuschen, den er aufzuziehen versuchte. Die Renaissance belebte vieles neu, darunter auch das Trompe-l’oeil. Neben raumillusionistischen Wand- und Deckenmalereien gehörte es zum guten Ton der malenden Zunft – etwa mit sogenannten «Quodlibet»-Bildern –, hyperrealistische Darstellungen zu meistern und die Betrachter damit in die Irre zu führen. Einer der Höhepunkte dieser Mode ist Cornelius Gijsbrechts «Rückseite eines Gemäldes» von 1670.

Das vorliegende Bildwerk stellt eine ausgesprochen originelle Spielart der illusionistischen Malerei dar, wie sie vor allem in der flämischen Kunst des 17. Jahrhunderts und im 18. Jahrhundert in Frankreich auflebte. François Ferrière versucht hier mit allen Mitteln, den Betrachter zu täuschen. Nicht nur durch einen illusionistischen Schattenwurf soll ein dreidimensionales Objekt vorgegaukelt werden, sondern auch durch an den Kanten unregelmässig ausgebrochenen Bildträger. Auf den ersten, vielleicht sogar auf den zweiten Blick wirkt das zweidimensionale Gemälde wie ein Fragment einer einer Steinbildhauerei oder eines Gipses im Halbrelief – ein Eindruck , ganz im Sinne des Künstlers. Die scheinbar aus dem Bildgrund herausragenden Köpfe und Körper der Putti erscheinen verblüffend plastisch, obwohl sie nur zweidimensional dargestellt sind. Ferrière gelingt hier in meisterhafter Manier die Manipulation des Publikums.




ABRAHAM VAN DIEPENBEECK
Die Rettung des Heiligen Paulus nach dem Schiffbruch.
Öl auf Holz.
34,5 x 27,5 cm.
Ergebnis: 72 500

Von der Leinwand aufs Glasfenster

Rückblick auf die Auktion für Alte Kunst vom 29. März 2019

Das in unserer März-Auktion Alter Meister vermittelte Gemälde ist eine von mehreren detailreich ausgearbeiteten Vorstudien von Abraham van Diepenbeeck (1596–1675) für die zehn Glasfenster der 1571 geweihten Dominikanerkirche St. Paulus in Antwerpen. Die um 1638 ausgeführten und inzwischen verlorengegangenen Glasmalereien thematisierten das Leben des Heiligen Paulus von Tarsus. Glasfenster von van Diepenbeeck, dessen Vater schon als Glasmaler tätig war, haben sich unter anderem in der Loretto-Kapelle des Antwerpener Karmeliterklosters und im Rathaus der Stadt erhalten. In seinen Antwerpener Jahren ab 1620 arbeitete van Diepenbeeck eng mit seinem flämischen Malerkollegen Peter Paul Rubens (1577–1640) zusammen, dessen stilistischer Einfluss in den erhaltenen Ölstudien und Zeichnungen erkennbar ist.

Das vorliegende Bildmotiv nimmt die in der Apostelgeschichte des Lukas festgehaltene Legende von Paulus’ Fahrt als Gefangener nach Rom auf. Paulus, der im Jahr 59 oder 60 dort vor das kaiserliche Gericht gestellt werden sollte, ahnte den bevorstehenden Sturm und prophezeite einen Schiffbruch: «Ihr Männer, ich sehe, dass diese Fahrt mit Leid und grossem Schaden vor sich gehen wird, nicht allein für die Ladung und das Schiff, sondern auch für unser Leben.» Der Sturm kam tatsächlich und das Schiff lief auf eine Sandbank und zerschellte, doch Paulus rettete sich wie alle anderen «zweihundertsechsundsiebzig Seelen» an die nahe Nordküste der Insel Malta, vermutlich in die Salina Bay vor dem Dorf Burmarrad. Van Diepenbeeck Gemälde hält jene Szene der Pauluslegende fest, in der der kraftlose «Völkerapostel» aus den Fluten gerettet und auf sicherem Boden aufgenommen wird. In der Sammlung des Städel Museums in Frankfurt am Main befindet sich eine lavierte und gouachierte Kreidezeichnung, die das gleiche Motiv im Querformat zeigt.




HANS WEIDITZ D. J. auch als PETRARCAMEISTER bekannt
Würfelnde Landstreicher und bäuerliches Paar, um 1525-30.
Feder in Schwarz, partiell laviert, auf Bütten. Mit Bütten alt hinterlegt.
18,1 x 22 cm. Gerahmt.
Ergebnis: CHF 120 500

Mit virtuos geführter Feder

Rückblick auf die Auktion für Alte Zeichnungen vom 29. März 2019

Ländliche Szenen wie die im März versteigerte – mit den links im Bild im Würfelspiel unterbrochenen Landstreichern und dem vorbeischreitenden Bauernpaar auf der rechten Flanke – waren in ihrer Entstehungszeit ausgesprochen en vogue: «Derbe Darstellungen dieses Themas erfreuten sich, von etwa 1520 an bis über die Jahrhundertmitte hinaus grosser Beliebtheit. Kupferstich und Holzschnitt trugen zu weiter Verbreitung bei. Bilder von bäuerlichen Drolerien und Kirchweih-Rummel waren in der Nachfolge Dürers bei den Nürnberger Kleinmeistern beliebt aber auch im schwäbischen Raum gefragt.» (Fritz Koreny) Offenbar erregt das Glücksspiel der am Wegrand lagernden Vagabunden bei dem Bauernpaar Missmut, wie der auf die Würfel deutende Zeigefinger und der grimmige Blick nahelegen. Der bei einem Gehöft aufgestellte Maibaum im Hintergrund und der geschmückte Hut des Bauern verweisen womöglich auf ein Fest, das das Paar zu besuchen gedenkt. Die Zeichnung entstand in einer Epoche, in der Künstlerpersönlichkeiten wie Martin Schongauer, Albrecht Dürer, Albrecht Altdorfer und andere die Motivwelt und ebenso die druckgrafischen Techniken revolutionierten. Die auf einem mittelgrossen Büttenbogen festgehaltene lavierte Zeichnung besticht durch die virtuos geführte Feder ihres Schöpfers. Die Zuschreibung des vorliegenden Werks erfolgte anhand von Vergleichen mit Holzschnitten von Hans Weiditz, bei denen sich zahlreiche motivische und stilistische Verwandtschaften ausmachen liessen, so etwa in den Holzschnitten zu Francesco Petrarcas «Von der Artzney bayder Glück / des guoten vnd widerwertigen. Vnnd weß sich ain yeder inn Gelück vnnd vnglück halten sol» (Augsburg, 1532). Besonders auffällig sind hier wie dort die ausdrucksstarken, bis ins Detail qualitätvoll durchgebildeten Gesichtszüge und die mit äusserster Sorgfalt ausformulierten Kleider der dargestellten Figuren. Über den um 1500 in Straßburg oder Freiburg geborenen deutschen Zeichner Hans Weiditz d. J., mitunter auch Petrarcameister genannt, ist bisher wenig bekannt. Zu wenige seiner Werke können bisher sicher zugeordnet werden. Zu den Stationen seines Schaffens dürften Augsburg, Straßburg und schliesslich bis zu seinem für 1536 nachgewiesenen Tod Freiburg im Breisgau gehört haben. Zu den für Weiditz belegten Arbeiten gilt eine Folge von Pflanzenaquarellen, die – entstandenen im Jahr 1529 und anschliessend umgesetzt in Holzschnitte – die dreibändige Ausgabe der Kräuterbücher «Herbarum vivae eicones» (Straßburg, 1530–1536) von Otto Brunfels illustrierte. Diese Aquarelle wurden 1930 in der Sammlung des Botanischen Instituts Bern wiederentdeckt.

Ein bedeutendes Schweizer Kunstmuseum hat diese Weiditz-Zeichnung für seine Sammlung erworben.




1 BRILLANT-RING, um 1960.
Platin 950.
Ergebnis: CHF 137 300

ReView

1 Bei diesem klassischen Solitaire-Modell eines Platin-Brillantringes besticht der facettierte Diamant durch seine ausgesprochen feine Qualität.

2 Adam Willaerts, dessen Familie aus Antwerpen stammte und der in London geboren wurde, gilt als einer der bedeutendsten Marinemaler des Goldenen Zeitalters. Ende des 16. Jahrhunderts widmete er sich im Norden der Niederlande der Genre- und Marinemalerei.



2 ADAM WILLAERTS
Flussmündung mit Galeere. 1620.
Öl auf Holz.
41,5 x 69,7 cm.
Ergebnis: CHF 84 500

3 EMAIL-DIAMANT-SAPHIR-BRACELET, DAVID WEBB, um 1960.
Gelbgold 750 und Platin 900, 114g.
Ergebnis: 28 100

3 Die originellen Frosch-Zwillinge dieses grün emaillierten, äusserst dekorativen Armreifs vom New Yorker Juwelier David Webb (1925–1975) waren eine sehr erfolgreiche Kreation.

4 Das vermutlich für einen privaten florentinischen Palazzo angefertigte Gemälde stammt von einem Schüler Lorenzo di Credis, einem der einflussreichsten Künstler der Hochrenaissance, der sich bei Leonardo da Vinci ausbilden liess.

5 Dieses Salbengefäss mit einem Frauenporträt auf der Schauseite stammt aus einer berühmten Majolikagruppe von Apothekenbehältnissen. Einige dieser so genannten Albarelli tragen die Wappen der Orsini und Colonna, zwei der einflussreichsten römischen Familien des 15. und 16. Jahrhunderts.

6 Mit seinem Motiv bezog sich Arnold Böcklin 1889 auf Peter Paul Rubens’ «Schlacht der Amazonen» (um 1680). Die dynamisch-kraftvolle Komposition lässt sich als Auflehnung der christlichen Moral gegen die entfremdete, unterdrückte Masse des Römischen Reiches interpretieren – eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Kulturen und somit ein zeitloses Phänomen.

4 TOMMASO DI CREDI
Madonna mit Kind und Johannes d. Täufer.
Öl auf Holz.
57,3 x 53,2 cm.
Ergebnis: CHF 65 300

5 MAJOLIKA ALBARELLO DES "ORSINI-COLONNA" TYPUS
Castelli d'Abruzzo, Werkstatt Orazio Pompei (1507-1589).
Um 1545-1555.
Ergebnis: CHF 13 700

6 ARNOLD BÖCKLIN
Der Kampf auf der Brücke. 1889.
Öl auf Holz.
96 x 149,5 cm.
Ergebnis: CHF 240 500

7 ZOOLOGIE
Merian Maria Sibylla.
Dissertatio de generatione et
metamorphosibus insectorum Surinamensium.
Ergebnis: CHF 132 500

7 Maria Sibylla Merian, Tochter des Bildchronisten Matthäus Merian d.Ä., begeisterte sich früh für Zoologie. 1699 bis 1701 durchreiste sie die niederländischen Kolonie Surinam und hielt die dortige Flora und Fauna in einzigartigen Aquarellen fest.

8 In einer Privatsammlung konnte dieses Gemälde des Antwerpener Manieristen de Cock wiederentdeckt werden. Es zeigt den Heiligen Antonius, der Versuchung des Weines widerstehend, der ihm von einer edlen Dame angeboten wird.


8 JAN WELLENS DE COCK
Die Versuchung des Heiligen Antonius.
Öl auf Holz.
27,7 x 37,2 cm.
Ergebnis: CHF 168 500

9 Horae B.M.V.
Stundenbuch.
Lateinische Handschrift auf geglättetem Pergament.
Ergebnis: CHF 78 500

9 Sieben grosse Miniaturen in Farbe und Gold mit reicher Bordüre, 17 fünfzeilige Prachtinitialen sowie viele zweizeilige Initialen in Gold und Farben schmücken dieses illustrierte Stundenbuch, das um 1480 für eine franziskanische Auftraggeberschaft entstanden sein dürfte.

10 Hyperrealistisches Tischgeschirr wie diese Schauterrine zierten im 18. Jahrhundert die Tafeln der Adelsfamilien; Straßburg zählte zu den Zentren der Fayence-Kunst.

11 Diese atmosphärische Darstellung einer nächtlichen Winterlandschaft mit einer Art Buvettenbetrieb stammt aus der Sammlung des TV-Produzenten Jef Rademakers, die Meisterwerke der niederländischen und belgischen Hochromantik vereinte.

12 Meissoniers skulpturales Schaffen – etwa 20 Bronzen – wurde erst nach seinem Tod entdeckt. Das Wachsoriginal dieser Darstellung Napoléons wird im Musée d’Orsay verwahrt. 180 000 Franken bedeuten einen Auktionsweltrekord für den Künstler.

10 TROMPE L'OEIL FAYENCE TERRINE IN FORM EINER SCHNEPFE
Strassburg, Periode Paul Hannong.
Um 1745-1754.
Ergebnis: CHF 32 300

11 ANDREAS SCHELFHOUT
Eisvergnügen mit "Koek-en-zopie" bei Nacht. 1849.
Öl auf Holz.
31 x 42,5 cm.
Ergebnis: CHF 90 500

12 JEAN LOUIS ERNEST MEISSONNIER (1815-1891)
Bronzefigur, "Napoléon à cheval" oder "Le voyageur", um 1900.
Bronze mit dunkler Patina.
L 59, H 48 cm.
Ergebnis: CHF 180 500





LOUISE NEVELSON
Cloud II. 1984.
Holz, bemalt.
84 x 115 x 6,5 cm.
Schätzung: CHF 50 000 / 70 000

Zentrum für künstlerische Nachlässe

In Zürich widmet sich eine neu gegründete Institution Nachlässen aus Kunst, Musik und Literatur

Sammlerinnen, Künstler, Musikerinnen und Schriftsteller: Alle vererben sie einmal ihre materiellen und immateriellen Werke und alle haben sie sich dabei zum Teil mit ähnlichen Fragen auseinanderzusetzen: Wer soll dereinst die künstlerischen und die kommerziellen Entscheidungen über die vererbten Werke treffen? Wie kann eine Strategie aussehen, um den künstlerischen Nachlass auch für zukünftige Generationen relevant und interessant zu halten? Wie lässt sich der finanzielle Wert eines künstlerischen Nachlasses schätzen und wie ist mit den urheberrechtlichen Besonderheiten bezüglich der immateriellen Werke in einer Nachlasssituation umzugehen? Damit diese und weitere Themenkomplexe rund um Nachlässe der Bereiche Kunst, Musik und Literatur mehr Aufmerksamkeit erfahren, haben der Rechtsanwalt Dr. Florian Schmidt-Gabain und der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Strässle das «Zentrum für künstlerische Nachlässe» (ZKN) gegründet.



Florian Schmidt-Gabain (l.) und Thomas Strässle (r.) haben
das Zentrum für künstlerische Nachlässe gegründet und
leiten es gemeinsam als Präsident und Vizepräsident.

«Das ZKN ist ein wissenschaftliches Zentrum, das Konferenzen, Seminare und Vorträge organisieren wird», beschreibt der auf Kunst- und Erbrecht spezialisierte Florian Schmidt-Gabain den Tätigkeitsbereich der neu gegründeten Institution mit Sitz in Zürich. «Indem sowohl die (Bildende) Kunst als auch die Musik und die Literatur im Fokus des ZKN stehen », ergänzt Thomas Strässle, der unter anderem Präsident der Max Frisch-Stiftung ist, «wollen wir eine fächerübergreifende Perspektive ermöglichen». Beide Gründer des ZKN unterstreichen, dass sie in ihren beruflichen Tätigkeiten ein starkes Bedürfnis nach Information und Wissen im Bereich der künstlerischen Nachlässe feststellen würden. «Um diesem Bedürfnis zu entsprechen, haben wir das ZKN ins Leben gerufen.» Neben künftigen Erblassern und Erben richtet sich das ZKN auch an weitere mit künstlerischen Nachlässen in Verbindung stehende Personen und Institutionen wie z.B. Verlage, Museen, Galerien, Restauratoren, Archive und Anwälte.

Die offizielle Eröffnung des ZKN findet am 21. November 2019 mit einer Konferenz in Zürich statt. Im Grossen Vortragssaal des Kunsthauses setzen sich die Referentinnen und Referenten unter anderem mit den Nachlässen der erst kürzlich wiederentdeckten schwedischen Pionierin der abstrakten Malerei, Hilma af Klint (1862–1944), und eines der bekanntesten Sammler der Schweiz, Emil G. Bührle, auseinander. Anmeldungen für die Konferenz können über www.zkn.ch vorgenommen werden.

Die Koller Auktionen AG verfügt über eine grosse Erfahrung bei der Bewertung und beim Verkauf von Sammler- und anderen Kunstnachlässen. Sie begrüsst deshalb die Gründung des Zentrums für künstlerische Nachlässe sehr und freut sich, dieses als Sponsorin unterstützen zu dürfen.




KOLLERview erscheint viermal jährlich,

die nächste Ausgabe folgt im Juni 2019

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde unseres Hauses

Mit Freude blicken wir auf ein erfolgreiches Auktionsjahr zurück, in dem wir in vielen von uns angebotenen Spezialbereichen nicht nur ausgezeichnete Zuschläge erzielen, sondern auch bemerkenswerte Verkaufsquoten verzeichnen durften.

Kees van Dongens «Ägypterin» ging im Juni für 1,75 Mio. Franken in eine deutsche Privatsammlung, nachdem wir dieses expressive Bildnis an Sondervorbesichtigungen in Genf, Düsseldorf, Zürich und Paris einem grossen Publikum vorstellen konnten. Und Emil Noldes 1918 entstandenes «Doppelbild (Sie seltsames Licht)» hat nach einem Bietergefecht, das schliesslich bei 1 Mio. Franken endete, sein neues Zuhause in einer bedeutenden Schweizer Kollektion gefunden (siehe S. 11).

Im März 2018 erreichten wir mit 538’000 Franken für ein Vanitas-Stillleben aus dem 17. Jahrhundert den zweithöchsten je an einer Auktion erzielten Preis für ein Gemälde von Carstian Luyckx. Für «Kiss» aus dem Jahre 1979 von John Chamberlain konnten wir im Juni den herausragenden Zuschlag von 530’000 Franken realisieren. Beide Ergebnisse illustrieren exemplarisch die viele Jahrhunderte umfassende Breite unseres Auktionsangebotes.

Zu den Tausenden Kunstwerken, die in den letzten zwölf Monaten durch unsere Hände gingen, gehörten unter anderem hervorragende Arbeiten von Lehmbruck, Boudin, Spitzweg, Dufy, Kirchner, Dix, Marquet, Renoir, Vlaminck, Chagall, Miró, Klee, Vasarely, Tobey, Warhol, Cragg, Soulages, Gertsch, Picasso, Poliakoff, Lichtenstein oder Haring bis zum Who’s who der Schweizer Malerei, das von Anker und Zünd über Hodler, Vallotton, Dietrich, Amiet, Giacometti, Segantini bis zu Itten, Lohse und Bill reichte. Dazu gesellten sich erfolgreiche Auktionen für seltene Kunstwerke aus China, für erlesene Möbel französischer Ebenisten, für Sammler-Silber, Juwelen und seltene Armbanduhren, für romanische und gotische Skulpturen sowie für Altmeister-Grafik und mittelalterliche Buchmalerei.

Vom 26. bis 29. März 2019 führen wir zum Auftakt des neuen Auktionsjahres unsere nächste Serie von Versteigerungen durch, die traditionell der alten Kunst gewidmet ist.

Im Juni 2019 folgen dann die Auktionen für Moderne und Zeitgenössische Kunst, Design, Art Déco und Jugendstil, Fashion und Sammleruhren, Schmuck und Schweizer Kunst, für die wir bis Mitte April Einlieferungen entgegennehmen. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich mit Ihrem Anliegen an unsere Spezialisten in Zürich oder an eine unserer Zweigstellen in Genf, Mailand, Düsseldorf oder München wenden. Unsere Schätzungen und Offerten im Hinblick auf unsere Auktionen sind kostenlos und unverbindlich. Allfällige Transporte und Zollformalitäten organisieren wir ebenso für Sie wie ein internationales Marketing für Ihre uns anvertrauten Kunstobjekte.

Wir freuen uns, für Sie und mit Ihren Kunstwerken arbeiten zu dürfen!

Ihr Cyril Koller


1 Jan van Noordt.
Die Begegnung von Preziosa und Don Juan
eine amouröse Szene.
Öl auf Leinwand. 131,5 x 172,5 cm.
Schätzung: CHF 100 000 / 140 000

Kunstsinniger Kurfürst, sensibler Don Juan

Vorschau auf die Auktion für Gemälde Alter Meister vom 29. März 2019

Gleich sechs verschiedene Porträts schufen Lucas Cranach d. Ä. und die Gesellen seiner wohlorganisierten Werkstatt von seinem Förderer Herzog Friedrich dem Weisen (1463–1525), Kurfürst von Sachsen, Freund der Künste und Wissenschaften. Cranach diente dem Herzog auch, indem er dessen bedeutende Sammlung von 19’000 Reliquien inventarisierte und in Holzschnitten festhielt. Das vorliegende Bildnis auf Buchenholz (Abb. 2) entstand vermutlich 1525 und damit im Todesjahr des Regenten, zuletzt öffentlich gezeigt wurde es im Jahr 1974. Und nicht nur die Cranachs und ihre Werkstatt porträtierten den kunstsinnigen Regenten, sondern auch Albrecht Dürer.



2 Lucas Cranach d. Ä. und Werkstatt.
Bildnis des sächsischen Kurfürsten Friedrich der Weise.
1525. Öl auf Buchenholz. 38,7 x 25,3 cm.
Schätzung: CHF 90 000 / 120 000



3 Peter Binoit.
Blumenstillleben in einer Engobevase.
Öl auf Kupfer. 20,5 x 15,8 cm.
Schätzung: CHF 80 000 / 120 000

Der in Frankfurt/Main und Hanau tätige Stilllebenmaler Peter Binoit (1590/91–1632) erinnert uns mit kleinen, beinahe versteckten Zeichen an die Vergänglichkeit unseres Daseins: In seinem opulenten Blumenbouquet (Abb. 3) finden sich neben ganz frisch erscheinenden Blüten auch solche, die bereits welken. Benoits meisterhafte Komposition und Pinselführung sowie die superbe Farbigkeit hauchen dem auf Kupfer gemalten Strauss Leben ein.

Jan van Noordt (1623–1681) bezieht sich in seiner grossformatigen «Begegnung von Preziosa und Don Juan» (Abb. 1) nicht auf künstlerische Vorbilder, sondern komponiert das Motiv völlig neu. Entgegen den Frauenheld-Klischees aus den literarischen Vorlagen erhält Don Juan auf diesem vielfach publizierten Ölgemälde weiche und verletzliche Züge.

Titelbild: Hans Weiditz d. J.
auch als PETRARCAMEISTER bekannt.
Würfelnde Landstreicher und bäuerliches Paar, um 1525-30.
Feder in Schwarz, partiell laviert, auf Bütten. 18,1 x 22 cm.
Schätzung: CHF 35 000 / 55 000




4 Arnold Böcklin.
Der Kampf auf der Brücke. 1889.
Öl auf Holz. 96 x 149,5 cm.
Schätzung: CHF 250 000 / 350 000

Böcklins Kraft und Rademakers Auge

Vorschau auf die Auktion für Gemälde des 19. Jahrhunderts vom 29. März 2019

Inspiration für sein monumentales Ölbild «Der Kampf auf der Brücke» (Abb. 4) holte sich der Schweizer Arnold Böcklin (1827–1901) bei Peter Paul Rubens. Wie in dessen «Schlacht der Amazonen» (um 1618) lässt Böcklin die wilde Kampfszene auf einer Brücke stattfinden, die es ihm erlaubt, die Bildfläche in verschiedene Zonen zu trennen. Der Kampf zwischen einem wohl germanischen Stamm gegen eine mutmasslich römische Armee füllt beinahe das gesamte Format aus. Damit rückt er den Betrachter nahe an das brutale und rohe Geschehen, die Pferde im Sprung sprengen fast den Rahmen. Böcklins Darstellung lässt sich als Auflehnung der christlichen Moral gegen die entfremdete, unterdrückte Masse des Römischen Reiches interpretieren.



5 Oswald Achenbach.
Fröhliche Gesellschaft in der Campagna mit Blick auf den Vesuv.
Öl auf Leinwand. 66,5 x 95 cm.
Schätzung: CHF 30 000 / 40 000

6 Carl Morgenstern.
Venedig mit Blick auf den Dogenpalast und Santa Maria della Salute. 1863.
Öl auf Leinwand. 54 x 89 cm.
Schätzung: CHF 60 000 / 80 000

Mit Carl Morgenstern (1811–1893) ist einer der Schüler Carl Rottmanns und zugleich einer der prägenden deutschen Italianisten in der Offerte vertreten. Auf zahlreichen Reisen sammelte Morgenstern Eindrücke, die er in atmosphärisch aufgeladene Darstellungen italienischer Küstenlandschaften und Stadtansichten wandelte. Seine jetzt angebotene Ansicht von Venedig mit Blick auf den Dogenpalast und Santa Maria della Salute (Abb. 6) entstand 1863. Sie ist ein veritabler Beleg für Morgensterns herausragende Fähigkeit, das Licht des Südens auf die Leinwand zu übertragen.

Sammlung Rademakers

Einige jetzt angebotene Meilensteine der niederländischen und belgischen Romantik des 19. Jahrhunderts stammen aus der Rademakers Collection. Die Sammlung des ehemaligen TV-Produzenten Jef Rademakers umfasst mehr als hundert Gemälde der Hochromantik von überwiegend niederländischen und belgischen Meistern. Zu den etlichen Glanzstücken, die jetzt in Zürich zum Aufruf kommen, zählen «Winterlandschaft mit ‹koek en zopie› bei Nacht» (Abb. 7) von Andreas Schelfhout (1787–1870) und ein von David Emil Joseph de Noter im Jahr 1847 vollendetes Prunkstillleben (Abb. gegenüber) in Kunstkammerformat. Bei beiden Künstlern wird die Beschäftigung mit der Kunst des 17. Jahrhunderts offenkundig.

7 Andreas Schelfhout.
Eisvergnügen mit "Koek-en-zopie" bei Nacht. 1849.
Öl auf Holz. 31 x 42,5 cm.
Schätzung: CHF 30 000 / 40 000

8 David Emil Joseph de Noter.
Prunkstillleben. 1847.
Öl auf Holz. 28,5 x 38,2 cm.
Schätzung: CHF 20 000 / 30 000



9 Prunkkassenschrank mit kaiserlichem Wappen.
sign. Haffner Frères, 8 passage Jouffroy Paris, wohl C.G. Diehl oder G. Grohe.
Paris, um 1860. 100 x 52 x 150 cm.
Schätzung: CHF 50 000 / 70 000

Virtuoses Handwerk, opulenter Dekor

Vorschau auf die Auktion für Möbel, Porzellan und Silber vom 28. März 2019

Die im 18. Jahrhundert in Norditalien und Südfrankreich perfektionierte Kunst der ‹Lacca povera› oder ‹Lacquer povera› berief sich auf asiatische Vorbilder. Chinesische und japanische Lackarbeiten gelangten in jener Zeit überaus zahlreich nach Europa und begeisterten zuerst die Handwerker und Auftraggeber in Venedig und Genua.



10 Trompe l’oeil Fayence Terrine in Form einer Schnepfe.
Strassburg, Periode Paul Hannong, um 1745-1754.
L 28, H 22 cm.
Schätzung: CHF 10 000 / 15 000

11 Seltene kreuzförmige Halsuhr mit Bergkristall.
wohl Conrad Kreizer, Deutschland, Ende 16. Jh.
4,5 x 3,3 x 1,7 cm.
Schätzung: CHF 60 000 / 80 000

Aus anfänglichen Nachahmungen entwickelte sich eine eigene Technik: Ausgeschnittene kolorierte Kupferstiche wurden auf Türblätter und Schubladen geklebt und dienten als Bildschmuck, nur das aufwändige Lackfinish in Sandarak-Naturharz erinnerte noch an Asien. Der figurative und florale Dekor der Aufsatz-Schreibkommode (Abb. 13) aus der März-Auktion ist exemplarisch: Vor idealisierten Landschaften geben sich die Abgebildeten vor allem den lieblichen Seiten des Lebens hin.

Ein prachtvoll dekorierter Kassenschrank von musealer Qualität und in perfekter Erhaltung kann dem in Paris tätigen Ebenisten Charles-Guillaume Diehl (1811–1885) zugeschrieben werden (Abb. gegenüber). Die handwerkliche Meisterschaft Diehls und seiner grossen Werkstatt sorgte an den Pariser Weltausstellungen von 1867 und 1878 für Furore. Die damals entstandenen Marketerie-Möbel finden sich heute in den weltweit wichtigsten Sammlungen. Der jetzt aufzurufende Prunkschrank soll im Jahr 1862 ein Geschenk der Stadt Paris an Kaiser Napoleon III. gewesen sein.

12 Schildpatt-Schmuckdose.
Basel 1714-1744. Meistermarke Hans Jakob D'Annone.
Silber, teilweise vergoldet, gegossen und graviert. Schildpatt. 12,4x9,2x8 cm.
Schätzung: CHF 6 000 / 10 000

13 Seltene Arte Povera Aufsatzschreibkommode.
Barock, Venedig, 18. Jh. 139 x 58 (92) x 238 cm.
Schätzung: CHF 100 000 / 150 000



14 M. S. Merian.
Dissertatio de generatione et metamorphosibus insectorum Surinamensium.
Den Haag 1726. / Histoire des Insectes de l'Europe, Amsterdam, 1730.
Schätzung: CHF 60 000 / 90 000



Exotische Fauna

Vorschau auf die Auktion für Bücher, Buchmalerei und Autographen vom 26. März 2019

und auf die Auktion für Zeichnungen und Aquarelle vom 29. März 2019

Das ausgehende 17. Jahrhundert war geprägt vom zunehmenden Interesse an der Natur. Maria Sibylla Merian (1647–1717) wuchs in einer künstlerisch tätigen Familie auf; ihr Vater, Matthäus Merian d. Ä. (1593–1650), zählte zu den wichtigsten Bildchronisten seiner Zeit. Sie selbst interessierte sich früh für Zoologie. Dass sich Maria Sybilla Merian der Flora und Fauna der niederländischen Kolonie Surinam widmete, entsprang einer Empfehlung: Der dortige Gouverneur regte Merian dazu an, eine Forschungsreise durch den Küstenstaat zu wagen.



15 Rudolf von Alt.
Blick in ein Schlafzimmer, 1859.
Aquarell über Feder in Grau, Bleistift, weiss gehöht.
33 x 40 cm.
Schätzung: CHF 7 000 / 9 000

16 Horae Beatae Mariae Virginis.
Lateinische Stundenbuchhandschrift auf Pergament.
Wohl Flandern, um 1460.
Schätzung: CHF 70 000 / 90 000

Die in den Jahren 1699 bis 1701 vor Ort von Merian angefertigten Zeichnungen und gesammelten Objekte bildeten die Vorlagen für eine Serie von 60 Kupferstichen. 1726 veröffentlicht in ihrem opus magnum, «Dissertatio de generatione et metamorphosibus insectorum Surinamensium.» (Abb. 14 und S. 9), machten sie die Künstlerin in ihrer Heimat postum bekannt. Zwei Eigenheiten der vorliegenden Ausgabe sind erwähnenswert: Zum einen umfasst der Band die beiden Hauptwerke Merians, denn neben den Surinam-Insekten ist die ebenso berühmte Abhandlung «Histoire des Insectes de l’Europe » von 1730 eingebunden. Zum anderen hat sich das Exlibris erhalten – ein ebenfalls von Merian gefertigter Kupferstich, der auf einen Erstbesitzer aus ihrem Umfeld schliessen lässt.

Prachtvolles Stundenbuch

Aus einer ganzen Reihe wertvoller Buchpreziosen ragt ein um das Jahr 1460 in Flandern entstandenes «Livre d’heures» heraus. (Abb. 16) Geschmückt ist das Gebets- und Andachtsbuch mit 17 prachtvollen Miniaturen in Gold und Farben, acht kleineren Miniaturen sowie 32 Bordüren. Auffallend virtuos und kenntnisreich ausgeführt sind seine Architekturdarstellungen. Dieses sehr sorgfältig illuminierte Exemplar war seit knapp fünf Jahrzehnten nicht mehr im Handel und liegt in einem bemerkenswert sauberen und breitrandigen Zustand vor.

14 M. S. Merian
Dissertatio de generatione et metamorphosibus insectorum Surinamensium.
Den Haag 1726. / Histoire des Insectes de l'Europe,
Schätzung: CHF 60 000 / 90 000



17 Sylvie Fleury.
Be Amazing. 2003.
Multiple. 62/100. 20 x 30 cm.
Ergebnis: CHF 2 200

ReView

17 Die Schweizer Objektkünstlerin Fleury präsentierte ihre unmissverständliche und dennoch ironische Aufforderung «Be Amazing» bereits in verschiedenen Formen – hier im Stil eines noblen Türschildes aus Messing.

18 In expressivem Duktus, beinahe schon dreidimensional brachte Giovanni Giacometti die Farben für seine Ansicht der bis über 3000 Meter aufsteigenden Sciora-Bondasca-Gruppe auf die Leinwand und zeigt sich damit als Meister der Farbe auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Der virtuose Umgang mit Licht und Schatten der Bergwelt zwischen Malojapass und Chiavenna prägte sein Lebenswerk. Dieses Gemälde stammt aus einer Schweizer Privatsammlung, in die es durch einen Ankauf beim Künstler selbst gelangte.



18 Giovanni Giacometti.
Bergell mit Blick auf die Sciora-Gruppe. 1931.
Öl auf Leinwand. 75,5 x 80 cm.
Ergebnis: 310 000

19 Pierre Soulages.
Ohne Titel. 1973.
Gouache auf Papier auf Leinwand. 75 x 54,5 cm.
Ergebnis: 324 000

19 Diese Gouache lebt durch den subtilen Kontrast zwischen den tiefschwarzen Balken und dem kräftigen, dazwischen aufleuchtendem Blau. Mit Gummirakeln strukturiert Soulages seine Bildfläche und legt die unter dem deckenden Schwarz liegenden Farbflächen frei. Diese in die Tiefe der Malschichten vordringende Schabtechnik dynamisiert die Bildkompositionen und fördert effektvolle Farbklänge zutage. Die auf diese Weise entstehenden Werke werden als Outrenoir-Bilder bezeichnet, also Arbeiten jenseits von Schwarz.

20 Roths Barwagen vereint in sich die vom Bauhaus geprägte Formenwelt und die bevorzugten Materialien des modernen Produktdesigns der frühen 1930er-Jahre. Vor allem die strenge Chromstahlkonstruktion verweist unmittelbar auf Möbelentwürfe von Mart Stam, Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe.

21 Lichtensteins plakative, am zeitgenössischen Comic orientierten Motive der Sechzigerjahre sind zu Ikonen der Nachkriegskunst geworden.

22 260 Werke von Otto Dix wurden 1937 von den Nazis als «Entartete Kunst» diffamiert. Der Künstler widmete sich fortan vorwiegend der Landschaftsmalerei. «Wintertag in Randegg» aus dem Jahr 1933 steht für diese Zeit, in der sich Dix' Maltechnik auf historische Vorbilder bezieht. Das Schweizer Museum zu Allerheiligen Schaffhausen sicherte sich den Zuschlag für dieses exemplarische Gemälde.

20 Alfred Roth.
Barwagen, Modell «1952», Entwurf 1932 für Embru.
99 x 33 x 73 cm.
Ergebnis: CHF 60 000

21 Roy Lichtenstein.
Crying Girl. 1963.
Farboffset. 43,2 x 58,4 cm.
Ergebnis: CHF 31 000

22 Otto Dix.
Wintertag in Randegg. 1933.
Mischtechnik auf Holz.
Ergebnis: CHF 170 000

23 Emil Nolde.
Doppelbild (Sie seltsames Licht). 1918.
Öl auf Leinwand. 60,6 x 56,2 cm.
Ergebnis: CHF 1 Mio

23 In Emil Noldes Porträts spiegelt sich das besondere Interesse des Künstlers an der menschlichen Seele, seine intensive Suche nach dem psychologischen Abbild seiner Gegenüber.

24Diese normannische Landschaft entsteht auf dem Höhepunkt von Dufys Karriere. Typisch für jene Schaffensphase sind sowohl der lockere, von leichter Hand geführte Duktus als auch das friedvolle, naturverbundene Motiv aus einer ländlichen Gegend im französischen Norden.


24 Raoul Dufy.
Paysage en Normandie ou Le Poirier. 1930.
Öl auf Leinwand. 60 x 73cm.
Ergebnis: 115 000

25 Adolf Dietrich.
Abendstimmung am Untersee. 1926.
Öl auf Karton. 32,7 x 42,9 cm.
Ergebnis: 480 000

25 Dietrich begab sich immer wieder auf die Suche nach einer farblichen und motivischen Übersteigerung der abgebildeten Landschaft. Abendstimmungen kommen in ihrem intensiven Kolorit dieser Intension besonders entgegen und gehören zu den eindrucksvollsten Werken des Künstlers.

26 Picasso hat seine Liebe zu Keramik bei einem Besuch der Keramikwerkstatt Madoura in Vallauris 1946 entdeckt. Mit grosser Leidenschaft schafft er zwischen 1947 und 1971 ca. 600 Werke – Alltagsgegenstände wie Krüge, Vasen, Teller und Aschenbecher, aber auch Skulpturen und Bildnisse.

27 Pablo Picasso. Tête en Forme d'Horloge. 1956. Teller. Gegossen und herausgegeben von Pierre und François Hugo. Silber. 19/20. D: 42,5 cm. Ergebnis: CHF 36 000 Auch dieser in kleiner Auflage produzierte Teller offenbart Picassos Talent, mit minimalen Mitteln Grossartiges zu schaffen.

28 Sonnenuntergänge zählen zu den bevorzugten Motiven von Vallotton. Dieses frühe, bei Honfleur entstandene Gemälde besticht durch seine exquisite Farbigkeit. Dank reduzierter Formen konzentriert sich der Blick des Betrachters auf die kühn gesetzten, beinahe unwirklich erscheinenden Farbflächen.

26 Pablo Picasso.
Hibou. 1968.
Keramik. 59/500. H: 30 cm.
Ergebnis: CHF 20 000

27 Pablo Picasso.
Tête en forme d'horloge. 1956.
Teller. Gegossen und herausgegeben von Pierre und François Hugo. Silber. 19/20. D: 42,5 cm
Ergebnis: CHF 36 000

28 Félix Vallotton.
Coucher de soleil jaune et vert. 1911.
Öl auf Leinwand. 54 x 81 cm.
Ergebnis: CHF 880 000


29 Pierre Soulages.
Eau-forte XX. 1972.
Farbaquatintaradierung. 43/100. 50 x 66 cm.
Ergebnis: CHF 23 000

29 Soulages’ reduzierte Form ist eines von mehreren Motiven einer Aquatinta-Folge, die in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre entstand. Hier wird der Einfl uss kalligraphischer Schriftzeichen aus Fernost besonders deutlich, doch anders als in seinen Outrenoir-Bildern spielt hier der Kontrast zum Schwarz nur eine Nebenrolle.

30 Mit diesem kleinformatigen Farboff setdruck zitiert Richter sein eigenes Ölgemälde «Umgeschlagenes Blatt» von 1965. Zugleich bezieht er sich auf das reizvolle Spiel zwischen Illusion und Wirklichkeit in der Malerei früherer Epochen, in dem er dem Betrachter mit seiner Darstellung etwas vortäuscht, das so gar nicht existiert.


30 Gerhard Richter.
Blattecke. 1967.
Farboffsetdruck. 593/739. 24 x 18 cm.
Ergebnis: 5 000

31 Edouard Marcel Sandoz.
Groupe de chèvres. 1937.
Bronze. H: 42 cm.
Ergebnis: 54 000

34 Tiffany Studios New York.
Twelve-Light-Lily Stehlampe. Um 1910.
Bronze und Favrile-Glas. H: 141 cm.
Ergebnis: CHF 36 000

31 Sandoz trat insbesondere als Tierbildhauer in Erscheinung, sein Oeuvre umfasst mehr als 1800 Skulpturen und 200 Porzellanmodelle. Die beiden in Bronze gegossenen Ziegen des in Basel geborenen und ab 1910 in Paris tätigen Sandoz stehen exemplarisch für seine realitätsnahen Darstellungen mit Anleihen aus Jugendstil und Art Déco.

32 Dieser exklusive Zeitmesser wurde aus Anlass des 175jährigen Gründungsjubiläums von Patek Philippe in nur 400 Exemplaren angefertigt. Ausgestattet ist die Herrenuhr mit einem hochfeinen Automatik Flyback-Chronographenwerk, sein neues Kaliber ‹CH 28-520› zeigt beispielhaft die Verbindung von Tradition und Innovation.

33 Die Amerikanerin Marcia Hafif nennt ihren unverkennbaren Stil mit abstrakten geometrischen Kompositionen und monochromen Farbfl ächen «Pop Minimal». Dieses Werk entstand während Hafi fs Jahren in Italien, jetzt hat es ein Schweizer Museum zur Ergänzung seiner Sammlung erworben.

34 Die «Twelve-Light-Lily» steht exemplarisch für die vom floral-dekorativen Jugendstil geprägte Formensprache der berühmten New Yorker Tiff any Studios.

32 Patek Philippe.
Jubiläums-Chronograph. 2015.
Gelbgold 750. Ref. 5975 J.
Ergebnis: CHF 60 000

33 Marcia Hafif.
Brown-yellow. 1963.
Acryl auf Leinwand. 140 x 140 cm.
Ergebnis: CHF 19 000


35 Pablo Picasso.
Tête de Marie-Thérèse. 19. Zustand. 1933/1961.
Kaltnadelradierung. 18/50. 31,8 x 23 cm.
Ergebnis: CHF 26 000

35 Dass Picasso auch ein grossartiger Meister der Kaltnadelradierung war, belegen viele Einzelblätter und Radierfolgen. Was sich durch Zustandsdrucke nur bei den Grafiken nachvollziehen lässt, ist die Genese seiner Motive. Durch fortwährende Bearbeitung der Kupferplatten entstehen Schritt für Schritt Motive neuen Ausdrucks.

36 Die Theodore Lux Feininger, dem jüngsten Sohn des Malers Lyonel Feininger, zugeschriebene Aufnahme dokumentiert eine der berühmten Theateraufführungen am Dessauer Bauhaus. Die abgebildeten Kostüme und das Bühnenbild stammen aus dem Sketch «Olga-Olga» der 1928 zur Aufführung kam.


36 Theodore Lux Feininger.
Aufführung Bauhaus Dessau. 1928.
Silbergelatine-Abzug. Vintage. 29,8 x 23,7 cm
Ergebnis: 13 000

37 Hermann Scherer.
Mendrisiotto. Um 1925/1926.
Öl auf Leinwand. 112 x 120 cm.
Ergebnis: 200 000

38 Hermès Paris made in France.
SAC "Birkin" 35 cm aus orangem Taurillon Clemence Leder.
2013. 35 cm.
Ergebnis: CHF 16 000

37 An diesem Bild ist der Einfluss des deutschen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner auf den Basler Künstler Hermann Scherer unschwer zu erkennen. Beide arbeiteten in Frauenkirch bei Davos gemeinsam und blieben bis zu Scherers frühem Tod befreundet. Das vorliegende Bild entstand im Tessiner Mendrisiotto.

38 Palladium Metallapplikationen. Mit Schlüssel, Schloss, Staubbeutel und Regenschutzhülle. In Originalbox. Neuwertig und in Originalverpackung.

39 Diese beiden mit feinen, weissen Naturperlen bestückten Ohrclips zitieren Jugendstilschmuck der Epoche um 1910. Jeder der Hänger ist mit vier kleinen Altschliff- sowie zehn Achtkant-Diamanten besetzt, deren Gesamtgewicht 2.20 ct. beträgt.

40 Gottardo Segantinis Farbpalette und Pinselführung lehnen sich eng an die Arbeiten seines Vaters Giovanni an. Beide widmeten sich immer wieder den Farbexperimenten des Divisionismus. Daneben einte beide Künstler die tief empfundene Verbundenheit mit ihrer Heimat, dem Engadin, das in diesem Bild über zwei seiner Oberengadiner Hausberge repräsentiert ist.

39 Naturperlen-Diamant-Ohrhänger.
Weissgold 750 und Platin 950, 25g.
Ergebnis: CHF 180 000

40 Gottardo Segantini.
Sera d'Inverno. 1919. Blick von Maloja gegen Piz Surlej und Corvatsch.
Öl auf Leinwand. 105 x 152 cm.
Ergebnis: CHF 140 000



Félix Vallotton
La Symphonie. 1897.
Holzschnitt. Probedruck. 32 x 43 cm.
Ergebnis: CHF 8 500



Eine Welt in Schwarzweiss

Félix Vallotton als Druckgrafiker

«Den knappsten Ausdruck für den grössten Inhalt.» Kein Geringerer als der deutsche Kunstpublizist Julius Meier-Graefe fasst 1898 in diesem Satz Félix Vallottons Handschrift als Grafiker zusammen. Bereits in jungen Jahren schafft es der 1865 in Lausanne geborene Vallotton, mit seinen Holzschnitten für Furore zu sorgen. Nicht zufällig befasst sich die erste Künstlermonografie über ihn ausschliesslich mit diesem Aspekt seines OEuvres. Zugleich währt die Phase der intensiven Arbeit an druckgrafischen Werken nur relativ kurz: Zwischen 1891 und 1898 entstehen rund 200 Holzschnitte und deutlich weniger Radierungen, Lithografien und Zinkografien – vornehmlich Porträts, Landschaften, Strassenbilder und Interieurs –, die damals sein Hauptbetätigungsfeld waren. Neben den freien Arbeiten schuf Vallotton eine grosse Zahl an Buch- und Magazinillustrationen sowie Karikaturen. Später sporadisch entstandene Grafiken erreichten nicht mehr das Niveau dieser frühen und enorm intensiven Schaffensphase.



Félix Vallotton.
Les Petites Baigneuses. 1893. Portfolio mit 10 Holzschnitten.
Vollständig. Je 12,5 x 16,5 cm.
Ergebnis: CHF 168 000

Félix Vallotton.
Les Petites Baigneuses. 1893. Portfolio mit 10 Holzschnitten.
Vollständig. Je 12,5 x 16,5 cm.
Ergebnis: CHF 168 000

Vallottons künstlerische Meisterschaft manifestiert sich in radikal gewählten Bildausschnitten, virtuos gesetzten Silhouetten und der ornamentalen Gesamtwirkung seiner Arbeiten. Er transformiert die Darstellung in Flächen, schöpft also unmittelbar eigene Bildwelten, die keine Abbilder sein wollen. So kommt unter anderem die zehnteilige Bildserie «Intimités» in den Jahren 1897/98 zu Papier und gilt als «krönender Abschluss seines Holzschnittwerks» (Rudolf Koella). Ähnlich meisterhaft ist die schon zuvor in Holz geschnittene Serie der «Instruments de Musique» (1896/97) und ebenso die jetzt verkaufte, frühe Holzschnitt-Folge «Les Petites Baigneuses» (1893). Zu jener Zeit kulminiert die Vallotton’sche Eigenart, sein virtuoser Umgang mit dem Flächenspiel von Schwarz und Weiss. Die Badenden strahlen dabei Leichtigkeit und Unbeschwertheit aus – ganz im Unterschied zu den Interieurs der «Intimités». Dort erscheinen, spannungsvoll, wie im Rampenlicht, die zehn jeweils von einem Paar belebten Interieurs. Wie beiläufig nutzt Vallotton Hintergründe und Oberflächen für sein Spiel mit Ornamenten. «Auch diese Holzschnitte sind im Grunde nichts anderes als ein satirischer Sittenspiegel der Zeit, der maliziös aufzeigt, was sich in der Intimität bürgerlicher Salons alles abspielen konnte.» (Rudolf Koella) Vallotton feiert mit diesen Werken internationale Erfolge und wird vielfach zu Ausstellungen eingeladen.

Von der Schweiz hatte es ihn, erst siebzehnjährig, in die Metropole Paris gezogen. Sein Studium absolviert er an der privaten Académie Julian, wo er unter anderem auf Maurice Denis, Pierre Bonnard und andere trifft, die sich – gemeinsam mit Vallotton – 1889 zu ‹Les Nabis› zusammenschlossen. Vallotton war sich früh darüber im Klaren, welchen Rang der Holzschnitt in seinem Werk haben würde, als er 1892 an seinen Bruder schrieb: «Mes bois font paraît-il leur petit chemin dans le monde, et me font beaucoup connaître.» Und tatsächlich finden die in Paris entstehenden Grafiken weite Verbreitung und wirken nachhaltig auf seine Kollegen, etwa die Brücke-Künstler Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff oder auch Wassily Kandinsky. Letzterer initiiert 1904 eine Ausstellung von Werken Vallottons in der Münchner ‹Phalanx›. Doch überzeugt nicht nur der Einfluss auf andere, sondern mindestens ebenso die Gültigkeit der Vallotton’schen Bildformeln als Spiegel einer Epoche: «Ist ein Stil so ungeheuer stark wie der Stil dieser Holzschnittvignetten, dann trägt er mehr als Buchillustration. Dann trägt er den ganzen Geschmack einer Zeit – einer Zukunft.» (Wilhelm Hausenstein)

Übrigens ging der Künstler nicht ganz so weit, wie Meier-Graefe ihm riet: «Vallotton hat aus dem Holzschnitt so viel gemacht, dass er getrost auf den Ehrgeiz verzichten könnte, auch als Maler zu zählen.» Vallotton bremste seinen Ehrgeiz nicht und reüssierte bis zu seinem Tod 1925 entgegen der Vermutung des Fachmanns auch als Maler.

Das in der Auktion vom 8. Dezember 2018 erzielte Ergebnis von CHF 168 000 für «Les Petites Baigneuses» bedeutet einen Auktionsweltrekord für eine Grafikfolge Vallottons.

Félix Vallotton.
Les Petites Baigneuses. 1893. Portfolio mit 10 Holzschnitten.
Vollständig. Je 12,5 x 16,5 cm.
Ergebnis: CHF 168 000



Andy Warhol.
Mickey Mouse. 1981.
Farbsiebdruck mit Diamantstaub. 63/200. 96,5 x 96,5 cm.
Ergebnis: CHF 168 000



Der Siegeszug von Mickey Mouse

Andy Warhol zeigt mit «Myths» amerikanische Ikonen der Moderne

Mit der zehnteiligen Siebdruck-Serie «Myths» von 1981 erweist sich Andy Warhol als profunder Kenner der Gesellschaft seiner Generation. Er zeigt moderne «Gottheiten» des 20. Jahrhunderts. Es sind zu Ikonen gewordene Repräsentanten einer Konsumgesellschaft, deren Inspirationsquellen vor allem die Medien und Hollywoods auf Hochtouren laufende Traumfabrik sind.



Robert J. Levin.
Andy Warhol with Myths, New York, 1981.
© Robert J. Levin.

Schon früh bewies Warhol ein untrügliches Gespür für die kraftvollen Motive seiner Zeit – Bilder, die die moderne Phantasie so vollständig erfassen, wie einst die Götter und Göttinnen der antiken Mythologie. Dabei versammelt seine Auswahl für «Myths» nicht nur vorbildliche Charaktere, sondern einen repräsentativen Querschnitt aus zwielichtigen, verwegenen, durchtriebenen, humorvollen und guten Typen, die durch Filme und Serien Berühmtheit erlangten: Mata Hari, Dracula, Superman und Santa Claus, aber auch typisch amerikanische Charaktere wie Howdy Doody, Mammy, Uncle Sam, The Wicked Witch of the West – und natürlich Mickey Mouse. Die meisten der Vorlagen stammen aus den 1940er- und 1950er-Jahren, als Warhol noch ein Kind war. Dass er sich mit einem Selbstporträt («The Shadow») wie selbstverständlich in diese prominente Folge einreiht, spricht Bände über sein Selbstverständnis

Der von Walt Disney und seinem frühen Wegbegleiter Ub Iwerks erfundene Mickey ist die weltweit wohl bekannteste Comicfigur. Am 15. Mai 1928 hat Mickey Mouse seinen ersten Auftritt im Stummfilm «Plane Crazy», im November folgt «Steamboat Willie», der bereits vertont in die Kinos kommt. Zwei Jahre später erscheint der erste Comic, der einen beispiellosen Siegeszug einleitet und Mickey Mouse zur Berühmtheit macht. Noch heute, 90 Jahre später, strahlt die «Marke Mickey Mouse» – und so wundert es nicht, dass sie um 1980 auch Andy Warhols Interesse weckte.

Filmische Wirkung

Warhol hatte einerseits einen sicheren Instinkt für Gegenstände der Alltagskultur, nahm aber wie ein sensibler Seismograph auch Ereignisse, Stars und Sternchen wahr, die seine Zeit prägten. Er unterzieht dieses «Rohmaterial» einer ganzen Epoche einer künstlerischen Metamorphose und schafft auf diese Weise neue Ikonen – nun sind es seine Ikonen. Der Farbsiebdruck erweist sich dabei als probates technisches Mittel, um schnell und effektiv zu vielfacher Repetition zu gelangen. Denkt man heute an Marilyn Monroe, hat man unweigerlich Warhols Porträtserie aus dem Jahr 1967 von ihr vor Augen. Fallen die Markennamen «Campbell’s» oder «Brillo», türmen sich im Geiste Suppendosen und Seifenboxen in Warhol-Manier auf.

Die technische bedingte Uniformität der Kompositionen hob der Künstler durch Überlappungen und Verwischungen der Vorlagen auf, was zu einer beinahe filmischen Wirkung der statischen Bilder führte. «Doch ist bei näherem Betrachten diese ‹sensation of time› genauso trügerisch wie in seinen ersten Filmen: Es handelt sich immer um die gleiche Einstellung und um die gleiche Siebdruckvorlage.» (Ernst Beyeler). Als Erwachsener erklärte Warhol, dass er eine Kulturikone wie Mickey Mouse sein wolle. Im Mickey-Mouse-Siebdruck taucht die Figur überraschenderweise das erste Mal in Warhols Werk auf. Vielleicht erhielt sie deswegen ein glamouröses Diamantenstaub-Finish.

Auktionsweltrekord

Heute ist das «Myths»-Portfolio eine der gefragtesten Werkgruppen von Andy Warhol. Das erste Mal ausgestellt wurden die zehn Motive 1981 in der Ronald Feldman Gallery in Manhattan. Um die Eröffnung dieser Schau herum begleitete der renommierte US-amerikanische Fotograf Robert J. Levin den Künstler im Auftrag des deutschen Magazins ‹Stern› und dokumentierte diese wichtige Ausstellungsstation.

Die hier abgebildete Mickey Mouse konnte an unserer Auktion vom 8. Dezember 2018 für CHF 168 500 in neue Hände vermittelt werden – ein neuer Auktionsweltrekord für diesen Farbsiebdruck.



Lina Augustin.
No key, no pressure. 2017/2018.
Acryl und Öl auf Papier.
83 x 62 cm.



KOLLERNOW 2019

Ausstellung junger deutscher Künstler der Akademie der Bildenden Künste München

Koller Auktionen startet in diesem Frühjahr eine neue Ausstellungsreihe in der Münchner Repräsentanz. Mit der neuen Ausstellungsreihe «KOLLERNOW» sollen junge Künstlerinnen und Künstler mit Bezug zur bayrischen Landeshauptstadt gefördert werden.



Marc Avrel. Blinky da Vinci.
Die Waffe meines Ernstes nach K. Klapheck. 2018.
Mischtechnik.
80 x 50 x 52 cm.

Ralf Dereich.
Sculp019. 2014.
Gips, Pigment und Acryl.
37 x 36 x 36 cm.

In einem von Global Playern dominierten Kunstmarkt haben junge, Aufbauarbeit leistende Institutionen und Galerien einen immer schwierigeren Stand. Für junge Kunstschaffende wird es daher immer aufwendiger, erste Schritte in Richtung Wertschätzung und Marktetablierung zu gehen. Wie entscheidend die Möglichkeit auszustellen gerade zu Beginn einer künstlerischen Karriere ist, hat auch der New Yorker Galerist David Zwirner erkannt: Er schlug vor, junge Galerien auf den Kunstmessen finanziell zu entlasten, um ihnen künstlerische Experimente zu ermöglichen.

Neben den in Zürich stattfinden Auktionen für Zeitgenössische Kunst bietet Koller Auktionen mit «KOLLERNOW» Absolventen und Studierenden der Akademie der Bildenden Künste München die Gelegenheit, neue Werke zu zeigen. Die Kuratorin Dina Renninger lädt hierfür jeweils drei bis fünf Künstlerinnen und Künstler aus den Klassen von Prof. Markus Oehlen, Prof. Karin Kneffel und Prof. Nicole Wermers (ehemals Professur Karstiess/Prangenberg) ein.

In der ersten Ausstellung, die vom 14. März bis 12. April 2019 zu sehen sein wird, werden Marc Avrel, Ralf Dereich, Daniel Man und Lina Augustin – Absolventen und Studierende der Klasse Prof. Markus Oehlen – zu Gast sein. Mit einer spannungsgeladenen Begegnung denkbar unterschiedlicher Konzepte von Malerei, Skulptur und Zeichnung treten diese vier jungen Kunstschaffenden in einen temporären Dialog.

Marc Avrels (*1981) Verständnis des Crossover prägt sein Leben und seine Kunstwerke entscheidend. Mit grosser Radikalität und Leidenschaft verwischt er die Grenzen künstlerischer Disziplinen. Er hinterfragt, kommentiert und reflektiert aktuelle politische, gesellschaftliche, digitale und künstlerische Entwicklungen.

Ralf Dereichs (*1976) Werke entstehen durch spontane und subtile Arbeit. Kunstimmanent, sich auf malerische und bildhauerische Mittel beschränkend, entwickelt der Künstler eine Bildsprache, die universell und einzigartig zugleich ist. Seine Arbeiten eröffnen neue Bildräume und halten den Betrachter durch ihre Vielschichtigkeit und Impulsivität ständig in Bewegung.

Daniel Man (*1969) kommt aus der Graffiti-Szene, seine Arbeiten tragen bis heute die Handschrift der Streetart. Mans farbintensive und pulsierende Werke finden nicht mehr nur im urbanen Raum, sondern auch auf musealer Ebene Anklang.

Lina Augustins (*1986) Werke verbinden auf überzeugende Weise intensive Bilder mit einer einfachen und dabei eindringlichen Sprache. Poesiegeladene Bildwelten eröffnen im Zusammenklang mit Augustins Texten den Betrachtenden die Möglichkeit, eine imaginäre eigene Geschichte zu konstruieren.

Daniel Man.
Total mission. 2017.
Mischtechnik auf Leinwand.
130 x 190 cm.




LUCAS CRANACH D. Ä. UND WERKSTATT
Bildnis des sächsischen Kurfürsten
Friedrich der Weise. 1525.
Öl auf Buchenholz. 38,7 x 25,3 cm.
Ergebnis: CHF 264 000

AUKTIONSNACHBERICHT

Gemälde, Zeichnungen und Grafik Alter Meister und des 19. JahrhundertsMöbel und Dekorative Kunst – Schmuck & Juwelen – Bücher, Buchmalerei & Autographen

Auktionen in Zürich: 26. – 29. März 2019

VERKÄUFE VON ÜBER 100% DES SCHÄTZWERTS UND HOHE ZUSCHLÄGE:
DIE AUKTIONEN DER ALTEN MEISTER UND GEMÄLDE DES 19. JAHRHUNDERTS BEI KOLLER

Die Auktionen der Gemälde Alter Meister und des 19. Jahrhunderts bei Koller in Zürich am 29. März spielten über 100% des Schätzwertes ein. Ein Porträt seines Förderers, des sächsischen Kurfürsten Friedrichs des Weisen, von Lucas Cranach und seiner Werkstatt, erzielte stolze CHF 264‘000, was nahezu eine Verdreifachung der Schätzung darstellt. Arnold Böcklins kraftvoll-dynamischer „Kampf auf der Brücke“ wechselte für CHF 240‘000 den Besitzer.



JAN WELLENS DE COCK
Die Versuchung des Heiligen Antonius.
Öl auf Holz. 27,7 x 37,2 cm.
Ergebnis: CHF 168 000



CARL MORGENSTERN
Venedig mit Blick auf den Dogenpalast
und Santa Maria della Salute. 1863.
Öl auf Leinwand. 54 x 89 cm.
Ergebnis: CHF 72 000

Zu dem weiteren Toplosen zählten eine wiederentdeckte Arbeit von Jan Wellens de Cock, die CHF 168‘000 einbrachte, und eine Arbeit von Gerrit Dou, die CHF 156‘000 realisierte. Unter den Gemälden des 19. Jahrhunderts wurden für Carl Morgensterns leuchtende Ansicht von Venedig CHF 72‘000 und für die humorvolle Darstellung eines Botanikers auf Schmetterlingsjagd von Carl Spitzweg CHF 114‘000 erzielt

Die Sammlung des niederländischen Filmemachers Jef Rademakers brachte ebenfalls sehr gute Ergebnisse, darunter CHF 90‘000 für eine nächtliche Eislaufszene von Andreas Schelfhout.

Auch die anderen Kapitel des Hauses erzielten in der Auktionswoche starke Verkaufsquoten, und in jeder Auktion wurden bedeutende Einzelzuschläge verzeichnet. Die Auktion für Bücher, Buchmalerei und Autographen vom 26. März etwa offerierte eine prächtig illustrierte Arbeit von Maria Sybilla Merian über die Insekten von Surinam, die ihre Vorverkaufsschätzung mit einem Zuschlag von CHF 132‘000 nahezu verdoppelte. Ein reich illustriertes botanisches Unikat von Johann Simon Kerner wurde – nach langem Bietgefecht – mit CHF 72‘000 für das sechsfache der Schätzung verkauft.

ANDREAS SCHELFHOUT
Eisvergnügen mit "Koek-en-zopie" bei Nacht. 1849.
Öl auf Holz. 31 x 42,5 cm.
Ergebnis: CHF 90 000



 



Ausgewählte Highlights

ARNOLD BÖCKLIN
Der Kampf auf der Brücke. 1889.
Öl auf Holz.
96 x 149,5 cm.
Ergebnis: CHF 240 000



GERRIT DOU
Eine Heringsverkäuferin mit Dienstmädchen in einer Nische.
Öl auf Holz.
46 x 36,2 cm.
Ergebnis: CHF 156 000

MARIA SYBILLA MERIAN
Dissertatio de generatione et metamorphosibus
insectorum Surinamensium.
Den Haag, 1726.
Ergebnis: CHF 132 000



 

CARL SPITZWEG
Der Schmetterlingsfänger (Botaniker). Um 1836/37.
Öl auf Leinwand.
29,8 x 24,5 cm.
Ergebnis: CHF 114 000



WEIDITZ, HANS D. J. auch als
PETRARCAMEISTER bekannt
Würfelnde Landstreicher und bäuerliches Paar.
Um 1525-30. Feder in Schwarz, partiell laviert.
Ergebnis: CHF 120 000



JEAN LOUIS ERNEST MEISSONNIER
Bronzefigur, “Napoléon à cheval” oder
“Le voyageur”, um 1900.
L 59 cm, H 48 cm.
Ergebnis: CHF 180 000



 

ÜBER KOLLER AUKTIONEN

Koller ist das führende Schweizer Auktionshaus mit Repräsentanzen in München, Düsseldorf, Mailand, Beijing und Moskau. Pro Jahr führt Koller über 80 Auktionen in 20 Fachbereichen durch. Das Spektrum an Sammelgebieten erstreckt sich dabei von Asiatica, Alter und Zeitgenössischer Kunst bis hin zu Schmuck und Fashion & Vintage. Regelmässig erzielt Koller Rekordpreise und kann sich eines international breit gefächerten Bieterpublikums erfreuen. Mit einem Team ausgewiesener Experten für jedes Fachgebiet vereinigt das Familienunternehmen die Vorteile eines international tätigen Auktionshauses mit Schweizer Effizienz und Verlässlichkeit.