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Lot 3256* - A185 Impressionismus & Moderne - Freitag, 29. Juni 2018, 16.00 Uhr

WILHELM LEHMBRUCK

(Duisburg 1881–1919 Berlin)
Büste des Emporsteigenden Jünglings. 1913.
Steinguss, Lebzeit.
Höhe: 53,3 cm.

Wir danken Prof. Dietrich Schubert für die freundliche Hilfe und für die Bestätigung der Authentizität dieses Werkes sowie dessen Einordnung als Lebzeitguss, Universität Heidelberg, 14. April 2018.

Provenienz:
- Privatsammlung Duisburg, direkt vom Künstler erhalten.
- Von den Nachfahren des Erstbesitzers direkt in den heutigen deutschen Privatbesitz.

Literatur:
- Schubert, Dietrich: Wilhelm Lehmbruck, Catalogue raisonné der Skulpturen, 1898-1919, Worms 2001, Darstellung anderer Güsse S. 275-77, Nr. 69.A6.
- Schubert, Dietrich: Wilhelm Lehmbruck: Büste des Emporsteigenden Jünglings, in: Schwarz, Dieter (Hrsg.): Lehmbruck, Brancusi, Leger, Bonnard, Klee, Fontana, Morandi, Düsseldorf 1997, S. 10-33.

Wilhelm Lehmbruck zählt zu den bedeutendsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts. Seine Formgebung, seine gedehnten Körper sind einzigartig. Sein Werk ist stark von Rodin und Maillol beeinflusst und übersteigt dieses durch eine sehr expressive Formgestaltung.
Nach dem Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie zieht Lehmbruck 1910 nach Paris. Er frequentiert das Café du Dôme, wo er Bildhauer wie Brancusi, Archipenko und Modigliani trifft. Hier begegnet er auch der Technik des Steingusses, oder des „Cementgusses“ wie er in dieser Zeit auch genannt wird, und welcher von Brancusi bereits verwendet wird. Im Mittelalter nutzte man Steingüsse für grosse Skulpturen an Kirchen, das Verfahren wird jedoch hauptsächlich bis Anfang des 20. Jahrhunderts architektonisch eingesetzt. Neue Zementmischungen ermöglichen aber mehr künstlerische Möglichkeiten, was der Experimentierfreudigkeit Lehmbrucks entgegenkommt.
Seine Skulpturen sind nicht immer aus dem Material, aus dem sie zu sein vorgeben. Lehmbruck tönt seine Steingüsse beige, ockerfarben, bläulich, grau, rötlich, so dass bei den verschiedenen Ausformungen immer ein jeweiliges Original entsteht. Bereits 1911 äussert er gegenüber Julius Meier-Graefe, dass er den Steinguss präferiert.

Die bedeutendsten Werke Lehmbrucks entstehen in dem Jahrzehnt zwischen 1910 und dem frühen Tod des Künstlers 1919. Die angebotene Büste ist zu Lebzeiten des Künstlers gegossen und ist ein Teil von Lehmbrucks monumentaler Skulptur „Der Emporsteigende Jüngling“ (Abb. 1), welche 1913/14 konzipiert wird. Überlebensgross und mit dünnen, verlängert wirkenden, gedehnten Gliedern steht der junge Mann im Raum über einer dünnen Plinthe. Mit streng aufgerichtetem Körper stemmt das rechte Standbein das Gewicht des Körpers, während das linke auf einem Stein oder einem Erdklumpen ruht. Sehr charakteristisch für das Werk Lehmbrucks ist die Gestaltung von geradezu architektonischen Figuren, oft verglich man sie mit der Gotik, wirkt doch zum Beispiel das linke Bein fast wie ein Strebepfeiler. Der Mann macht einen zwiespältigen Eindruck, man ist sich unsicher, ob er nun tatsächlich emporsteigt oder eher zögernd zuwartet. Von den beiden vor der Brust verschränkten Armen weist der Linke mit der Hand zeigend nach oben, jedoch ist der Kopf nach unten geneigt, eher auf den ruhenden linken Fuss achtend. Der "Emporsteigende" wirkt nachdenklich. Lehmbruck schafft dadurch eine vom Betrachter unmittelbar erfahrbare, vielschichtige Spannung. Es ist bestimmt so, dass auch die historische Situation so kurz vor dem Ersten Weltkrieg hier miteinfliesst.
Der "Emporsteigende Jüngling" erinnert an die „Große Kniende“ und oft wird seine Nähe zur „Großen Sinnenden“ betont, mit der er in Dialog treten könnte, auch wenn der Künstler beide Figuren unabhängig voneinander schafft. Im Leopold Museum stehen sie einander zwar gegenüber, aber leicht schräg gestellt, um trotz Nähe eine Distanz zwischen beiden aufzubauen. Auch das Museum in Winterthur zeigt zurzeit die beiden Büsten vis-à-vis, was eine sehr schöne Wirkung erzeugt.

Der vorliegende Steinguss ist besonders schön in den Details, wie zum Beispiel den sehr ausgeprägten Haarsträhnen am Hinterkopf, welche bei späteren Güssen verloren gegangen sind. Heute kennt man nur drei Güsse dieser Qualität und aus der Lebzeit: Derjenige in Winterthur, ein Exemplar in Privatbesitz in Deutschland und das hier angebotene.

CHF 150 000 / 250 000 | (€ 154 640 / 257 730)

Verkauft für CHF 324 500 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr