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Lot 1105 - A192 Decorative Arts - Donnerstag, 18. Juni 2020, 14.00 Uhr

SCHÖNE KOROMANDELLACK-KOMMODE

Louis XV, Paris um 1740/50 mit späterer Änderung.
Holzkern schwarz gelackt in französischem Vernis im "gout chinois", die Schubladenfronten sowie die Seitenmotive mit geschweiften Bronzeeinrahmungen. Darstellungen einer Gartenlandschaft mit Figurenstaffage und Boot auf See. Die Seiten mit diversen Symbolen und Objekten. Trapezförmiger, dreiseitig geschweifter und bombierter Korpus auf wellig ausgeschnittener Zarge und geschweiften Beinen. Vergoldete, teils spätere Bronzebeschläge und Filets sowie Sabots. Späteres hellgraues Marmorblatt.
130 x 65 x 87 cm.

Kleinere Risse. Restaurierungen, die Schürze später vom Korpus entfernt und an der Schublade befestigt.

Provenienz:
- Schweizer Privatsammlung.

Unter den chinesischen Kunstobjekten, welche bereits im 15. und 16. Jh. über die spanischen und portugiesischen Entdecker und Kaufleute nach Europa gelangten, zogen insbesondere die Objekte aus Porzellan und Lack für Aufsehen und Bewunderung auf sich, da sie in Europa zu jener Zeit nicht herstellbar waren. Während der Durchbruch zur Herstellung von Porzellan in Europa erst 1710 in Meissen gelang, gab es bereits ab dem 15. Jh. erste europäische Lackerzeugnisse. Allerdings kamen diese in Qualität und Dauerhaftigkeit nicht an die asiatischen Lacke heran, da der Firnis sich relativ rasch eintrübte und brüchig wurde.

Den Grundstoff für den Lack bildet der Saft des Lackbaumes, den es nur in China, Japan und Korea gab. Sowohl Versuche die Bäume in Europa anzupflanzen wie auch den Saft des Baumes nach Europa zu bringen scheiterten, da der Saft die Seereise nach Europa nicht überstand. Die ältesten Lackarbeiten stammen aus China und wurden 1300 v. Chr. gefertigt. Im 9. Jahrhundert entwickelten japanische Künstler neue Techniken: Sie streuten Gold- und Silberstaub in den Lack, woraus sog. Streubilder (Maki-E) entstanden. Später wurden die Lackarbeiten auch durch Schnitzerei, Bemalung, Gravierung und Intarsierung veredelt. Bei der Herstellung von Dekorationen für Möbel und Ähnliches wurden bis zu 40 hauchdünne Schichten Lack übereinander aufgetragen und poliert. Der so entstandene Lack war wasser- und säureresistent und sogar kochendes Wasser konnte ihm nichts anhaben.

An den europäischen Höfen entwickelte sich ab dem 17. Jh. eine eigentliche Chinamode. Kunsterzeugnisse aus Japan und China waren in dieser Zeit wesentliche Bestandteile der höfischen Sammlungen in Holland, England und Frankreich. Besonders gefragt bei den Lackarbeiten waren Schreibkabinette, Truhen und Kästen, die von der Englischen Ostindischen Gesellschaft insbesondere aus Japan und ab 1632 aus China eingeführt wurden.
Auch Louis XIV kaufte für die Erweiterung von Schloss Versailles zahlreiche chinesische Porzellane, Seidenstoffe und Lackmöbel, die er nicht als Kabinettstücke verwahrte sondern in die Einrichtung integrierte. Diese neue Mode verbreitete sich schnell in der höheren Gesellschaft; ein beachtlicher Handel entstand Ende des 17. Jh., der die Erzeugnisse hauptsächlich in Holland beschaffte. Auch wurden Lackarbeiten direkt in China in Auftrag gegeben und nach Europa gebracht.

Obschon Quellen bedeutende frühe Lacksammlungen in Frankreich bezeugen, sind im Vergleich mit anderen europäischen Ländern relativ wenige fernöstliche Lackmöbel erhalten geblieben. Hingegen finden sich häufiger Möbel im Stil Louis XIV bis Louis XVI, welche ausgeschnittene Lackpanneaus beinhalten. Man kann vermuten, dass Franzosen, nach dem Auslaufen der Mode, ohne sentimentalen Hang zur Aufbewahrung der altmodisch gewordenen Möbel à la chinoise, die Stücke auseinandernahmen und in à la française umarbeiten liessen. Einzelne Paneele von asiatischen Möbeln wurden entfernt und im neuen französischen Stil integriert. Wegen der grossen Flächen waren dabei Paravents beliebt, wie es auch bei unserer Kommode der Fall sein könnte. Dabei wählte man für die Frontseite oft ein Bild mit diagonal angeordneten Architekturelementen, da diese diagonale Linien eine perspektivische Ansicht am besten vermitteln.

Die hier vorgestellte Kommode wurde im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln in der Ausstellung "Leuchtend wie Kristall" präsentiert (16. März bis 20. Mai 2002). Die Lackpaneelen auf der Front wurden dabei als Teile eines chinesischen Koromandellack-Stellschirms beschrieben. Unsere Untersuchungen der Kommode, insbesondere aber die Abänderungen an der Schürze lassen vermuten, dass die Kommode nicht ursprünglich für diesen Dekor vorgesehen war und es sich bei der Lackarbeit wohl eher um eine französische Arbeit im "gout chinois" handelt. Eine genaue Datierung dieses später auf die Kommode gekommenen Lackdekors ist jedoch schwer möglich.

Literatur:
Masako Shôno-Sladek, Leuchtend wie Kristall. Lackkunst aus Ostasien und Europa. Köln 2002. S. 37 (Abb. 38).

CHF 60 000 / 100 000 | (€ 61 860 / 103 090)