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Lot 3220 - Z28 Impressionismus & Moderne - Donnerstag, 24. Juni 2010, 16.00 Uhr

EGON SCHIELE

(Tulln a.d.D. 1890–1918 Wien)
Erotische Szene (Selbstportrait). 1911.
Bleistift auf Simili-Japanpapier.
Oben rechts signiert und datiert: Egon Schiele 1911. Verso mit dem Nachlassstempel: Nachlass Egon Schiele zudem verso handsigniert EL (Sammlung Erich Lederer).
48 x 31,5 cm.

Provenienz: - Nachlass Egon Schiele - Sammlung Erich Lederer, Genf. Es ist der Blick. Dieser leicht verschattete, eigenartig teilnahme- und leidenschaftslose Blick, mit dem der junge Schiele uns als Betrachter unverwandt ansieht, uns zu Zeugen dieser Erotischen Szene macht, jede moralische Empörung mit Gleichgültigkeit quittiert, der dieses Blatt so faszinierend macht. Obwohl Egon Schiele seinen Kopf ganz an den oberen Rand gesetzt hat und er nur etwa ein Sechstel der gesamten Bildfläche einnimmt, beherrschen seine Augen uns und das Geschehen. Fesselnd ist die Spannung zwischen der höchstpersönlichen Handlung, die die kniende, nur in der Rückansicht gezeigte Frau ausübt, und dem desinteressierten Ausdruck des Augenpaars, das überdies uns und nicht seine Partnerin fixiert. Er gibt sich ihr nicht hin. Sein Körper mag beteiligt sein, doch seine Seele bleibt ihr fremd und allein im Augenblick höchster Intimität. Dass wir wie gebannt immer wieder zu Schieles Gesicht zurückkehren und den Rest eigentlich nur als Eindruck, als flüchtiges Zitat eines Akts wahrnehmen, liegt vor allem an der Bleistiftzeichnung, die sich auf seinen Kopf konzentriert, nur diesen durch einige Striche akzentuiert und alles andere durch feine, häufig unterbrochene oder im Nichts endende Linien andeutet, die die Fragilität der Personen betonen. Schiele fragmentiert die Körper und lässt weg, was ihn nicht interessiert - letztlich auch die Persönlichkeit der Frau, deren Bedeutung sich in ihrer Handlung erschöpft. Allenfalls seiner linken Hand gilt noch seine zeichnerische Aufmerksamkeit, die in ihrer expressiven Geste die Reglosigkeit seines Gesichtsausdrucks in Frage stellt. Die Erotische Szene, diese bemerkenswerte Kombination von erotischer Zeichnung und Selbstportrait, vereint bereits mit der Intensität des Blicks, der Expressivität des Gestus und der Gattung des Selbstportraits die charakteristischsten Elemente des Schaffens von Egon Schiele. Ihr Entstehungsjahr markiert den Beginn der wohl künstlerisch interessantesten Phase seines Schaffens. Von jedem Einfluss der Akademie befreit und vom Stil seines zeitlebens bewunderten Mentors Gustav Klimt weitgehend emanzipiert, gibt sich Schiele mit einer gewissen Hemmungslosigkeit seiner ausgeprägten Experimentierfreude hin. Allerdings ist er finanziell völlig auf sich gestellt. Der Verkauf von Zeichnungen an Freunde und Gönner hält ihn, wie wir aus seiner Korrespondenz wissen, oft genug nur mühsam über Wasser. Die Qualität dieser einzigartigen, auch im Werk Schieles singulären Zeichnung wird durch ihre Provenienz bestätigt, denn sie stammt aus der Sammlung Erich Lederer. Erich Lederer war in der Fachwelt als Sammler und Kunstexperte insbesondere für Gustav Klimt und Egon Schiele anerkannt und hoch geschätzt. Dies unter anderem deswegen, weil er schon in jungen Jahren Schieles Talent erkannte und bei Schiele selbst zeichnen lernte. Erich Lederer war der Sohn von August und Serena Lederer, einer wohlhabenden österreichischen Industriellenfamilie, die schon im Wien der Jahrhundertwende eine bedeutende Kunstsammlung aufgebaut hat und zu den Förderern der Wiener Secession und Gustav Klimts gehörte. Klimt selbst speiste jeden Donnerstag bei den Lederes und er war es auch, der Egon Schiele den Kontakt zu den Lederes vermittelte. Ihr Sohn Erich, damals 15jährig, war bereits so fasziniert von dem seinerzeit noch unbekannten Maler, dass er sich von seinem eigenen Geld ein Portrait von Schiele wünschte. Kurz vor Weihnachten 1912 reiste Schiele daher in das ungarische Györ, wo August Lederer eine heruntergekommene Spirituosenfabrik in ein florierendes Unternehmen verwandelt hatte und sich ein komfortables Herrenhaus erbauen lies, ausgestattet von der Wiener Werkstätte. Egon Schiele fertigte bei dieser Gelegenheit Portraitstudien aller Mitglieder der Lederer-Familie an; sein Portrait des Erich Lederer von 1912 ist heute im Kunstmuseum Basel zu sehen. So wurde der Grundstein zu Erich Lederers eigener Schiele-Sammlung wie zur persönlichen Freundschaft zu dem sieben Jahre älteren Künstler gelegt. Viele Briefe und Postkarten Schieles an Erich Lederer bezeugen, wie der junge Sammler in den Jahren bis zu Schieles frühzeitigem Tod 1918 diesen immer wieder durch Abkäufe und Spenden von Malmaterial unterstützte. Das hier angebotene Blatt erwarb er aus dem Nachlass Egon Schieles, der auf dessen Mutter und Schwestern gekommen war. Erich Lederer, der die Reste der einst atemberaubenden Kunstsammlung seiner Eltern erbte, musste nach dem Zweiten Weltkrieg weitere wertvolle Stücke - u.a. Gustav Klimts berühmten Beethoven-Fries - im Austausch gegen Exportbewilligungen in der Republik Österreich zurücklassen, als er in die Schweiz zog. Ein bedeutendes Konvolut von Schiele und Klimt Zeichnungen verblieb aber bis zu seinem Tod 1985 in Genf in seinem Besitz, wie auch diese hier angebotene Erotische Szene (Selbstportrait).

CHF 200 000 / 300 000 | (€ 206 190 / 309 280)

Verkauft für CHF 288 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr