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Lot 3001 - A158 Gemälde Alter Meister - Freitag, 23. September 2011, 15.00 Uhr

JAUME FERRER

(Lérida, um 1420)
Der Apostel Andreas.
Tempera und Goldgrund auf Holz.
125 x 76 cm.

Der hybride und komplexe Malstil des vorliegenden, in ein reich ornamentiertes Rahmenwerk gefassten Tafelbildes mit dem thronenden Apostel Andreas, ist der katalanischen Malerei des ersten Viertels des 15. Jahrhunderts zu zuweisen. Der vielschichtige Stil dieser in Lérida anzusiedelnden Malerei bezieht sich unverkennbar - wie dies in Katalonien seit ca. 1320 nachweisbar ist - auf die künstlerischen Vorgaben der italienischen Malerei des 14. Jahrhunderts. Dabei scheinen hier nebst den essentiell toskanischen Wesenszügen auch die ligurisch - piemontesischen Interpretationen um 1400 massgebend gewesen zu sein. Zweifellos steht dieses Bild auf einer Stilstufe, welche der Internationalen Gotik zu zuordnen ist und im nördlichen Bereich Italiens, insbesondere im Piemont unter dem Einfluss des Giacomo Jaquerio und anderen, vergleichbare künstlerische Lösungen hervorgebracht hatte. Der in einen grünen, dynamisch und zugleich elegant fallenden weiten Mantel gekleidete Apostel Andreas sitzt auf einer schlichten unprätentiös wirkenden Steinbank. Hinter ihm entwickelt sich dominant die doppelte Arkadenstellung einer massiv gebauten, festungsähnlichen, zinnen bekrönten Loggia. Die Hand des unbekannten Malers zeugt von einer ausserordentlichen Feinheit in der Zeichnung und lässt eine künstlerische Reife erkennen, wie sie zu dieser Zeit in der katalanischen Malerei vorrangig von den damals führenden Malern in Lérida vorgetragen wurde. Es ist denn genau in dieser Kunstregion, wo der Maler der vorliegenden Tafel anzusiedeln ist. Seine Hand ist in einem mit Jacobus Ferrari me (pinsit) (Jaume Ferrer malte mich) signierten Tafelbild mit der Geburt Christi und der Anbetung der Könige sowie der Auffahrt und des Pfingstwunders (Lérida, Diözesan Museum) zu erkennen (siehe Guidol, Josep / Alcolea i Blanch, Santiago: Pintura Gòtica Catalana, Barcelona 1987, S. 113, Kat. 340, Abb. 44, 45; Rosa Alcoy I Pedrós, in: L'Art Gòtic a Catalunya, Pintura II, el Corrent internacional, Barcelona 2005, S. 134 ff.). Die Zuschreibung der in Frage stehenden Tafel fusst auf stilkritischen Beobachtungen unter Miteinbeziehung anderer einschlägiger Aspekte im Oeuvre des zur Diskussion stehenden Malers. Wie unschwer zu erkennen ist, entwickelt sich die Gesichtsbildung unseres Heiligen Andreas unmittelbar aus den Greisengesichtern im Werk des Jaume Ferrer, wie jenen des ältesten Königs im erwähnten signierten Dreikönigsbild oder des Joseph der dazu gehörenden "Geburt Christi". Und auch andere Köpfe könnten als Vergleiche beigezogen werden, so jene der älteren Apostel auf dem gigantischen "Abendmahl" im Museum von Solsona (siehe ebd., S. 113, Kat. 341, Abb. 43, 594), zu denen unser Bild eine besonders enge stilistische Verbindung erkennen lässt. Details, wie sie auch hier identisch ausgestaltet sind, so beispielsweise die charakteristisch am Kragen aufstehenden und sich so temperamentvoll ondulierenden Haarlocken, kehren in analoger Ausführung auch im Predellenbild von Solsona und in anderen Werken des Malers wieder. Auch das Bildkonzept, den Heiligen vor eine zinnen-bekrönte Bogenstellung zu setzen, ist ein beliebtes Topos unseres Künstlers und ist sogar mit einem identischen oben horizontal verlaufenden Zackenfries gleichermassen auch auf anderen Heiligendarstellungen des Malers, beispielsweise jene der Predellenserie des Altars in der Kathedrale von Albatàrrec zu greifen (siehe ebd., S. 112, Kat. 330, Abb. 583-584). Bestehen nun kaum mehr Zweifel bezüglich Jaume Ferrers Autorschaft für vorliegendes Bild, so wird diese Zuweisung eindrücklich bekräftigt durch die hier erstmals vorgeschlagene Identifikation weiterer Tafeln, die zusammen mit unserem Gemälde - letzteres unteres Element des zweistufigen Hauptblattes - ursprünglich ein dem Apostel Andreas gewidmetes Vita-Retabel bildeten. Es sind dies zwei zweistufige Seitentafeln mit den Szenen aus dem Leben des Apostels Andreas, die sich in der Kirche Saint Gregory the Great in New York befinden (siehe ebd., S. 113, Kat. 342, Abb. 595, 596). Sie zeigen eine Predigt des Andreas, seinen Disput vor dem Prokonsul Egeus, seine nachfolgende Anheftung an das Kreuz und das posthume Wunder, bei dem der verstorbene Apostel, als Pilger verkleidet, einen Bischof vor den Anfechtungen des als hübsche Frau erscheinenden Teufels bewahrt. Ihre Zugehörigkeit als Seitentafeln zu unserem Andreas ergibt sich nicht allein aus ikonographischen Erwägungen und eindeutigen stilistischen Übereinstimmungen, sondern letztlich auch aus dem bis in die kleinsten Details übereinstimmenden Rahmenwerk der Tafeln. Durch die Wiederentdeckung vorliegender Tafel zeichnet sich die Gesamtrekonstruktion eines bedeutenden Altarwerks von Jaume Ferrer ab. Es erhebt sich deshalb hier die Frage, ob es sich bei vorliegender Tafel um jenes (nicht abgebildete) Werk handelt, das sich laut Rosa Alcoy I Pedrós, (siehe ebd., S. 142) in Pariser Privatbesitz befunden haben soll und von der betreffenden Autorin als mögliches Hauptblatt der New Yorker Tafeln in Aussicht gestellt wurde. Wir danken Prof. Dr. Gaudenz Freuler für diesen Katalogeintrag.

CHF 35 000 / 50 000 | (€ 36 080 / 51 550)

Verkauft für CHF 30 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr