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Lot 3227* - A181 Impressionismus & Moderne - Freitag, 30. Juni 2017, 14.00 Uhr

HEINRICH CAMPENDONK

(Krefeld 1889–1957 Amsterdam)
Kuh. Um 1914.
Gouache auf Papier.
Mit dem Nachlassstempel verso auf dem Unterlagekarton.
21,5 x 14,5 cm.

Provenienz:
- Edith Campendonk, Amsterdam.
- Sammlung Dr. Hans Werner Riedel und Dr. Ralf Dieter Loher-Riedel, München.

Ausstellungen:
- Krefeld 1960, Heinrich Campendonk. Museum Haus Lange, 22. Mai - 17. Juli (verso mit Etikett).
- München 1960, Lenbachhaus, 29. Juli - 4. September, Nr. 13.
- Düsseldorf 1972/73, Heinrich Campendonk. Städtische Kunsthalle, 12. Dezember - 21. Januar, Nr. 26, S. 27.
- Bonn 1973, Heinrich Campendonk. Städtisches Kunstmuseum, Städtisches Kunstmuseum, 30. Januar - 4. März, Nr. 26, S. 27.
- München 1976, Heinrich Campendonk - Edith van Leckwyck. Galerie Wolfgang Ketterer, Kat. Nr. 13 (mit Abb.).

Literatur: Firmenich, Andrea: Heinrich Campendonk 1889 - 1957. Leben und expressionistisches Werk, Recklinghausen 1989, Nr. 486 G (mit Abb.).

„Man kann ein Bild von Campendonk nicht erklären, denn das Mysterium ist unerforschlich.
Durch Analyse zerhackt man seine Seele und bringt sich um den köstlichen Genuß.“
So beschreibt 1918 sein Freund und Schriftsteller Walter Schürmeyer das Phänomen Campendonk.

Heinrich Campendonk folgt 1911 der Einladung Franz Marcs und zieht von Krefeld nach Sindelsdorf. Dieser Umzug ist der entscheidende Impuls für sein weiteres Schaffen. Sein Studienfreund, Helmut Macke, stellte den Kontakt zu August Macke, seinem Cousin, und den anderen Mitgliedern des Blauen Reiters her. In der engen Auseinandersetzung mit den anderen Künstlern in Sindelsdorf und Umgebung erfährt Campendonk Anerkennung und Anregung für die besondere Qualität seines sich entwickelnden Stils: die Vitalität der Farbe, die Einbettung der Dinge in ein Geflecht aus konstruktiven Formen und die Gratwanderung zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. In Bayern angekommen, blüht Campendonk regelrecht auf. Die Vielzahl an neuen Einflüssen stärkt und inspiriert ihn. Er ist der jüngste Teilnehmer an der legendären ersten Ausstellung des Blauen Reiters, die vom 18. Dezember 1911 bis zum 1. Januar 1912 in der Galerie Thannhauser in München stattfindet. In engem Austausch mit Wassily Kandinsky, dem 1910 der Durchbruch zur Abstraktion gelingt und der in seinem theoretischen Meisterwerk „Über das Geistige in der Kunst“ eine metaphysische Farbauffassung erarbeitet, mit Franz Marc, der in seinen farbintensiven Tierdarstellungen die absolute Harmonie von Tier und Natur postuliert oder mit den anderen kreativen Mitstreitern Jawlensky, Macke, Münter, Werefkin, Klee, Erbslöh oder Kanolt kann Campendonk seine eigene Bild- und Farbauffassung entwickeln. Es sind nicht nur die sehr unterschiedlichen Bildkonzepte, die in der Gemeinschaft des Blauen Reiter aufeinander prallen, es ist auch der rege theoretische Diskurs, der zu einem in der Kunstgeschichte einmalig fruchtbaren Umfeld führt.

Campendonks Bilderwelt folgt dabei einem eigenen Kanon: schwebend, verharrend, verwoben bildet sich ein autonomes Mysterium. Seine Bilder sind eine in sich geschlossene Welt, dies je mehr der Betrachter versucht sie zu entschlüsseln, desto unergründlicher bleibt. So postuliert auch Giesla Geiger etwa 100 Jahre nach der Äußerung von Walter Schürmeyer: „ Je länger man sich vertieft, desto rätselhafter wirken sie.“ (zit. nach: Geiger, Gisela. Heinrich Campendonk. München 2013, S.12)

Die Rätselhaftigkeit seiner Darstellungen hat verschiedene Quellen. Campendonks Bilder folgen einer werkimmanenten Symbolik - äquivalent dem Bilderkosmos Marc Chagalls. Stets an der Grenze zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit wandelnd, löst sich das Dargestellte nie ganz von der mimetischen Wiedergabe. Vielmehr gewinnt sie im Laufe seines Schaffens an Bedeutung. Die Farbverläufe, stilisierten Formen und wechselnden Raumtiefen zerlegen die Bildinhalte versatzstückhaft, überschneiden einander in kubistisch anklingender Transparenz und stellen sie in einen losen Zusammenhang. Die Einflüsse Pablo Picassos und Georges Braques hinterlassen ebenso Spuren in Campendonks Raumaufassung wie die prismatische Zerlegung Robert Delaunays.

Ein Lieblingsmotiv Campendonks ist die Kuh bzw. der Stier. Inspiriert von Franz Marcs Tierdarstellungen und eingebettet in die ländliche Umgebung Oberbayerns, in der Kühe, Katzen und Pferde zum alltäglichen Bild gehören, geht er malerisch ganz in dieser Bildwelt auf. Für Heinrich Campendonk ist dieses Tier in zweifacher Hinsicht metaphorisch aufgeladen und für sein Werk essentiell, wie er selber 1908 in einem Brief an Adelheid Deichmann, seine spätere Ehefrau, ausführt: „Im Wappen des hl. Lukas ist ein Rindvieh. Folglich muss man so geduldig wie ein Rindvieh sein (…).“ Der Hl. Lukas, als Evangelist durch den Stier symbolisiert, ist der Schutzpatron der Malerei und ein zentrales Motiv seiner Zunft. Gleichzeitig bringt Campendonk auch das Geduldsmotiv ins Spiel, die Ausdauer und Beharrungsvermögen, die dem Künstler im Schaffensprozess immer und immer wieder abverlangt wird.

Zentrales Gestaltungselement von Campendonk ist jedoch die Farbe. „Ich fühle immer mehr, daß mein Weg der Weg der Farbe sein wird, und daß ich verzichten muss auf alles andere.“ (Heinrich Campendonk in einem Brief an Adelheid Deichmann 1909). Schon früh beschäftigte Campendonk sich eingehend mit Farbtheorien und kreiert leuchtende Werke, die von der poetischen Kraft der Farbe Robert Delaunays inspiriert werden. Das hier angebotene Bild „Die Kuh“ ist eine außergewöhnlich dichte und harmonische, farbliche Komposition, die von den Komplementärkontrasten, die das Rot-Grün und Orange-Blau im gegenseitigen Spannungsfeld gesteigert hervorbringen, dominiert wird. 1914, im Jahr der Auflösung des Blauen Reiters, findet Campendonk ganz souverän zu seinem eigenen Stil und läßt die einzelnen leuchtenden Farbelemente trotz der geometrisch-tektonischen Strenge als harmonische Einheit zusammenklingen.

CHF 120 000 / 180 000 | (€ 123 710 / 185 570)

Verkauft für CHF 156 500 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr