Sie haben noch kein Login?

Klicken Sie hier um sich zu registrieren »


Wenn Sie bereits registriert sind - Login:




Lot 1187* - A196 Decorative Arts - Donnerstag, 25. März 2021, 13.30 Uhr

PENDULE "AUX CYGNES À CERCLES TOURNANTS"

Louis XVI, Paris um 1780. Das Werk wohl in der zweiten Hälfte des 19. Jh. ersetzt, gemarkt Marti & Cie.
Griotte rouge Marmor sowie Bronze glanz- und matt vergoldet bwz. versilbert. Gehäuse in Vasenform mit eingezogenem und durchbrochen mit Blumen gearbeiteten Deckel, getragen von zwei Schwänen mit Blumengirlande im Schnabel auf runden gestuften Sockel mit Quetschfüssen. Die Sockelwandung mit einem vergoldeten Relief eines tanzenden Reigens mit Amorfigur. Dekor in Form von Perlstäben sowie Blumen und Blattfriesen. Zwei weisse, sich horizontal drehende Emailzifferringe für die römischen Stunden- und arabischen Minutenzahlen. Späteres Werk mit Unruh und Halbstundenschlag auf Glocke. 1 Schlüssel.
D ca. 21 cm, H 52 cm.

Kleine Bestossungen am Marmor.

Provenienz:
-Sammlung François-Marie Taillepied (1802-1890)
-Auktion Galerie Durand-Ruel ‘Beaux Meubles et Bronzes d’Ameublement’. 11 rue Le Pelletier, Paris, 21.-22. Mai 1891 (Lot 95, ohne Abb.)
-Auktion Galerie Georges Petit ‘Objets d’Art et d’Ameublement’ Collection de M. H. Beéche, Paris 9. Mai 1904. (Lot 95, mit Abb. S. 27 im Katalog)
-Sammlung Léon Michel-Lévy (1846-1925), bei obiger Auktion erworben.
-Sammlung Galerie Au balancier de cristal, Paris 1949.
-Seither Privatbesitz Frankreich

Die vorliegende Schwanenpendule "à cercles tournants" besticht nicht nur durch ihre wunderbare Ästhetik und hohe Kunstfertigkeit, sondern weist auch eine namhafte Besitzergeschichte auf. Die Provenienz kann bis auf die Sammlung des französischen Politikers François-Marie Taillepied (1802 - 1890), seines Zeichens Vicomte de Bondy, ‘Pair de France’ (1841), Senator von Indre und Präfekt von Yonne, zurückgeführt werden. Dessen Sammlung wurde ein Jahr nach seinem Tod bei einer Pariser Auktion der Galerie Durand-Ruel aufgelöst. Die Pendule kam unter Lotnummer 95 zwar ohne Abbildung, jedoch mit einer zu unserer Pendule deckungsgleichen Beschreibung zum Ausruf:
"Pendule de bronze ciselé et doré, en forme de vase à cadrans tournants, sous un dôme ajouré, surmonté d’une graine. Ce vase est supporté par deux cygnes de bronze argenté, reliés par des guirlandes de roses, […], bas-relief de bronze doré, représantant une danse de nymphes."

Wie Taillepied in Besitz der Schwanenpendule kam, bleibt jedoch eine offene Frage. Möglicherweise ging sie durch Erbfolge in seinen Besitz über. Vermutlich wurde der erste Verkauf durch den ‘Marchand-Mercier’ Dominique Daguerre abgewickelt. Der in der Rue du Faubourg Saint-Honoré ansässige Nachfolger von Simon-Philippe Poirier, belieferte über sein Geschäft die Pariser Obrigkeit mit Luxusartikeln. Für ihn arbeiteten die bedeutendsten Bronzeschmiede seiner Zeit wie Pierre Gouthière (1732-1813), François Rémond (1747-1812) und Pierre-Philippe Thomire (1751-1843). Allem Anschein nach, konnte Daguerre das russische Zarenhaus im Jahre 1782 mit einer eine nahezu identischen Louis XVI Schwanen-Cassolette beliefern (Vgl. Christie’s, Auktion Paris, 22. Juni 2004, Lot 350).

Das Modell für das Schwanenpaar basiert auf einem Entwurf von Charles de Wailly (1730 - 1798) (Vgl. Svend Eriksen, Early Neoclassicism in France, London, 1974, Abb. 330). Der Zeichner hielt sich von 1754 bis 1757 in Rom auf, wo er antike Monumente studierte. Nach seiner Rückkehr nach Paris arbeitete er als Theaterdekorateur und Ornamentalist. Unter dem Schutz des Marquis de Marigny, Bruder von Madame de Pompadour und Superintendent der königlichen Bauten, war er damals einer der wichtigsten Wegbereiter des neuen Geschmacks "à la grecque". Seine Zeichnung für eine imaginäre Vase illustriert zwei Schwäne, die eine sog. Cassolette (Räuchergefäss) tragen.

Die zwei versilberten Bronzeschwäne, welche das vasenförmige Gehäuse stützen, sind einerseits Anspielungen auf den antiken Dualismus zwischen Liebe/Freundschaft (gr. 'eros'/'agape') und Weiblichkeit/Männlichkeit andererseits. Rücken gegen Rücken, durch eine Blumengirlande verbunden, bildet das Schwanenpaar ganz im Stil der Zeit eine harmonische Symmetrieachse. Die Vögel stehen in ihrer ikonographischen Bedeutung stellvertretend als Attribute der Liebesgöttin Venus und des Lichtgotts Apollon, dessen Wagen bei Einbruch der Nacht von einem Schwanenpaar gezogen wird.
Eine Louis XVI Schwanen-Cassolette, welche wahrscheinlich aus den russischen Zarensammlungen stammte, weist in der Gestaltung der Schwäne und des Domes grosse Ähnlichkeit zu unserer Pendule auf (Vgl. Christie’s, Auktion ‘Important mobilier et objets d'art, orfevrerie, céramiques’, Paris, 22. Juni 2004, Lot 350).

Es existieren noch zwei weitere bekannte Cassoletten dieses Modells mit alternierenden Sockeln, welche als Vergleichsbeispiele zu unserer Pendule herangezogen werden können: Ein Exemplar stammt aus der ehem. Sammlung Taylor (Vgl. Christie’s London, Juli 1912, Lot 544); Eine weitere mit einem Sockel aus krischrotem Marmor stand 1914 im Palais Gatchina. Dieses Schloss wurde ab 1766 von Antonio Rinaldi für den Günstling von Katharina II, Graf Orlov, gebaut.

Das Werk der Uhr wurde wohl in der zweiten Hälfte des 19. Jh. ersetzt. Das Werk ist gemarkt S. Marti & Cie. Medaille de bronze (hergestellt zwischen 1860 und 1889).

Die Uhr ist abgebildet bei: Tardy, La pendule française, 2. Teil, Paris 1969, S. 289 (Coll. Au Balancier de Cristal).

CHF 100 000 / 150 000 | (€ 103 090 / 154 640)