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Lot 3329* - Z32 PostWar & Contemporary - Freitag, 22. Juni 2012, 17.25 Uhr

FERNANDO BOTERO

(Medellín 1932–lebt und arbeitet u.a. in New York)
Ms. Rubens #3. 1964.
Öl auf Leinwand.
Unten rechts signiert, datiert und betitelt: Botero Ms. Rubens #3 64.
183 x 178 cm.

Provenienz: - Atelier des Künstlers. - Galerie Buchholz, München 1970. - Sammlung Herbert Asmodi, München. - Privatsammlung Deutschland seit 1975, aus obiger Sammlung erworben. Ausstellungen: - 1970 München: Galerie Buchholz "Botero", München 1970, Kat. S.9 (mit Abb.). - 1975 München: Galerie Stangl, München 1975. Literatur: Ratcliff, Carter. Fernando Botero. New York: Abbeville 1980, Kat.Nr. 70 (mit Abb.). Eigentlich ist sie ja seine Schwägerin. Peter Paul Rubens´ Gemälde, das Fernando Botero in den 1960er Jahren zu seiner "Mrs. Rubens"-Serie inspirierte, stellt nicht Rubens´ Ehefrau dar. Es ist vermutlich ein Abbild der dritten Tochter des Antwerpener Seidenhändlers Daniel Fourment, das uns das "Porträt der Susanna Lunden" (genannt auch "Le Chapeau de Paille", um 1622, National Gallery, London (Abb.1) zeigt. Also zwar auch eine geborene Fourment - die zweite Ehefrau des gefeierten flämischen Malers wurde 1630 aber deren jüngere Schwester Helena. Diese Verschiebung - bewusst oder nicht - könnte man als fast symptomatisch für Boteros Arbeitsweise bezeichnen. Ging es dem kolumbianischen Maler und Bildhauer bei seinen Adaptionen Alter Meister doch niemals um sklavische Kopien. Er gibt uns das wieder, was er aus seiner Erinnerung, aus seiner Verinnerlichung heraus als Essenz eines Künstlerstils und eines bestimmten Werks begreift. So bekannt sind seine berühmten Vorbilder, so sehr in das allgemeine Bewusstsein übergegangen, dass er sie als eine Art Gerüst oder Folie nutzen kann für seinen seit den späten 1950er Jahren konsequent verfolgten künstlerischen Ansatz, Personen, Dingen und Tieren zu übergrossen Volumina aufzublähen, die sogenannte "Boteromorphologie". Rubens´ "Porträt der Susanna Lunden" ist auch sofort in allen Gemälden aus Boteros "Mrs. Rubens"-Serie identifizierbar. Das gilt vor allem für die Ausrichtung der Dargestellten - die Haltung ihres Oberkörpers, ihre leichte Drehung auf ihre rechte Seite, der den Betrachter direkt fixierenden Blick - ebenso wie für ihren Hut mit seiner breiter Krempe und prachtvollem Federschmuck, der schräg nach links unten auf dem Kopf sitzt und so einen Teil der Stirn und das darunterliegende Haar verdeckt. An den Schläfen sind die Haare und die Ohren zu sehen, die von grossen Perlenohrringen geschmückt sind. Mindestens eines der Gemälde aus Boteros bisher nicht umfassend in der Literatur erschlossenen Serie stellen die "Mrs." mit längeren, zur Seite abfallenden Haaren und nackt dar. Ihre kleinen, runden Brüste sind weit nach oben gezogen, der Bauchnabel grotesk zum Oberkörper verschoben. In ihrer rechten Hand hält sie eine kleine schwarze Perle, auf die mit ihrem linken Zeigefinger deutet. So begegnen wir der Dargestellten in einem von Ratcliff 1980 auf S. 90 publizierten Exemplar ["Mrs. Rubens", 1964] (Abb.3). Drei weitere bekannte Versionen aus der "Mrs. Rubens"-Serie - darunter auch unsere Gemälde- orientieren sich auch an der Kleidung des Rubenschen Porträts der Susanna Lunden, die im Original ein schwarzes Samtkleid mit roten Ärmeln und darunter eine weisse Bluse mit recht gewagtem Ausschnitt trägt. Zwei dieser drei "Mrs." nehmen auch die Haltung der Hände von Susanna Lunden auf, die ihre Arme unterhalb der Brust locker überkreuzt hält, wobei ihre rechte Hand über ihrem linken Arm zu liegen kommt. Eine "Mrs." trägt übergrosse, ovale Perlen als Ohrgehänge (Abb. 2). Die Andere - also ein weiteres Exemplar der Variante "überkreuzte Hände" - ist wohl das am besten publizierte Werk der Serie ("Mrs. Rubens # 4", 1968, Öl auf Leinwand mit den enormen Massen 227 x 194 cm (Abb.4)) und ist vier Jahre nach unserem Bild gemalt und seit 1978 im Besitz des Museo de Antioquia im kolumbianischen Medellín. Es war Teil eines Konvoluts, das der Maler diesem Museum im Gedenken an seinen 1974 bei einem Autounfall verunglückten Sohn übereignet hat (siehe die Abb. bei Ratcliff 1980, Abb. S. 93). Es hebt sich von allen anderen Versionen dieser Serie dadurch ab, dass es auch einen Teil des Hintergrunds des Rubenschen Vorbildes zitiert, nämlich ein rechts hinter der Porträtierten aufragendes Wolkengebilde, wie es sich auch insgesamt in seinem Detailreichtum am engsten am "Porträt der Susanna Lunden" orientiert. Bei unserem vier Jahre zuvor entstandenen Werk hat sich der Maler auf das Wesentliche konzentriert. Hut und dunkles Kleid kommen ohne zuviel Beiwerk aus und sind als Rahmung des fast kreisförmigen, perfekt farblich modellierten Gesichts genau ausbalanciert. Unser Gemälde eröffnet eine weitere Variante zu den bereits besprochenen Versionen. Unsere "Mrs. Rubens # 3" hält zwischen Daumen und Zeigefinger ihrer linken Hand eine grosse weisse Perle, auf die sie mit ihrer Rechten deutet. Zeigt sie uns nur einfach das Juwel, das sie genau vor diejenige Stelle ihres Oberkörpers hält, an der es zusammen mit einer kleinen Speckfalte einen ganz besonderen Halsreif bildet? Ist die Perle ein Vergleich mit ihrer eigenen rundlichen Vollkommenheit und Schönheit? Verweist sie auf die Perfektion ihres perlengleichen Teints? Steht sie für vergossene Tränen, die dem runden, seltsam neutralen und doch leise lächelnden Gesicht entronnen sind? Oder symbolisiert die Perle gar die Unberührtheit der Dargestellten? Botero, das ist bekannt, hat sich durch jahrelanges intensives Studium der Altmeister ein zu tiefes Wissen über Kunstgeschichte angeeignet, um die Perle frei von ihrer facettenreichen Symbolik nur als kompositorisches Element einzusetzen, das die Aufmerksamkeit des Betrachters vom dominanten Hut und den Augen auf den unteren Bildrand zieht. Dass der von grossen Volumina faszinierte Botero sich für die Transformation eines Altmeisterporträts in seine merkwürdig verschobenen Massstäbe ein Werk von Rubens aussucht, ist angesichts der Feier weiblicher, in jeder Hinsicht barocker Fülle in den sinnensfreudigen Werken des Flamen ja nahe liegend. Zum Entstehungszeitpunkt unseres Bildes wohnt und arbeitet Botero in New York. Er hat soeben die entscheidende Phase seiner künstlerischen Stilbildung abgeschlossen. 1956/57 hat er die Faszination entdeckt, die das Aufblähen von Figuren und Gegenständen auf ihn ausübt, und in den Folgejahren in seinen Bildern erprobt. "Mrs. Rubens # 3" gehört zu diesen frischen und doch ausgereiften Gemälden, mit denen der wohl bekannteste Künstler Lateinamerikas seinen Weltruhm begründete.

CHF 600 000 / 800 000 | (€ 618 560 / 824 740)

Verkauft für CHF 825 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr