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Lot 3429* - Z35 PostWar & Contemporary - Samstag, 07. Dezember 2013, 16.00 Uhr

TONY CRAGG

(Liverpool 1949–lebt und arbeitet in Wuppertal)
Ohne Titel. 2008.
Chromstahl, poliert.
Unten am Fuss der Skulptur signiert und datiert: Cragg 2008. Zudem mit dem Giesserstempel verstehen: Kayser Düsseldorf.
132 x 67 x 67 cm.

Provenienz: Privatbesitz Schweiz. "Und so bleiben meine Skulpturen das, was sie sein sollen, nämlich nicht Demonstrationen von ratio, sondern erdachte Wesen, für deren Formgebung ausschliesslich ästhetische Massstäbe entscheidend sind." (Tony Cragg in: AusstKat. "Tony Cragg. Signs of Life, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2003, S. 460.) 1949 wird Anthony Cragg in Liverpool geboren. Nach seinem Abitur nimmt er zunächst ein Praktikum in einem biochemischen Forschungsunternehmen an, um sich dann aber der Kunst zu zuwenden. 1966 beginnt er sein Studium der Malerei am Gloucester College of Art and Design und absolviert von 1970 - 1973 einen Undergraduate-Kurs an der Wimbledon School of Art. Im Laufe seines Studiums wendet er sich von der Malerei zunehmend der Skulptur zu und bekommt 1973 einen der begehrten Plätze des Postgraduate-Kurses für Bildhauerei am Royal College of Art in London. Zu dieser Zeit ist er stark beeinflusst von der Minimal Art und der Konzept-Kunst der 1960er/70er Jahre. Er arbeitet mit Alltagsgegenständen, die er in der Natur und auf Deponien findet; er ordnet "kleinteilige Gegenstände oder Fragmente von Gegenständen zu bestimmten übergreifenden Formen an … Das Ganze wird zum Fragment und das Fragment wird zum Ganzen - ein ambivalentes zwischen der äusseren Form der Arbeit und ihren einzelnen Bestandteilen, das für das bildhauerische Denken Craggs charakteristisch ist." (zit. Gaensheimer, Susanne, in Ausst.Kat. "Anthony Cragg. Material_Objekt_Form, Lenbachhaus München, 1998, S. 129). 1976 übernimmt er für 9 Monate einen Lehrauftrag an der École des Beaux-Arts in Metz. Im darauffolgenden Jahr heiratet er und zieht mit seiner Frau nach Wuppertal. Für zwei Jahre wendet er sich mehr oder weniger von der Kunstwelt ab. Erst zwei Jahre später meldet er sich mit der Arbeit "New Stones, Newton's Tones" zurück, mit der er konsequent seine Ideen aus den frühen Arbeiten weiterentwickelt. Mit dieser Arbeit, in der er Objekte aus Plastik, die er gefunden hat, nach der Skala der Spektralfarben ordnet und auslegt, löst er sich von früheren Einflüssen. Er macht das "komplexe Verhältnis von Zivilisation und Umwelt" (ebenda, S. 130) zu seinem übergeordneten Thema. Mit seiner ersten Ausstellung in der Lisson Gallery in London gelingt Cragg 1979 der künstlerische Durchbruch. Zeitgleich arbeitet er zunächst Teilzeit als Lehrer an der Kunstakademie Düsseldorf und übernimmt bald eine Vollzeitstelle. Sein Einfluss auf die junge Generation von Bildhauern in dieser Zeit ist immens. In den 1980er Jahren nimmt er an zahlreichen internationalen Ausstellungen wie der Documenta 7 & 8 in Kassel und an fünf Biennalen in Venedig teil. Mitte der 80er Jahre vollzieht er nochmals eine Neuausrichtung in seinem Oeuvre, indem er sich den raumgreifenden Bronzeplastiken zuwendet. Zunächst bildet er Alltagsgegenstände in Bronze oder Eisen nach und setzt sich exzessiv mit den verwendeten Materialien und ihren Oberflächen auseinander. 1988 wird Tony Cragg mit dem renommierten Turner Preis ausgezeichnet. Im selben Jahr wird ihm eine Professorenstelle an der Kunstakademie Düsseldorf angeboten, 2001 übernimmt er die Professur für Bildhauerei an der Hochschule der Künste in Berlin. 2009, als Prorektor in Düsseldorf, löst er Markus Lüpertz als Direktor der Kunstakademie ab und wird in diesem Jahr seinen Posten an Rita McBride abgeben. Ebenfalls 2009 wird er in die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste gewählt, nachdem er 1994 bereits Mitglied der Royal Academy of Arts in London geworden ist und 2002 zum Mitglied der Akademie der Künste berufen wird. Auf den ersten Blick scheinen wir vor einer hochpolierten, spiegelnden, abstrakten Skulptur zu stehen, die sich schichtweise in einer leichten Wellenform nach oben zieht und dabei fast zu schweben scheint. Gehen wir aber um das Werk herum und wenden unseren Blick einmal ab, um wieder hinzuschauen, sehen wir plötzlich ein Gesicht - abstrahiert, aber immer deutlicher treten die Lippen hervor, die Nase und durch die leicht hervortretende Stirn scheinen uns sogar die Augen deutlich zu werden. Und dann erkennen wir auch auf der gegenüberliegenden Seite weiter unten ein weiteres Gesicht. Die hier angebotene Skulptur steht exemplarisch für Craggs Werke seit den 1990er Jahren. Wie schon in seinen frühen Arbeiten der 1970er und 80er Jahre entstehen auch die Skulpturen der 1990er Jahre aus dem Zusammenfügen von Einzelteilen, meistens runden Element, die zu einem Gesamtwerk addiert werden und mit einer sorgfältig ausgeführten Membran überzogen werden. Auch wenn wir die einzelnen Elemente erkennen und benennen können, bringt uns dies nicht weiter - nur als Gesamtes erschliesst sich dem Betrachter das Werk. Wie bei Skulpturen der Antike organisiert auch Tony Cragg seine Werke um eine Achse, die dem Werk eine klare lineare Ausrichtung gibt, aber anders als in der Antike ist diese Achse durch zahlreiche Biegungen bestimmt, und so ist kein eindeutiges Zentrum auszumachen. Das Werk ist geprägt von einer ungewöhnlich hohen Dynamik, und gleichzeitig wirkt es instabil. Es geht Cragg immer um die Auswirkung seiner Werke, um das Verhältnis seiner Werke zu ihrer Umwelt. Susanne Gaensheimer erklärt sein Anliegen so: "Es sind nicht die inneren Qualitäten der Skulpturen, wie ihre Tektonik oder Organisation, noch die immanenten Eigenschaften des verwendeten Materials, wie seine Dichte oder Struktur, sondern die sorgfältig bearbeiteten Oberflächen, über die sich die Skulpturen Craggs vermitteln." (ebenda, S. 131). Unsere visuelle Auffassungsgabe bzw. unser Sehvermögen ist gefordert. Wir sollen die Skulpturen nicht anfassen, um sie durch eine haptische Erfahrung zu verstehen, sondern wir müssen mit einem distanzierten Blick unsere Position, die Skulptur und die Umgebung erfassen - dann erschliesst sich uns die Besonderheit dieser Arbeit.

CHF 250 000 / 350 000 | (€ 257 730 / 360 820)

Verkauft für CHF 384 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr