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Lot 124* - A174 Sammlung italienische Buchmalerei - Freitag, 18. September 2015, 13.30 Uhr

PISANISCHER BUCHMALER DES BUCHMALERKOLLEKTIVES DER CHORBÜCHER VON SANTA MARIA


Provenienz: - 2003 London, Sam Fogg. - Danach in der heutigen Sammlung. Bibliographie: - Friedrich G. Zeileis, Più ridon le carte (3.ed.), Rauris 2014, S. 218-220. Weiterführende Literatur: - Maria Grazia Ciardi Dupré Dal Poggetto, Codici Pisani Trecenteschi a Firenze, in: la Miniatura Italiana in età Romanica e Gotica, Florenz 1979, S. 501-528 (bes. 519-525). - Diesselbe, Rapporto testo-Immagine e Aspetti Iconografici nei Graduali Per Santa Maria del Carmine a Firenze, in: Rapporti Tra Codice, testo e Figurazione, Florenz 1992, S. 281-294. Die durch zahlreiche Farbabschürfungen und Abblätterungen des Goldes in ihrem einst glanzvollen Erscheinungsbild leider etwas beeinträchtigte Initiale E kann aufgrund ihrer Thematik der Versuchung Christi, welche die Lesung der Messe am ersten Fastensonntag betrifft, und der auf der Rückseite lesbaren Textfragmente ...iis multis... stitie dem Responsorium des ersten Nokturn des ersten Fastensonntag Ecce nun tempus acceptabile, ecce nun dies salutis: commendemus nos metipsos in multa patientia, in jejuniis multis, Per arma justitie ... zugeordnet werden. Dass diese Bildinitiale einst ein bedeutendes Chorbuch schmückte, ergibt sich aus dem für damalige Verhältnisse opulenten Initialschmuck, der uns letztlich, wie auszuführen sein wird, auf die Autorschaft führen wird. Auf einem von einem blauen, diamantengemusterten Rahmen eingefassten Initialfeld entwickelt sich ein massiver gerundeter, von Palmettenranken überwucherter Buchstabenkörper, der auf allen Seiten an seiner Peripherie grosse bunte Blütenkelche ausbildet. An den beiden Balken der Initiale E entwachsen den Kelchen oben und unten zwei grosse, einander gegenübergestellte Fratzen. Das Binnenfeld der Initiale wird von einem sich hoch auftürmenden, kargen Felsenberg bestimmt, auf dem die elegante Gestalt des Christus erscheint, der mit erhobener Hand und bestimmtem Gestus dem schwarzen, geflügelten Teufelsmonster Einhalt gebietet, ihn weiter zu versuchen. Offenbar handelt es sich hier um die Verbildlichung der letzten in den Evangelien erzählten Versuchung Jesu durch den Teufel auf dem Berg. Das Thema der Versuchung wird im unteren Bildfeld erneut aufgegriffen, wo wir eine sitzende Figur erkennen, die einem in Busse niedergeknieten, offenbar der Versuchung erlegenen jungen Mann den Segen erteilt. Versuchung und Busse sind denn auch die grossen Themen der Fastenzeit, die mit dem ersten Fastensonntag einen ersten Höhepunkt hat. Stilistisch entwickelt sich der Buchmaler vorliegender Initiale aus der Tradition der pisanischen Buchmaler der ersten Trecentohälfte, namentlich der Illustratoren um den Meister des Breviario Strozzi 11 in der Biblioteca Laurenziana in Florenz (1326-30). Ein Vergleich mit der nach analogem Dekorationsmuster aufgefassten Bildinitiale C mit der Darreichung der Hostie auf fol 81 v des Ms 570 des Museo di San Marco in Florenz (vgl. die analog einander gegenübergestellten Masken, die an beiden Enden der Initiale C den Blütenkelchen entwachsen, etc.) zeigt, dass unsere Bildinitiale zweifellos der selben pisanischen Buchmalerwerkstatt entstammen, welche das erwähnte Graduale und zwei weitere im gleichen Museum (MS 580, Ms 618) illuminiert hat (Maria Grazia Ciardi Dupré Dal Poggetto 1979, 1992). Dies lässt sich weiter überprüfen am Figurenstil unserer Miniatur, wo die jugendlichen Profile in der Busseszene völlig identisch zugeschnitten sind, wie die in der Bildinitiale des Florentiner Chorbuchs. Als Provenienz dieser Chorbücher kann das im 13. Jahrhundert von Pisanern gegründete Karmeliter-Haus, Santa Maria del Carmine in Florenz nachgewiesen werden. Womöglich bestand der enge Bezug zur pisanischen Niederlassung des Ordens auch noch im 14. Jahrhundert, weshalb für die Illuminierung eben eine pisanische Werkstatt berücksichtigt wurde. Eine weitere Initiale I im Pariser Kunsthandel, die zwei liturgische Handlungen zeigt, ist zweifellos von gleicher Hand gemalt. Ihr ähnlich beeinträchtigter Erhaltungszustand lässt darauf schliessen, dass beide Fragmente aus dem gleichen Antiphonar stammen. Die Initiale I hat vermutlich die Respons der ersten Nokturn an Corpus Christi eingeleitet: Immolabit haedum multitudo... Der in Rede stehende Buchmaler von beachtlicher Qualität vereint in seiner Kunst das von Buffalmacco und Traini kreierte, stark expressiv aufgefasste Figuren- und Bilderpertoire, über das sich aus der sienesischen Kunst, insbesondere aus Simone Martini tradierte gotische Feinheiten gelegt haben.

CHF 2 000 / 3 000 | (€ 2 060 / 3 090)

Verkauft für CHF 2 125 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr