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Lot 1517* - A156 Silber & Porzellan - Montag, 28. März 2011, 14.00 Uhr

ERLESENE UND SELTENE PRUNKKANNE MIT PRÉSENTOIR

AUS STEINBOCKHORN MIT VERGOLDETER KUPFERMONTIERUNG, SALZBURG, DIE MONTIERUNG SIGNIERT M.L. GIZL, DATIERT 1758, BEZEICHNET S (ALZBURG). Im Fond des Présentoirs die Widmung: 'Seiner Magnifizenz J.D. Koch von W. Hirsch verehret zur Geburtstagsfeier aus inningst reinster Liebe Ihnen gewidmet'. Getriebenes, vergoldetes Kupfer und äusserst fein beschnitztes Steinbockhorn mit vergoldeten Applikationen. Die Darstellungen zeigen Szenen aus der Steinbockjagd sowie Jäger- und Steinbockkartouchen unterbrochen bzw. gerahmt von Rocaillen. H 34 cm. Kleine Bruchstelle im Présentoir. Schaft möglicherweise ergänzt.

Provenienz: - Kunsthandel Blasius Fornach, Wien. - Dr. M. Kremayr Ankauf 8.4.1960. - Sammlung M. Kremayr, Wien. Abbildung: Eugen von Philippovich, Steinbockhornarbeiten der Barockzeit aus Salzburg, 1984, S. 18, 22. Bei diesem Objekt handelt es sich um die Entdeckung einer grossartigen Bildhauerarbeit mit feiner vergoldeter Kupfermontierung des Salzburger Künstlers Martin L. Gizl, der zwischen 1753 und 1787 als Büchsenmacher und Ziseleur überliefert ist. Eine solche herausragende Arbeit ganz in der Tradition der Kunst- und Wunderkammern im 16. und 17. Jahrhundert an den Europäischen Fürstenhöfen ist bislang dem Kunstmarkt nicht bekannt. Die meisten Erzeugnisse aus Steinbockhorn wurden zu Bechern verarbeitet, da man glaubte, dass dieses Material giftabweisend sei. Dies führte zu einer schonungslosen Jagd, da das Horn entsprechend enorme Preise erzielte. Nicht nur die hochwertige Schnitzarbeit, sondern auch die Feinheit der vergoldeten Kupfermontierung, die in bester Tradition der zeitgenössischen Goldschmiedekunst steht, erheben dieses Objekt zu einem Kunstwerk. (E.v. Philippovich, Kuriositäten-Antiquitäten, S.474-478.; Ausstellungskatalog Geschnitztes Steinbockhorn, vgl. S.60, Kat. Nr. 137, Abb.28.) DAS GEHEIMNIS DES STEINBOCKHORNS Das Geistliche Fürstentum Salzburg hatte alle notwendigen Ressourcen, um solche Kabinettstücke hervorzubringen, die das heimische Kunsthandwerk repräsentierten. Die Steinbockhornarbeiten gehören zu einem im 18. Jahrhundert blühenden Handwerkszweig. Dass man dem Steinbock als sagenumwobenes Tier auch heilende Kräfte nachsagte, verlieh den Objekten zusätzlich etwas Mysthisches und Kostbares. Im Universallexikon von 1749 werden die wundersamen Wirkungen des Steinbockhorns aufgezählt: ‚Löffel, Näpflein oder Trinkgeschirr so aus der gleichen Horn gemacht ist unvergleichlich gesund wider Gift und die fallende Sucht.' Daher auch wurde es am meisten zu Bechern und Dosen verarbeitet. Letztere dienten vor allem zur Aufbewahrung von Pillen und Latwerge, um die Heilwirkung dieser Medikamente zu erhöhen. Erst in zweiter Linie dürften die Dosen für Schnupftabak verwendet worden sein. Man sprach sogar dem Horn selbst eine medizinische Heilkraft zu, sodass man selbst das Blut des erlegten Tieres auffing und in den Horn-Geschirren im Backofen dörren liess, um es dann an die fürstbischöfliche Hofapotheke in Salzburg senden zu können. Tatsächlich befand sich auf Salzburger Boden eine Steinbockkolonie, die dem geistlichen Fürsten unterstand. Die Salzburger Erzbischöfe waren auch die Herren des Zillertals, in dem die Steinböcke in bestimmten Gebieten gehegt wurden. Unter Androhung hoher Strafen versuchte man sich Wilderern zu entledigen und den Steinbockbestand zu kontrollieren. Zahllose Strafmandate wurden in den Orten angeschlagen. Jedem der sich in diesen Revieren mit Büchse erwischen lies, drohte die Gefangennahme, peinliche Befragungen und Haft auf der Hohensalzburg. Die Wilderei nahm jedoch ihren Lauf. Die Situation eskalierte dermassen, dass man 1707 in freier Wildbahn keinen Steinbock mehr fand, sondern nur noch im Wildpark Hellbrunn in Salzburg, bis dann im Jahr 1801 unter französischer Besatzung alle Steinböcke vernichtet wurden. SALZBURG ALS ZENTRUM DER STEINBOCKHORNSCHNITZEREI Es sind nur sehr wenige Formstücke aus der Zeit vor 1700 bekannt. Trink- und Pulverhörner, Pestsegen (medaillonartiger Anhänger mit Darstellungen der Pestheiligen) und Bestecke. Erst im 18. Jahrhundert begann man Becher und Dosen zu dem bekannten Repertoire hinzuzufügen. Vorbilder kannte man bereits von geschnitzten Arbeiten aus Nashorn, die gerne auch mit den damals beliebten Chinoiserien beschnitzt wurden. Salzburg war sicherlich das Zentrum der Steinbockverarbeitenden Kunst: in der Schatzkammer der Münchner Residenz befindet sich ein Salzburger Becher mit Darstellung der Müllner Kirche und anschliessendem Kloster. Die Frage nach den Künstlern, den Hornschneidern ‚Bildhauern', blieb bisher in den meisten Fällen unbeantwortet. Selbst die wenigen monogrammierten Schnitzereien konnte man bisher nur in den wenigsten Fällen einem bestimmen Künstler zuschreiben. Namen liefert eine ‚Verlassenschaftsabhandlung' für den 1761 gestorbenen Salzburger Domherren Philipp Carl Graf von Seinsheim. Dort erfahren wir, dass dieser 50 000 Gulden Schulden hinterliess und seine Gläubiger grösstenteils Künstler und Handwerker waren, die über Jahre zahlreiche Aufträge zur Ausgestaltung seines Stadtpalais und des Weingartenschlosses erhalten hatten, jedoch immer nur mit Teilzahlungen vertröstet wurden. Um wenigstens nach seinem Tod einen Teil der Schulden bezahlen zu können wurden sein Hausrat und seine Sammlungen versteigert. An erster Stelle der Begünstigten wird ein Lorenz Härmler 'Steinbockschnitzer in der Gsäeten' genannt. An zweiter Stelle wird ein Leopold Ehegasser aus Reichenhall mit 197 fl. Forderung für Steinbockarbeiten aus den Jahren 1755 bis 1758 genannt, auch er war Bildhauer. Das Nachlassinventar nennt eine lange Reihe von Steinbockhornarbeiten, jedoch leider ohne Zuschreibung an den jeweiligen Künstler. DER SCHATZ DES ERZSTIFTS SALZBURG Die zahlreichen Aufträge für die durchwegs bedeutenden Werke der Goldschmiedekunst in Salzburg aus der Zeit des legendären Fürstbischofs Wolf Dietrich von Raitenau (1587-1612) passen ganz in den Rahmen seiner umfassenden Neuplanung und Gestaltung der Salzburger Residenz und des Doms. In dieser Zeit erfährt die Stadt auch ihre grösste Blüte in Kunsthandwerk und Architektur. Die spätere Rokokozeit hat im Domschatz weniger bedeutsame Objekte hinterlassen. Das Interesse der Fürsten im 18. Jh. wendete sich mehr den höfischen Repräsentationen zu und es waren nun mehrheitlich grosse Tafelservice, vor allem aus Augsburg und Paris, die bestellt wurden. Zu den schönsten kunsthandwerklichen Arbeiten dieser Zeit gehören tatsächlich die heimatlichen Steinbockarbeiten. In der Schatzkammer der Medici in Florenz, dem Palazzo Pitti, befindet sich heute ein Grossteil des Schatzes des Erzstifts Salzburg, von den Fürstbischöfen über Jahrhunderte zusammengetragen, darunter auch wertvolle Steinbockarbeiten. Ein Grossteil des Schatzes wurde 1814 aus Salzburg nach Florenz abtransportiert. Napoleons Eroberungszug in Europa und seinen Umwälzungen in den Europäischen Fürstenhäusern fiel auch das Erzbistum Salzburg zum Opfer. Salzburg sollte schon bald säkularisiert werden. 1803 wurde Ferdinand III. Grossherzog der Toskana aus dem Hause Habsburg-Lothringen von Napoleon aus Florenz vertrieben und erhielt als Entschädigung das reichsfürstliche Gebiet des Erzstiftes Salzburg als Kurfürstentum (1803 - 1806). Die Erzbischöfe mussten resignieren und der Friede von Luneville von 1803 besiegelte das Schicksal der Säkularisation, die die Stadt ihrer politischen Bedeutung und ihrer gesamten Kunstschätze berauben sollte. Der neue Kurfürst nahm alle Inventarien aus der nunmehr kurfürstlichen Residenz, die gesamte Silberkammer und die Sammlungen der Grossen Galerie in seinen Besitz. Mit der wenige Jahre später erfolgten Niederlage Napoleons 1814 wurde die gesamte Beute von über hundert Goldschmiedearbeiten mit Ferdinands Rückkehr in sein Grossherzogtum Toskana, nach Florenz gebracht, in die Schatzkammer der Medici im Palazzo Pitti, heute als ‚Tesoro di Salisburgo' im Museo degli Argenti. GOLDSCHMIEDE ARBEITEN MIT STEINBOCKHORN IN EUROPÄISCHEN MUSEEN - Museo degli Argenti im Palazzo Pitti in Florenz (Kurt Rossacher, Der Schatz des Erzstiftes Salzburg, 1966, Kat. Nr. 183, 186, 187, 188) - Dommuseum Salzburg, Kunst- und Wunderkammer; Kremsmünster, Stiftssammlungen; Kunstkammer Schloss Ambras, Innsbruck; Kunsthistorisches Museum, Wien, Waffensammlung - Schweizerisches Landesmuseum, Zürich - Münchner Residenz (H. Thoma, Die Schatzkammer der Münchner Residenz, München, 1958) Weiterführende Literatur: Eugen von Philippovich, Steinbockhornarbeiten der Barockzeit aus Salzburg, 1984, in: Alte und Moderne Kunst, Nr. 192/193, Innsbruck 1984, S. 18-22; Nora von Watteck, Geschnitztes Steinbockhorn - ein vergessener Zweig des Salzburger Kunsthandwerks, in: Alte und Moderne Kunst, Nr. 58/59, Wien 1962, S. 27-31; Johannes Neuhardt, Geschnitztes Steinbockhorn - XIV. Sonderschau im Dommuseum zu Salzburg, 1990; Kurt Rossacher, Der Schatz des Erzstiftes Salzburg, 1966; Thieme-Becker, Bd. 13/14, S. 228.

CHF 50 000 / 90 000 | (€ 51 550 / 92 780)

Verkauft für CHF 72 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr