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Lot 3059* - A188 Gemälde Alter Meister - Freitag, 29. März 2019, 14.00 Uhr

GERRIT DOU

(1613 Leiden vor 1675)
Eine Heringsverkäuferin mit Dienstmädchen in einer Nische.
Öl auf Holz.
Mit Signatur und Datum auf der Brüstung der Nische: G. DOUW. 1651.
46 x 36,2 cm (oben abgerundet).

Provenienz:
- Graf Lothar Franz von Schönborn (1655 – 1729), Pommersfelden, erworben vor 1719; aufgelistet im Inventar von R. Bys,1719, unter den Mahlereyen in dem Audienzzimmer des Churfürstlichen Privatschlosses zu Pommersfelden Nr.17: Eine Krämerin/ so Häring, Fisch und Krauter verkauffet. V. Gerard Dau (1/7; 1/3).
- Auktion Graf Schönborn, Pommersfelden, Paris, 17.5.1867, Los 19 (ffrs 42.000).
- Russische Sammlung Prinz B. Narischkine, Paris, 1867 bis 1883.
- Auktion Prinz B. Narischkine,bei Chevalier Paris, 5.4.1883, Los 11, mit Abb. (50.000 ffrs.).
- Auktion Sammlung Sydney Lamon, New York, Christie's, London, 29.6.1973, Los 23, mit Abb. (11.000 gns. an Braendle).
- Europäische Privatsammlung.
- Auktion Koller, Zürich, 21.9.2007, Los 3050.
- Schweizer Privatsammlung, bei obiger Auktion erworben.

Ausstellung:
Pictures of Every Day Life. Genre Painting in Europe 1500 – 1900, Carnegie Institute, Pittsburg, Oktober – Dezember 1954, Nr. 33, mit Abb.

Literatur:
- Martin, Wilhelm: Het Leven en de Werken van Gerard Dou, Leiden 1901, S. 222, Nr. 254.
- Martin, Wilhelm: Gerard Dou. Des Meisters Gemälde, in: Klassiker der Kunst, Berlin 1913, S. 132 (Abbildung des Stiches von Le Faivre).
- Hofstede de Groot, Cornelis: A Catalogue Raisonne, etc., London 1913, Nr. 193.
- Hantsch, Hugo / Scherf, Andreas: Quellen zur Geschichte des Barocks in Franken unter dem Einfluss des Hauses Schönborn, 1931, S. 253.
- Bys, Rudolf / Bott, Katharina (Hg.): Fürtrefflicher Gemähld- und Bilderschatz. Die Gemäldesammlung des Lothar Franz von Schönborn in Pommersfelden, Weimar 1977, Nr. 191.

Gutachten:
- Prof. Werner Sumowski, 12.2.2006, nach Begutachtung des Originals (als Gerrit Dou).
- Mikroanalytisches Labor Prof. Dr. Elisabeth Jägers und Dr. Erhard Jägers, 21.6.2006.
- Dr. Albert Blankert hat 2007 die Eigenhändigkeit dieses Gemäldes nach Ansicht des Originals mündlich bestätigt (als Gerrit Dou).

Das Gemälde ist im RKD, Den Haag, als ein eigenhändiges Werk von Gerrit Dou archiviert.

Gerrit Dou gilt als der berühmteste Schüler Rembrandts (1606 – 1669) und war Gründer und Hauptvertreter der Leidener Feinmalerei. Seine herausragende künstlerische Fähigkeit und die jüngst geprägte Gattung der Genremalerei – insbesondere die Marktszenen in einer Nische – führten zu einer grossen Nachfrage seiner Gemälde, die bei Sammlern hochgeschätzt waren.

Sowohl Prof. Werner Sumowski als auch Dr. Albert Blankert, die das Gemälde im Original begutachtet haben, bestätigen die Eigenhändigkeit. Im Auktionskatalog von 1883 wird die herausragende Qualität hervorgehoben: „Tableau de premier ordre dans l'oeuvre du maître. Finesse exquise. La tête de la jeune fille est fraîche et naïve. Tous les accessoires sont peints avec une délicatesse incomparable“ .

Sumowski vermutet, dass die Signatur und Datierung von fremder Hand ergänzt wurde. Sowohl im Inventar von Schönborn von 1719 als auch im Schönborn Auktionskatalog von 1867 fand diese bereits früh aufgetragene Signatur Erwähnung. Ein solcher früher Nachtrag ist nicht verwunderlich, da zahlreiche Werke von Dou unsigniert und undatiert sind. Sumowski datiert das Gemälde in die frühen 1670er Jahre und reiht es stilistisch in die Werkgruppe des „Lebensmittelladen“ von 1672 im Buckingham Palace und des „Geflügelhändler“ der National Gallery in London aus demselben Jahr.

Dr. Ronni Baer ist anhand von Fotografien unsicher in Hinblick auf die Signatur und Datierung. Dr. Blankert sieht in diesem Gemälde das Original, nach welchem die grafischen Reproduktionen im Bridgewater House (HdG, Nr. 193 a, Martin 254 a) und im Wingfield Castle (Sammlung Graham Baron Ash, Norfolk) (HdG, Nr. 193 b) sowie das Gemälde in der Eremitage, St. Petersburg (HdG 192, Martin, 253) gefertigt worden sind.
Diese „Heringsverkäuferin mit Mädchen“ stellt ein kunsthistorisch interessantes Dokument dar; die Komposition ist gelungen und weist im Gesamtbild bis ins Detail die wesentlichen Charakteristiken Dous auf. Die Komposition lässt sich vor allem mit der „Heringsverkäuferin“ im Puschkin Museum, Moskau, Nr. 640, vergleichen, welche von Katharina der Grossen 1770 erworben wurde.

Die Provenienz dieser „Heringsverkäuferin mit Mädchen“ beginnt bei Graf Lothar Franz von Schönborn (1655 – 1729) in Pommersfelden, der es wohl über seinen Agenten Jan Joost van Cossiau auf einer Auktion in den Niederlanden zu Beginn des 18. Jahrhunderts erwarb. Anhand des Inventars des Schlosses Weissenstein bei Pommersfelden wissen wir, dass R. Bys 1719 das Gemälde für sein Audienzzimmer erwarb, wo sich zwei Gemälde von Anthonis van Dyck, „Achilles bei der Tochter von Lycomedes“ und „Amaryllis und Mirtillo“ befanden, die ursprünglich für die Empfangsräume des Stadthalters Frederik Hendrik in Den Haag gemalt und 1713 in Amsterdam versteigert wurden (in situ; S.J. Barnes u.a., Van Dyck. A Complete Catalogue of His Paintings, 2004, Nr. III 58 und III 59, mit Abb.).

Die Schönborner Sammlung gilt als eine der bedeutendsten Sammlungen des 18. Jahrhunderts und diente der Repräsentation und Machtdarstellung des Grafen Lothar Franz, der sich mit den fürstlichen Häusern in Wien und München mass. 1867 wurde das Gemälde als Teil der Schönborn Sammlung in Paris versteigert. Im Auktionskatalog wird das Gemälde als von feinster Qualität gelobt und als ein Hauptwerk des Meisters betitelt. Dieselbe Beschreibung wird 1883 verwendet, als das Gemälde erneut, dieses Mal als Teil der russischen Sammlung Narischkine, zur Auktion angeboten wird. Im Vorwort findet dieses Werk von Dou spezielle Erwähnung als dasjenige Gemälde „que W. Burger appellait a juste titre un chef d'oeuvre“. Die damalige hohe Bewertung des Gemäldes hatte sicherlich mit der Tatsache zu tun, dass das Gemälde in jedem Detail exemplarisch ist für die Kunst von Gerrit Dou.

Ronni Baer erwähnt, dass es Gerrit Dou war, der um 1650 die Marktszene in die holländische Malerei einführte (Gerrit Dou. 1613 – 1675, Master Painter in the Age of Rembrandt, 2000, S. 39). Die erste Darstellung einer Fensterrahmung Dous entstand 1652 und zeigt ein Küchenmädchen, heute in der Staatlichen Kunsthalle, Karlsruhe. Wie Hecht erwähnt, gab diese Erfindung Dou wunderbare Möglichkeiten, die von ihm so geliebten illusionistischen malerischen Spielereien umzusetzen (Hecht, P.: Art beats Nature, and painting does so best of all. The paragone competition in Duquesnoy, Dou and Schalcken, in: Simiolus, 2002, S. 186). Es ging ihm dabei um die Wiedergabe von überzeugenden Szenen der Wirklichkeit, die mit der Natur selbst in Konkurrenz treten. Weitere Beispiele mit der Fensterrahmung aus dem Oeuvre Dous finden sich im Louvre, in der Sidney van den Bergh Sammlung, Wassenaar (HdG, 194), in der Eremitage (HdG, Nr. 190), im Pushkin Museum und in der Sammlung H.M. The Queen, Buckingham Palace (HdG, Nr. 187).

Kurz nachdem Dou das Fenstermotiv einsetzte, verwendete er auch zum ersten Mal François Duquesnoys Relief „Putti mit einer Ziege” als Dekoration seiner Fensterbrüstung. Die Gemälde vom „Geigenspieler” von 1653 in Vaduz und vom „Quacksalber” aus demselben Jahr in der Gemäldegalerie Wien sind die frühesten bekannten Beispiele dieses Motivs. Das Relief wurde danach immer wieder von Dou in seinen Kompositionen verwendet; eines der letzten Beispiele ist das Gemälde „Lebensmittelladen” von 1672 in der Sammlung der H.M. The Queen.

Hecht hebt hervor, dass Dous Motivation das Relief von Duquesnoy zu verwenden, darin liegt, die Überlegenheit der Malerei über die Bildhauerei darzustellen und im Speziellen die Überlegenheit seiner eigenen Malerei. Die „Heringsverkäuferin mit Mädchen“ sowie auch die anderen genannten Beispiele zeigen dies wie folgt: Während bei Duquesnoy die Putti sich bemühen eine Ziege durch eine Maske in die Irre zu führen, bietet Dou in dem vom Fenster umrahmten illusionistischen Raum ein aufregendes visuelles Spiel von lebensecht gemalten Details an, wovon der Genuss vor allem in der Überzeugungskraft der Scheinwirklichkeit steckt (Hecht, ebd., S. 190/196).

CHF 80 000 / 120 000 | (€ 82 470 / 123 710)

Verkauft für CHF 156 500 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr