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Lot 1738* - A187 Photographie - Dienstag, 04. Dezember 2018, 16.00 Uhr

ERWIN BLUMENFELD

(1897-1969)
Hat Fashion, Dior, New York, 1946.
Silbergelatine-Abzug. Vintage.
33 × 26,7 cm.
Verso gestempelt vom Estate, eigenhändig vom Künstler bezeichnet "18", signiert von Lisette Blumenfeld Georges und Yvette Blumenfeld Georges Deeton. Unter Passepartout, gerahmt.

Literatur:
- William A. Ewing. Erwin Blumenfeld 1897-1969: a fetish for beauty: sein Gesamtwerk. Kilchberg, 1997 (vgl. Tafel 94, leicht abweichend).

Provenienz:
- Sammlung Lisette Blumenfeld Georges, Tochter des Künstlers.
- Sammlung Yvette Blumenfeld Georges Deeton, Enkelin des Künstlers.
- Phillips, Photographs, New York, 4. April 2017, Los 296.
- Sammlung Schweiz.

Der Photograph deutsch-jüdischer Herkunft wächst in Berlin auf und muss aufgrund des frühen Todes seines Vaters im Alter von 16 Jahren seine schulische Ausbildung abbrechen und von nun an die Familie miternähren. Seine erste Aufnahme, ein Stillleben, entsteht bereits mit zarten 10 Jahren. Von da an beginnt er sich mit dem Medium der Photographie auseinander zu setzen und zu experimentieren. 1917 wird er von der deutschen Armee an die Westfront eingezogen und muss als Krankenwagenfahrer und später als Buchhalter des Feld-Bordells dienen. Sein Desertationsversuch auf einem Heimaturlaub missglückt, und er wird verhaftet und eingesperrt. Nach dem Krieg lebt er mit seiner Frau Lena Citroen in Amsterdam. Als Sonntagsmaler hält er sich über Wasser und beteiligt sich aktiv an der niederländischen Dada-Bewegung. 1923 eröffnet er ein Lederwarengeschäft mit Taschen. Dort beginnt er damit, seine Kundinnen zu portraiteren und stellt die Bilder in seinem Schaufenster aus. 1935 geht sein Taschengeschäft Konkurs, so dass er sich entschliesst, eine Karriere als professioneller Photograph zu beginnen. In Paris macht er Bekanntschaft mit namhaften Künstlern wie Georges Rouault oder Henri Matisse, denen er auch seine ersten finanziellen Erfolge zu verdanken hat. Cécil Beaton wird auf den jungen, eifrigen Photograph aufmerksam und verhilft ihm zu einem Vertrag bei der französischen Vogue. Von nun an holt er seine Frau und seine Kinder Lisette, Heinz und Yorick nach Paris. 1939 reist er zum ersten Mal in die USA und erhält dort einen Vertrag bei Harper’s Bazaar. Aufgrund des Zweiten Weltkrieges ist die Familie gezwungen Paris zu verlassen und emigriert 1942 in die USA. Dort erlebt er den finanziellen Höhepunkt seiner Karriere, gehört zu den bestbezahlten Modephotographen seiner Zeit und wird auch für seine Aktphotographien geschätzt. 1944 kehrt Blumenfeld zu Condé Nast zurück, das Haus, das ihn wohl auch für die vorliegende Aufnahme beauftragt hat. In den 1960er Jahren arbeitet Blumenfeld an seiner Biographie, die Zeit seines Lebens nie publiziert werden soll, da sie von den Verlegern als zu abstossend und geschmackslos bewertet wird. Erwin Blumenfeld stirbt am 4. Juli 1969 in Rom, wo er auch begraben wird.
Zu Lebzeiten konnte Blumenfeld nur einen kleinen Teil seines Werkes ausstellen oder veröffentlichen. Das ist auch der Grund, weshalb die breite Öffentlichkeit nie des ganzen Spektrums seines photographischen Oeuvres kundig werden konnte. Obschon er zahlreiche Modemagazine, Photofachzeitschriften und Illustrierten mit seinen Bildern belieferte, wurden die meisten seiner Photographien nie publiziert. Nur gelegentlich wurden Blumenfelds Arbeiten in Gruppenausstellungen gezeigt.
Das weibliche Model blickt an uns vorbei, ihre Augen hat sie nach unten links gerichtet, als seien wir inexistent. Der untere Bereich des Gesichts, ihr mit Lippenstift geschminkter Mund, ihr linkes Ohr und ihr gesamter Hals werden vom markanten Spitzkragen verdeckt. Hervor sticht ebenso der voluminöse und extravagante Hut im Querformat, der einen Grossteil des Bildes einnimmt. Dennoch ist er an den seitlichen Rändern abgeschnitten und nicht vollständig abgebildet. Das Gesicht des Models wird von einem Schatten bedeckt, der sich auf ihrem Haupt wie zwei sichelförmige Hälften projeziert. Ihre Augenbrauen hat sie angehoben, diese bilden gleichsam zwei Streifen auf der sonst glatten und faltenlosen Haut. Der Bildhintergrund erscheint monochrom, und lediglich eine Stange am linken Bildrand verläuft senkrecht zur Bildkante.
Blumenfeld schafft es in einer einmaligen Perfektion das Maximum aus dieser Modedarstellung herauszuholen. Ohne Kontext würde man die vorliegende Aufnahme nicht unbedingt in den Bereich der Fashion photography einordnen. Das Bild erinnert an das Genre des Film Noir der 1940er Jahre, insbesondere aufgrund des High Key-Effekt, der den Schlagschatten auf dem Gesicht verursacht. Blumenfeld ist ein Meister der graphischen Gestaltung. So weiss er es mit den einfachen, ihm zur Verfügung stehenden Mitteln seine Bilder so zu komponieren, dass sich darin ein Spiel von Hell und Dunkel, Licht und Schatten, Form und Gestalt, Fläche und Inhalt ergibt. Graphisch könnte man das Bild wie einen Farbverlauf in verschiedene Bildflächen einteilen: so gibt es tiefe schwarze Töne, wie auf dem Hut und dem Kleid, weichere graue Töne, auf dem Halstuch und Hintergrund, und einen nahezu ausbleichenden Weisston in der rechten Gesichtshälfte der Portraiterten.
Blumenfeld war der Überzeugung, viel vom Werk eines schöpferischen Photographen sei ein Mittel zum Zweck, nicht aber der Zweck selbst: „Anfänglich machte ich Bilder, weil es mir gefiel… Heute, viele Jahre später, bekomme ich interessante Honorare dafür, Bilder zu machen, die anderen Leuten gefallen… Ich bin nicht ein frustriertes Beispiel für jemanden, der über den verhallenden Ruf nach Kunst verrückt geworden ist… Tatsache ist, dass ich regelmässig und recht gut esse.“ (Erwin Blumenfeld zit. nach „Smuggled Art“ in: Commercial Camera, Dezember 1948, S. 2-10, hier nach Ewing 1997, S. 110). Um als Modephotograph überleben zu können, musste man äusserst produktiv sein und aufgrund von Zeitmangel und Lieferfristen war es nicht unüblich über den Tellerrand hinaus zu schauen und Ideen zu adaptieren. So inspirierte Blumenfeld nicht zuletzt namhafte Photographen wie Richard Avedon, Irving Penn oder Peter Lindbergh in ihrem Schaffen, liess sich selbst aber von Kollegen wie Cécil Beaton, Horst P. Horst oder Man Ray anregen.

„Obwohl er Modefotos von grosser Eleganz geschaffen hat, ist doch viel von dem, was die Seiten von Harper’s Bazaar und Vogue füllte, recht banal. Der Fotograf war dabei zu sehr von den Forderungen der Modeschöpfer und Bildredakteure bedrängt – insbesondere dem Zwang, die Kleider in aller Deutlichkeit zu präsentieren -, als dass er sich in der Lage gesehen hätte, jene prächtige und mysteriöse Atmosphäre zu erschaffen, die ihn auszeichnete.“ (Ewing 1997, S. 111).

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