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拍品 3047 - Z28 瑞士艺术 - Donnerstag, 24. Juni 2010, 02.00 PM

GIOVANNI GIACOMETTI

(Stampa 1868–1933 Glion)
Strada, sciogliere della neve (Schneeschmelze). Um 1915.
Öl auf Leinwand.
Unten rechts monogrammiert: GG. Rückseitig signiert und bezeichnet: Giovani Giacometti. Stampa.
38 x 46,5 cm.

Literatur: Müller, Paul und Viola Radlach: Giovanni Giacometti, Werkkatalog der Gemälde, Band II/2, Zürich 1997, S. 388 Abb. 1915.24. Nur zögerlich entlässt der Winter die kleine Ortschaft in Giovanni Giacommetis Schneeschmelze aus seinem Griff. Noch bedeckt der grau gewordene Schnee ihre Gärten und Strassen, aus den blauvioletten Wolken des dunkel verhangenen Himmels droht neues Gestöber. Schnell erledigen die wenigen Menschen auf der Dorfstrasse ihr Geschäft und ziehen den Kopf gegen den Wind ein. In kalten Grisailletönen hat der Maler die Stimmung an diesem düsteren Spätwintertag modelliert, doch gleichzeitig lässt er mit kräftigem und unruhigem Strich und Komplementärkontrasten von Blau-Gelb und Rot-Grün die Landschaft in ihrer Vorfreude auf den Frühling gleichsam vibrieren. Über den Zaun in der linken Bildhälfte nicken die vertrockneten Blütenstände der Hortensien wie kleine Zuschauer, die ihre blauen Kaputzen fest übergezogen haben; über ihnen lodern noch einige Blätter wie kleine Flammen in den Bäumen. Die Wiesen, fahl und gelb geworden, haben ihr Winterkleid schon fast abgeworfen. Und die Hausecke im Vordergrund rechts stemmt sich mit kräftigem Rot der kühlen Bise entgegen, die aus dieser virtuosen Landschaft zu wehen scheint. Wie sehr der Maler stets das Ende der dunklen Jahreszeit herbeisehnt, wird aus einem Brief vom 18. Februar 1910 deutlich: "Für uns sind die trüben Tage auch vorbei und die Sonne scheint nun wieder auch durch unsere Fenster. Da weiß man was für ein Leben in den Sonnenstrahlen liegt. Ich ertrage gerne diese zwei Monate Schatten, um diesen Augenblick zu genießen wo die Sonne wieder goldig reich und warm über die Berge kommt und mein Atelier überflutet." Neben seiner Vitalität ist dieses Werk aus einem weiteren Grund bemerkenswert, nämlich kulturhistorisch. In der rechten Bildhälfte hat Giacometti an prominenter Stelle einen Leitungsmast platziert. Dieser für den modernen Betrachter gleichermassen unliebsame wie selbstverständliche Gegenstand war 1915, im Entstehungsjahr des Bilds, noch keineswegs alltäglich. Denn es handelt sich um einen Telefonleitungsmast, der hier möglicherweise mit Telegrafenleitungen kombiniert war. Geographisch mag das Bergell, die Heimat der Giacometti , weit abgelegen von den Zentren Europas liegen. Was allerdings die Versorgung mit Strom und Telefonverbindungen betrifft, war das Bündner Tal auch im Vergleich mit anderen Ländern am Puls der Zeit. Elektrizität war im Bergell und dem angrenzenden Engadin durch die überall verfügbare Wasserkraft vergleichsweise einfach und billig zu erzeugen - insbesondere im Vergleich zu den beträchtlichen Preisen für Kohle, Gas und Benzin, die insbesondere während des Ersten Weltkriegs enorm stiegen. Und so investierten die Graubündner Hoteliers in grossem Umfang, um ihre internationale Klientel mit elektrischer Beleuchtung und Telefon zufrieden zu stellen. Bereits 1880 verfügte das Palace in Maloja bei Stampa, damals das teuerste Hotel der Schweiz, über ein eigenes Kleinwerk zur Erzeugung elektrischer Energie, wenige Jahre später erstrahlten auch Hotels, Theater und öffentliche Plätze in Pontresina und Davos im strahlend hellen Licht der damals üblichen Bogenlampen. Sägereien, Schreinereien und Mühlen folgten und versorgten bald auch private Haushalte mit Strom. Ebenso zügig erfolgte der Ausbau der Telefonleitungen. St. Moritz verfügte 1902 über ein Telefonnetz, Sils 1902, und Maloja wurde 1914 angeschlossen. Als Giacometti 1915 unsere Schneeschmelze malte, war diese bahnbrechende Neuerung in seinem Heimatgebiet also gerade in Betrieb gegangen. Davon abgesehen, dass sich der hochaufragende Telefonmast und die diagonal nach links unten fluchtenden Leitungen in der Bildkomposition grossartig als graphisches Gliederungs- und Gestaltungselement nutzen liessen, muss die Telefonie Giacometti in ganz besonderem Masse fasziniert haben. Bereits u.a. in seinen Werken Erntebild mit Gewitter von 1912 (Museum der Werner Coninx Stiftung, Schweiz) und in der Nächtlichen Winterlandschaft mit Piz da la Marga von 1913 (Privatbesitz) sind schemenhaft Leitungsmasten erkennbar. Umso deutlicher hat Giacometti in der Schneeschmelze an den oberen Spitzen der gebogenen Arme des Masts die Porzellanglocken skizziert, die als Isolatoren dienten. Dass er den Leitungsmast gekrümmt gemalt hat, dürfte übrigens durchaus naturalistisch sein: Damals wurden im Bergell wie auch im Tessin oft krumm gewachsene Stämme der heimischen Kastanienbäume verwendet. Das ebenfalls in dieser Auktion angebotenen Gemälde Paesaggio d'inverno von 1927 (siehe Los 3044) dokumentiert sogar den technischen Fortschritt gegenüber der Schneeschmelze von 1915, indem Giacometti in dem späteren Werk einen dreiteiligen Träger darstellte, sozusagen ein Nachfolgemodell, an dem bereits 20 oder gar 50 Telefonleitungen montiert werden konnten. Auch 1922 sind sie in mehreren Landschaften mehrfach nachweisbar. Dass Giacometti diese technischen Details in seine Landschaften integrierte, ist deswegen so bemerkenswert, weil die Masten die einzigen Zeichen der längst begonnen Industrialisierung sein dürften, die sich überhaupt in Giacomettis Landschaftsmalerei finden lassen. Mag aus den Bildern seine Pariser Malerkollegen schon Jahrzehnte zuvor der Rauch der Lokomotiven quillen, Schauffelraddampfer den Vierwaldstädtersee durchpflügen, Industrieanlagen wachsen oder in den Städten Europas längst die Strassenbahnen kreischen: der durchaus welterfahrene Giacometti und sein Oeuvre scheinen davon völlig unberührt geblieben zu sein. Den Alpen und der bäuerlichen Kulturlandschaft allein galt sein Interesse. Mit der Schneeschmelze allerdings ist in seinem Heimattal das Telekommunikationszeitalter angebrochen. Wir danken Herrn Kurt Stadelmann, Museum für Kommunikation in Bern, für seine Hinweise.

CHF 200 000 / 300 000 | (€ 206 190 / 309 280)

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