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Lot 3219* - Z41 Impressionismus & Moderne - Freitag, 02. Dezember 2016, 14.00 Uhr

GABRIELE MÜNTER

(Berlin 1877 - 1962 Murnau)
Vereiste Strasse. 1911.
Öl auf Malkarton.
Verso mit Nachlassstempel.
34,9 x 40,5 cm.

Dieses Werk wird in das von der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung herausgegebene Werkverzeichnis der Gemälde von Gabriele Münter aufgenommen.

Provenienz:
- Galerie Gunzenhauser, München.
- Privatbesitz Deutschland (in den 70er Jahren bei obiger Galerie erworben).

Nach dem frühen Tod der Eltern, erstem privatem Zeichenunterricht in Düsseldorf und einem zweijährigen Aufenthalt in Amerika zieht Gabriele Münter 1901 nach München. Da es Frauen zu dieser Zeit verboten ist, an einer öffentlichen Kunstakademie zu studieren, tritt die emanzipierte junge Frau zuerst in die Schule des Künstlerinnen-Vereins ein und später in die Privatkunsthochschule Phalanx, wo Kandinsky zuerst ihr Lehrer und kurze Zeit später schliesslich ihr Geliebter wird. Münter und Kandinsky reisen an viele verschiedene Orte und ihr malerischer Stil wird durch die dabei entstehenden Kontakte zu den Fauves stark geprägt. In ihrem Tagebuch schreibt Münter: „Ich habe da nach kurzer Zeit der Qual einen großen Sprung gemacht – vom Naturabmalen – mehr oder weniger impressionistisch – zum Fühlen des Inhaltes, zum Abstrahieren – zum Geben des Extraktes.“ (A. Hoberg (Hrsg.), Wassily Kandinsky und Gabriele Münter in Murnau und Kochel, 1902-1914. Briefe und Erinnerungen, München 1994, S. 45f.)
Die Landschaft spielt in Münters Werk eine zentrale Rolle, gehört zu den beliebtesten Themen der Künstlerin und ist auch ihr persönliches Lieblingssujet. Sie variiert verschiedenste Landschaften, experimentiert mit Farben, Licht und Wetterlagen und schafft so eine Palette unterschiedlicher Werke. Münter konzentriert sich bei ihrer Malerei auf scharfe Formen und Konturen, wobei sie das Detail ignoriert und die Landschaft auf ihre Einfachheit hin reduziert. Die Gemälde bestehen aus farbigen Flächen, die harmonisch zusammenspielen. Sie geben zwar gegenständliche, jedoch abstrahierte Landschaften wieder. Die flachen Kompositionen, die Abwesenheit von Schatten sowie die Umrandung der einzelnen Flächen sind Stilmittel Münters, für welche das vorliegende Gemälde beispiellos ist. Der zentrale, karge Baum ist ein Motiv, von welchem Münter in mehreren Werken Gebrauch macht. In „Vereiste Strasse“ setzt sie den Stamm in das Zentrum des Bildes. Die blätterlosen Äste ragen breit in den roten Himmel. Der Schnee liegt auf der Wiese und wird unterbrochen von einzelnen grünen Grasflecken, die noch nicht oder nicht mehr von Schnee bedeckt sind. Der Titel des Gemäldes wird durch das eisige Blau der Strasse deutlich. Unser Gemälde „Vereiste Straße“ von 1911 entsteht im Rahmen einer Reihe von Winterbildern (Gemälde und Zeichnungen) im Winter 1910/1911, die durch ihre Kargheit der Bildmittel und Dominanz der Linie einen Stilwechsel markieren, der sich von den durch konturierte Farbflächen zusammengesetzten Bildern von 1910 deutlich unterscheidet. Die konturierende Linie scheint sich zu verselbständigen und die Führung im Bild zu übernehmen. Auch hier im Gemälde bildet die dunkle Umrisslinie die Kontur der Farbfelder, jedoch löst sich die Linie von dieser Aufgabe und gewinnt eine zeichnerische Autonomie. „Wer aufmerksam meine Gemälde betrachtet, der findet in ihnen den Zeichner“ schreibt Gabriele Münter 1952 rückblickend. Bemerkenswert in dieser Komposition ist wie es Münter gelingt, die Körperhaftigkeit der Farbflächen zurück treten zu lassen und die Linie in ihrer zeichnerischen Funktion in den Vordergrund zu rücken. Dabei etablieren sich einzelne Bildmotive als feste Bestandteile ihrer Bilder.

Zusammen mit anderen wichtigen Malern des Expressionismus wie Franz Marc und natürlich Kandinsky gehört sie zu den Gründungsmitgliedern des in München entstandenen Blauen Reiters. Auch wenn Münter zum Kern der Blauen Reiter gehört, greift sie nie die völlige Entwicklung zur Abstraktion auf, sondern bleibt bei der zwar abstrahierten, jedoch figurativen Malerei. Im Dezember 1911 eröffnet deren erste Ausstellung „Die erste Ausstellung der Redaktion der Blauen Reiter“, welche rund 43 Werke von 14 Künstlern zeigt, davon fünf von Münter. Das zur Auktion angebotene Gemälde entsteht im selben Jahr. Ein zweites, etwas grösseres Exemplar unseres Werks war Teil dieser einzigartigen Ausstellung und unterstreicht somit die Wichtigkeit unserer „Vereisten Strasse“.

CHF 200 000 / 300 000 | (€ 206 190 / 309 280)