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Lot 1040 - A192 Decorative Arts - Donnerstag, 18. Juni 2020, 14.00 Uhr

Die Seckendorff'sche Kommode
HOCHBEDEUTENDE UND SELTENE BAROCKKOMMODE DES FRANCOIS LIEUTAUD (CA.1665-1748) NACH EINEM ENTWURF VON JEAN BERAIN, AUS DEM BESITZE DES REICHSGRAFEN CHRISTOPH FRIEDRICH VON SECKENDORFF-ABERDAR (1679-1759) DIPLOMAT UND BRANDENBURG-ANSBACHISCHER MINISTER

Frankreich, Paris um 1728/30.
Amaranth auf Eichenkorpus furniert und parkettiert. Längsformatiger Korpus auf vier elegant geschweiften Beinen und leicht bogenartig ausgeschnittener Zarge. Randgefasstes und profiliertes Blatt mit eingelassenen Messingfilets und gefriest parkettierter Fläche. Die Front in zwei Schubladenränge unterteilt. Vier obere, rechteckige Schubladenfronten und zwei untere Schubladen, bogenförmig ausgeschnitten, als Rahmung der vergoldeten Bronzemaske. Sehr feine Handhaben mit Rosettenschmuck und ebenfalls fein überarbeiteten Schlüssellochzierden. Die Sabots aus Rankenwerk als Palmetten geformt und gelockt endend. Die Schmalseiten, gleich der gesamten Front und den Beinen, mit Messingfilets und dünneren Schattenfilets gerahmt. Die Flächen wiederum mit gefriesten Bandmotiven à chevrons parkettiert. Massive Schlösser mit vergoldeten Abdeckungen. Der Schlüssel mit Wappen des Reichsgrafen von Seckendorff-Aberdar.
80 x 130 x 65 cm.

Provenienz:
- Wohl durch Carl-Friedrich-Wilhelm, Markgraf von Brandenburg-Ansbach (1712-1757) um 1730 bei François Lieutaud in Paris erstanden und später als Geschenk an seinen Minister:
- Reichsgraf Christoph Friedrich von Seckendorff-Aberdar (1679-1759), Diplomat und brandenburg-ansbachischer Minister
- Durch Erbfolge in derselben Adelsfamilie bis:
- Auktion Sotheby’s Zürich, 1. Dezember 1998, Los Nr. 353
- Schweizer Privatbesitz

Die hier angebotene Kommode ist direkt inspiriert vom mittleren Teil einer Kommode, für die der Entwurf um 1700 von Jean Bérain gezeichnet und von Mathieu Daigremont gestochen wurde. Unsere Kommode ist somit sehr nahe verwandt mit der um 1695 zu datierenden Kommode, welche sich in der Wallace Collection in London findet (Inv. Nr. F 405) und die dem Entwurf Bérains auch in der Gestaltung der Schmalseiten und der Beine entspricht.

Die Anordnung von sechs Kommodenschüben, verteilt auf drei Schubladenränge, in der Art wie sie unsere Kommode aufweist, erinnert an die Entwürfe des André-Charles Boulle, wie wir diese im Möbelbau an einer Kommode umgesetzt finden, welche sich in den Sammlungen der Herzöge von Roxburghe befand (Auktion Christie’s London, 31. Mai 1956, Los Nr. 159). Ebenfalls typisch für die Arbeiten Boulles ist die Anordnung einer Maske zwischen zwei Schüben, eingelassen in eine gemuldete Vertiefung, so wie sie unsere Kommode aufweist und wir sie an zwei Kommoden in den Sammlungen des Louvre in Paris finden (Inv. Nr. OA 5477 und OA 5478).

Unsere Kommode entspricht dem gereiften, ästhetischen Empfinden im französischen Möbelbau kurz nach der Regierung Louis XIV und ist also in die Zeit um 1730, in die Régence zu datieren.

Owohl nicht signiert, kann die Seckendorff’sche Kommode, mit Sicherheit dem Ebenisten François Lieutaud (ca.1665-1748) zugewiesen werden. François Lieutaud wurde um 1665 in eine Familie von Bildhauern geboren. Nach seiner Ausbildung zum Tischlermeister, welche Lieutaud in Marseille absolvierte, zog er zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach Paris, wo er sich als Ebenist voll entfalten und eine einzigartige Karriere erleben durfte. Lieutaud war Grossvater des berühmten Balthazar Lieutaud, der das Familienunternehmen noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts weiterführte.

Der Einfluss von André-Charles Boulle auf das Werk Lieutauds ist gerade an der Seckendorff -Kommode sehr gut ersichtlich. Lieutaud fertigte seine Bronzen meist nach eigenen Entwürfen und Modellen, liess aber auch Bronzen speziell für einen Auftrag fertigen. Die aussergewöhnliche Fähigkeit, welche Lieutaud in Bezug auf die Anpassung an verschiedene Modeströmungen besass, zeigt sich besonders auch am Schreibtisch der Grafen Palffy (Auktion Sotheby’s Monaco, 8. Dezember 1989, Los Nr. 603) und vor allem am Schreibtisch in Schloss Berchtesgaden (Wittelsbacher Ausgleichsfond, Langer 1995, Nr. 73). Beide Schreibtische sind einem weiteren, etwas früher zu datierenden Schreibmöbel aus der Sammlung James A. de Rothschild in Waddesdon Manor, sehr verwandt. Ein wiederum diesem letzteren Schreibmöbel sehr ähnlicher Schreibtisch, welcher sich im Pariser Kunsthandel befand, weist eine Marketerie mit sogenannten Chevrons (Fischgrätmuster) auf, welche der Oberflächenfurnierung unserer Kommode entspricht.

Die sich an der Seckendorff’schen Kommode befindlichen Bronzen, als herausragendes Zierelement, finden sich an verschiedenen Werken Lieutauds wieder, so an einem von Lieutaud gestempelten Bureau plat in der Ansbacher Residenz.

Die Seckendorff’sche Kommode nimmt in der Chronologie der Stilentwicklung im Werk Lieutauds eine herausragende Rolle ein, ganz besonders für seine Kommodenmöbel, welche nach 1730 entstanden sind.

Die eigentliche Bedeutung unserer Kommode liegt aber nicht nur in ihrer ausserordentlichen Stellung, welche sie im französischen Möbelbau einnimmt, es ist der Einfluss vor allem, den sie in den Jahren nach 1730 auch auf die deutsche Möbelkunst ausübte, die nicht unerwähnt bleiben darf.

Die Frage nach der ursprünglichsten Provenienz der Seckendorff’schen Kommode stellte sich bereits anlässlich des Verkaufs der Kommode 1998. Damals war man davon ausgegangen, dass diese wohl immer in Seckendorff’schem Besitz war. Dr. Christoph Graf von Pfeil stellte aber in seiner nur ein Jahr nach der Zürcher Sotheby’s- Auktion erschienen Publikation zu den Möbeln der Ansbacher Residenz fest, dass die Seckendorff’sche Kommode von Lieutaud wohl in den Jahren zwischen 1728-30 durch den Ansbacher Hof und seinen Regenten, Carl-Wilhelm-Friedrich (regiert 1723-1757) in Paris für die Residenz angekauft wurde und erst zu späterem Zeitpunkt durch den Markgrafen an seinen sehr verdienten Minister Reichsgraf Christoph-Friedrich von Seckendorff-Aberdar als Schenkung überging. Die Reichsfreiherren und Reichsgrafen von Seckendorff bekleideten während des ganzen 18. Jahrhunderts wichtigste Stellungen in der Markgrafschaft Ansbach. Christoph-Friedrich von Seckendorff war unter Markgräfin Christiane-Charlotte und bis zum Tode ihres Sohnes, des Markgrafen Carl-Wilhelm-Friedrich Premierminister und Geheimer Ratspräsident. Durchaus wäre es dem Reichsgrafen Seckendorff möglich gewesen, über die Verbindungen des markgräflichen Hofes in Paris direkt bei Lieutaud kaufen zu können. Doch ist der Ankauf eines so ungeheuer teuren Möbels, auch für einen wohlhabenden fränkischen Adeligen für die damalige Zeit kaum vorstellbar. Die Schenkung des Möbels durch den Markgrafen an seinen verdienten Minister ist deshalb der Schlüssel zur wirklichen Provenienz des Möbels, das mindestens 250 Jahre in Seckendorff-Besitz verblieb. In die Zeit der Datierung unseres Möbels, also um circa 1730, fällt auch der Kauf verschiedener Möbel in Paris durch den Hof in Ansbach, darunter ein erhaltenes Bureau plat, welches von Lieutaud gestempelt ist und identische Schlüsselschilder und Sabots aufweist, wie wir diese an unserer Kommode vorfinden. Der Ebenist war dem Ansbacher Hof bekannt und so ist mit allergrösster Sicherheit davon auszugehen, dass auch unser Möbel in die Reihe dieser Ankäufe bei Lieutaud fällt. Diese Möbel, insbesondere aber wohl unsere Kommode, dürften einen wichtigen Einfluss auf die Möbelproduktion eines der bedeutendsten deutschen Ebenisten des 18. Jahrhunderts, den Ansbacher Hofebenisten Martin Schuhmacher, gehabt haben. Schuhmacher war 60 Jahre lang, von 1720 bis 1781 Ebenist in Ansbach. Die schlichte aber so unglaublich elegante Linienführung unser Kommode, besonders aber deren Furnierung mit der Parketterie „à chevrons“ wurde von Martin Schuhmacher unmittelbar nach Eintreffen der Lieutaud-Möbel aus Paris, in der Hofwerkstatt umgesetzt, so ganz besonders eindrücklich am Schreibschrank mit verspiegelten Türen, um 1730/40 (Residenz Ansbach, 2. Vorzimmer der Markgräfin, Gobelinzimmer, R 14) und am Kommodenpaar des Meisters Schuhmacher, Ansbach, um 1730/40 (Residenz Ansbach, 1. Vorzimmer Gästeappartement, Monatszimmer, R 23). So gehört denn kein Möbel so sehr wie die Seckendorff’sche Kommode in diese bedeutende Reihe von Möbeln, welche alle untrennbar mit der Ansbacher Residenz und seines Markgrafen, Carl-Friedrich-Wilhlem verbunden sind.

Unser Dank gilt den Herren Dominique Augarde, Thomas Boller und Jean Nérée Ronfort (†) für die Katalogisierung bzw. Überarbeitung des Katalogtextes zu der hier angebotenen Kommode.

Vgl.
Dr. Christoph Graf von Pfeil, Die Möbel der Residenz Ansbach, München, 1999, Seite 27 mit Abbildung der Seckendorff’schen Kommode von François Lieutaud und S. 98 -102 für den Schreibschrank und das Kommodenpaar von Martin Schuhmacher für die Residenz Ansbach.

Peter Hughes, The Wallace Collection, Catalogue of Furniture II, London, 1996, Abb. S. 637 für die Kommode nach dem Entwurf von Bérain.

Brigitte Langer, Die Möbel der Residenz München, Die französischen Möbel des 18. Jahrhunderts, München, 1995

CHF 150 000 / 250 000 | (€ 154 640 / 257 730)

Verkauft für CHF 165 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr