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Lot 1283 - A184 Decorative Arts - Donnerstag, 22. März 2018, 10.00 Uhr

PENDULE "AUX TETES DE BELIER",

Louis XVI, die Bronzen aus einer Pariser Meisterwerkstatt, das Zifferblatt sign. BOURDIER A PARIS (Jean Simon Bourdier, Meister 1787) sowie bez. DUBUI(SSON) (Etienne Gobin, genannt Dubuisson, 1731-ca. 1815), Paris um 1790.
"Carrara" sowie "Griotte Rouge"-Marmor. Vasenförmiges Gehäuse mit Blütenaufsatz und markanten seitlichen Widderköpfen auf geschweiften Stützen mit Tatzenfüssen und Bastionssockel mit gequetschten Kugelfüssen. Fein bemaltes, teils vergoldetes Emailzifferblatt mit römischen Stunden- und arabischen Minutenzahlen sowie Datum. 3 feine, teils durchbrochene und vergoldete Zeiger. Ankerwerk mit Graham-Gang und 1/2-Stundenschlag auf Glocke. Ausserordentlich feine Beschläge und -applikationen in Form von Maskaronen, Blattwerk, Rosetten und Zierfries.
H 62 cm.

Provenienz: Privatbesitz, Schweiz.

Eine Porzellanpendule mit identischen Bronzen, stammend aus der Sammlung W. Philipps, wurde bei Christie's New York am 23.101998 (Katalognr. 25) angeboten. Eine weitere Porzellanpendule mit teils identischen Bronzen ist Teil der Sammlungen des Victoria & Albert Museum in London (Inventarnr. 1005-1882) und abgebildet in: O. Brackett, Catalogue of the Kones Collection, London 1922; I, Tafel 60 (Nr. 259). Eine sehr ähnliche Pendule mit identischen Widderköpfen und Tatzen ist abgebildet in: S. de Ricci, Louis XVI Furniture, New York o.J.; S. 269. Die Bronzen der erwähnten Pendulen werden allesamt P. Gouthière zugeschrieben.

J.S. Bourdier genoss den Ruf, einer der innovativsten Uhrmacher und bester "mécanicien en musique" seiner Zeit zu sein. Seine bedeutendsten Werke befinden sich heute in Madrid und Aranjuez. 1788 stellte er seine erste Pendule mit Sekundenanzeige, astronomischen Zeichen und neuartigem Pendel her. Zwei Jahre später produzierte er eine Uhr mit einjähriger Laufzeit. Für König Karl IV von Spanien beendete er 1799 einen Musikautomaten mit einem Flötenduo, begleitet von einem Saiteninstrument, das ein 12 Melodien spielendes "piano à deux parties" imitierte. Um diese musikalischen Innovationen zu verwirklichen, erfand Bourdier ganze Serien von Spezialwerkzeugen, die er auch auf den Markt brachte, allen voran die Zylinderwalzen. Seine Pendulen baute er auch in Kabinetts ein; einige wurden von Daguerre & Lignereux sowie von Julliot verkauft. Er verwendete die Uhrgehäuse der Witwe Lieutaud, von J.H. Riesener, C. Galle, P.P. Thomire, F. Rémond, F. Schwerdfeger, F. Vion und Walner, sowie auch solche in Sèvres-Porzellan. Die Zifferblätter liess er von Dubuisson und Coteau malen. Bourdiers Werke sind heute Bestand der bekanntesten Museen: Patrimonio Nacional in Spanien, Vicotria & Albert Museum in London, Musée des Arts Décoratifs in Lyon, Musée du Château de Malmaison, Musée national des Techniques in Paris, Ermitage in St. Petersburg.

Etienne Gobin, genannt Dubuisson, war nebst Joseph Coteau der talentierteste und bekannteste Emailleur jener Epoche. Er wurde in Lunéville geboren und arbeite zunächst als Porzellanmaler in Strassburg und Chantilly. 1756-1759 war er für die Manufacture de Sèvres tätig und spezialisierte sich auf das Bemalen von Uhrgehäusen und Emailzifferblättern. Seine ausserordentlich feinen Arbeiten verkaufte er vor allem Uhrmachern wie Dieudonné Kinable - berühmt für seine Lyrapendulen - und Robert Robin, dem Hoflieferanten des Königs Louis XVI.

P. Gouthière erhielt 1767 das Brevet "Doreur seul ordinaire des Menus Plaisir du Roi", verliehen von seinem "Protecteur", dem Duc d'Aumont. Fehlspekulationen, allzu gewagte Investitionen in Immobilien und eine unsorgfältige Geschäftsführung brachten den für seine hervorragenden, aber teuren Bronzen bekannten Gouthière in finanzielle Schwierigkeiten. Als die Aufträge der wichtigsten Kunden Madame du Barry, Duchesse de Mazarin und Duc d'Aumont wegen der Revolution ausblieben, erlitt das Unternehmen 1787 Bankrott und "ruine totale". Dennoch arbeitete P. Gouthière bis zu seinem Tod 1813 weiter, wenn auch auf bescheidener Ebene.
Gouthières Reputation als "artiste hors pair" zeigt sich in Käufen von König Louis XVI für das Museum - er kaufte 20 von 34 Pendulen, Marie-Antoinette drei. Durch die Beteiligung an Dekorationsarbeiten in grossen Pariser Häusern pflegte er regelmässigen Kontakt zu den Architekten C. de Wailly, E.L. Ledoux, A.J. Gabriel und F.J. Bellanger und zu den Künstlern L.S. Boizot, J.D. Dugoure und G.P. Cauvet, die sich der neoklassizistischen Formensprache widmeten. Zu P. Gouthières Kundschaft gehörten ausser Louis XVI und Marie-Antoinette der Comte d'Artois, der Duc de Duras, die Duchesse de Vileroy, die Prinzessin Kinsky, der Marquis Marigny und die Financiers Randon de Boisset, Baudert de Saint-James und Thélusson.

Lit.: J.D. Augarde, Les ouvriers du temps, Genf 1996; S. 286f. (biogr. Angaben Jean Simon Bourdier). Thieme/Becker, Leipzig 1999; 13/14, S. 283 (biogr. Angaben zu Dubuisson). H. Ottomeyer / P. Pröschel, Vergoldete Bronzen - Die Bronzearbeiten des Spätbarock und Klassizismus, München 1986; I, S. 208 (Tafel XXV, eine Girandole von P. Gouthière) und S. 286f. (Abb. 4.15.1 bis 4.15.6, Kerzenstöcke mit vergleichbarer Grundstruktur). Ibid., II, S.561-642 (biogr. Angaben Pierre Gouthière).

CHF 38 000 / 58 000 | (€ 39 180 / 59 790)

Verkauft für CHF 46 100 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr