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Lot 1442 - A168 Silber & Porzellan - Montag, 24. März 2014, 14.00 Uhr

BEDEUTENDES SOCKELELEMENT,

Meissen, um 1727-1733.
Das Modell von Georg Fritzsche oder Johann Gottlieb Kirchner. Die Bemalung möglicherweise von Johann Gregorius Höroldt. Konisch geschwungene Form mit seitlichen gerollten Aktanthusblatthandhaben gehöht in Grün und Gold, rückwärtig appliziert mit einer geflügelten Kartusche, auf einem profilierten Metallfuss montiert. Bemalt auf der Frontseite mit der Darstellung Maria Himmelfahrt, dabei vor einer Stadtansicht mit himmelwärts erhobenen Händen und auf die Knie fallende Apostel, die sich vor dem leeren Grab versammeln, in dem nur noch das Leichentuch zu finden ist und der zum Himmel aufsteigenden Mutter Gottes huldigen. Die Mutter Gottes im Kreis von Engeln, die Blüten herabwerfen. Die zungenförmige Kartusche mit seitlichen Flügeln, bemalt mit der Verkündigung Marias. Ränder und Rückseite mit reichem Goldgitter- und Rollwerk. Unterglasurblaue Schwertermarke auf der Innenseite des Sockels. H 29,5 cm ohne Montierung, B 30 cm. Diverse Haar- und Feuerrisse, Akanthusblätter am Rand mit alter Restaurierung.

Provenienz: Aus altem Zürcher Privatbesitz. Dieses bisher völlig unbekannte und noch undokumentierte Fragment, ist aufgrund seiner Qualität ganz offensichtlich Teil eines bedeutenden religiösen Artefakts, das der sächsische Kurfürstenhof in der Meissener Manufaktur in Auftrag gegeben hat. Aus der Frühzeit in Meissen sind relativ wenige Skulpturen mit religiöser Thematik bekannt, Als früheste Heiligenfigur in Porzellan ist ein 45 cm hoher Apostel Johannes aus einer Kreuzigungsgruppe von 1719 erhalten. Erst durch J.G. Kirchner entstanden seit Ende 1731 im Auftrag Augusts II. mehrere bedeutende religiöse Porzellanskulpturen, wie die Pieta in weissem Porzellan und eine grosse Madonna mit Kind auf einer Weltkugel, teilweise farbig staffiert, auf einem Sockel mit reichem Figurenschmuck und dem ‚Hl. Antonius von Padua nebst Postament' (Dresden, Inv. P.E. 406). Die Manufaktur hatte 1731 vom König einige Zeichnungen von ‚Altären' erhalten. All diese Aufträge standen im Zusammenhang mit den ambitiösen Plänen Augusts des Starken für die Ausstattung des Japanischen Palais, für das auch eine hauseigene Kapelle eingerichtet wurde. Es sind nicht alle Aufträge hierfür bekannt, doch wurden eine Orgel, ein Glockenspiel und auch lebensgrosse Apostelfiguren in Meissen bestellt, die zum Teil im Jahr 1736 als Geschenke an den Kardinal Annibale Albani nach Rom gingen (Klaus-Peter Arnold, Wien 1998, S.82). Die meisten Porzellanskulpturen mit religiöser Thematik entstanden erst in der Zeit zwischen 1735 und 1745 und später 1772, wie die sogenannte ‚grosse Hofbestellung' für Papst Clemens XIV. (Klaus-Peter Arnold, Sakrale Porzellanplastik, in: Ecclesia Triumphans Dresdensis, Ausstellungskatalog Künstlerhaus Wien, 1998, S. 82-83 und Kat. Nr. 45, 46) Der Übertritt zum katholischen Glauben war die Voraussetzung für die Wahl des protestantischen Kurfürsten Friedrich August I. von Sachsen 1697, zum König von Polen. Seinen Glauben musste August der Starke vor allem dem polnischen Adel gegenüber immer wieder betonen. 1719 konnte er endlich ein jahrelang verfolgtes Heiratsprojekt durch die Vermählung seines Sohnes Friedrich August II. (1696-1763) mit der aus erzkatholischem Hause stammenden Kurprinzessin Maria Josepha von Österreich (1699-1757) durchsetzen. Das Kronprinzenpaar bezog das Taschenbergpalais in der Nachbarschaft der Dresdener Residenz. Die streng katholisch erzogene Maria Josepha legte Wert auf eine Hauskapelle und das Paar sammelte mit Leidenschaft Reliquien. Mit dem Tod ihres Schwiegervaters August der Starke, 1733, folgt ihr Gemahl, Friedrich August II. auf den Thron. Maria Jospha liess bei bestimmten Familienanlässen wiederholt Reliquien anfertigen. Die Aussteuerverzeichnisse ihrer Kinder und die Vermächtnisse ihres Testaments nennen immer wieder Reliquien und Reliquiare. Diese reiche Sammlung wurde später von ihrem Sohn, dem nachfolgenden Kurfürsten Friedrich Christian (1722-1763) weitergeführt. Eine vergoldete Silberreliquie Maria Josephas aus dem Jahr 1737, aus dieser grossen Sammlung, befindet sich heute in der Domschatzkammer St. Petri in Bautzen, mit den Initialen der Kurfürstin ‚MJR', der polnischen Königskrone und darüberhinaus einer zungenförmigen Kartusche mit seitlichen Flügeln, vergleichbar mit der Flügelkartusche des Sockels. Die zungenförmige Kartusche verbildlicht, der Überlieferung nach, die erhalten gebliebene Zunge des Heiligen Johann Nepomuks. 1737 hatte der Prager Erzbischof von Manderscheid August III. eine Johann-Nepomuk-Reliquie geschenkt. (Ecclesia Triumphans Dresdensis, Wien, 1998, Kat.Nr. 111) Der Versuch einer zeitlichen Einordnung des Sockels zwischen 1727 und 1733, basiert auf stilistischen Vergleichen mit Meissener Frühwerken. Das Rijksmuseum Amsterdam und die staatliche Eremitage St. Petersburg, besitzen aussergewöhnliche Stücke aus der Frühzeit, die in Details, wie z.B. den gerollten Akanthusblättern und der Goldmalerei, Parallelen zum Sockelelement aufweisen. Zwei frühe Uhrengehäuse um 1727, Modelle von Georg Fritzsche mit Figurenschmuck von J.G. Kirchner und Malerei von J.G. Höroldt, befinden sich in der Eremitage und dem Rijksmuseum (C. Boltz, Eisbären und Polarfüchse, Keramos 148, 1995, S.24, 25; A. den Blaauwen, Meissener Porzellan, Rijksmuseum, 2000, S. 93 Nr. 48); ein grosser Deckelpokal aus dem Jahr 1727, mit Figurenschmuck von Kirchner modelliert, im Rijksmuseum (den Blaauwen, S. 97 Nr. 49). Die feine Qualität der Malerei lässt vermuten, dass Johann Gregorius Höroldt, als wichtigster Maler der Manufaktur, verantwortlich für die im Detail so feine Bemalung war. Zunächst Tapetenmaler und schliesslich Porzellanmaler in der Wiener Manfaktur Du Paquier, kam er 1720 nach Meissen und wurde der bedeutendste Maler der Meissener Frühzeit. Mit Erlass aus Warschau, erhielt er 1724 den Titel eines Hofmalers und stand somit einem Malerkorps von 12 Mann vor, darunter J.E. Stadler und Johann Christoph Horn. Im Januar 1727 wird seine Kunst im Vergolden von Geschirren gelobt und 1731 arbeiten bereits 25 Gesellen, 11 Lehrlinge und 2 Farbenreiber für ihn. Man kann davon ausgehen, so R. Seyffarth, dass alle frühen Malereien von seiner Hand stammen, zumindest die Entwürfe (R. Seyffarth, Höroldt 1981, S.17). Aus der Zeit ab 1731 scheinen keinerlei Arbeitsrapporte Höroldts erhalten zu sein. (Rückert, Biographische Daten, München 1990, S. 158-161) Georg Fritzsche (1697-1756), als Former in der Manufaktur tätig, arbeitete auch als Modelleur bis zur Ankunft Kirchners im April 1727. Die frühen Uhrenmodelle sind nachweislich von seiner Hand, wie die wöchentlichen Berichte über die Arbeit der Dreher und Former von Reinhardt, dem Inspektor der Manufaktur zwischen 1723 und 1734, bestätigen. (den Blaauwen, S. 95; Boltz, Keramos 148, 1995, S. 33). 1728 wird er erwähnt als einziger Former, 'der grosse Geschirre ausformen und verputzen kann', 1729 bezeichnet als geschicktester und bester Former und Bossirer, auch Modelleur. (Rückert, Biographische Daten, S. 107) Der in Meissen als ‚Modellirer' seit 1727 tätige Johann Gottlieb Kirchner, wird bereits 1728 aufgrund längerer Krankheit entlassen und geht nach Weimar. 1730 bewirbt er sich wieder in Meissen als Modellmeister, wird angenommen und seit 1731 erstmals als solcher bezeichnet. Er erhält die Aufsicht über die Dreher und Former. Seit 1731 ist neben ihm auch J.J. Kändler als Modelleur tätig und Kirchner verlässt schliesslich, nach wiederholten immer wieder abgelehnten Anfragen für eine Gehaltsaufbesserung und Abschiedsgesuchen, im März 1733 die Manufaktur. Er kehrt für einen Auftrag 1737 noch einmal kurz nach Meissen zurück und verbringt dann die letzten Jahre seines Lebens in Berlin. (Rückert, Biographische Daten, S. 114)

CHF 15 000 / 25 000 | (€ 15 460 / 25 770)

Verkauft für CHF 45 600 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr