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Lot 3444 - A199 PostWar & Contemporary - Donnerstag, 02. Dezember 2021, 16.00 Uhr

WILLEM DE KOONING

(Rotterdam 1904–1997 New York)
Ohne Titel. 1973/75.
Öl und Gouache auf Papier auf Karton.
Unten rechts signiert: De Kooning. Zudem zwei weitere schwer leserliche Signaturen am Unterrand: De Kooning.
45 × 60 cm.

Provenienz:
- Marlborough Galleria d'Arte, Rome (verso mit dem Etikett).
- Europäische Privatsammlung.
- Vom heutigen Besitzer bei obiger Sammlung erworben, seitdem Privatsammlung Schweiz.

1904 kommt Willem de Kooning als jüngstes von fünf Kindern in Rotterdam zur Welt. Sein Vater, ein Weinhändler und Getränkefabrikant, verlässt die Familie zwei Jahre später. Der junge Willem wächst bei seiner Mutter auf, die als Bardame in einer Rotterdamer Hafenkneipe arbeitet. Wohl durch die wechselnden Männerbekanntschaften verbindet ihn eine Art Hassliebe zu seiner Mutter, die sich in seinem späteren künstlerischen Werk in seinem ambivalenten Frauenbild widerspiegelt.
1916 beginnt er eine Lehre als Grafiker, 1920 wird er Innenausstatter im Warenhaus Cohn & Donay und besucht, beeinflusst durch die aufkommende De Stijl Bewegung, die Abendkurse der Academie voor Beeldende Kunsten en Technische Wetenschappfen und schliesst dort 1924 als Meisterschüler ab. Die folgenden zwei Jahre nutzt de Kooning für Reisen in Belgien und Holland, besucht dort die Kunstakademien und entschliesst sich 1926 Europa Richtung Amerika zu verlassen.

Versteckt auf einem Frachter immigriert er, bekommt aber erst 1962 seine amerikanische Staatsbürgerschaft. Anfangs schlägt er sich mit Handwerker-Tätigkeiten durch, zieht 1927 nach New York und arbeitet dort als Gebrauchsgrafiker. Der eigene Neustart in den USA und die florierende Kunstszene in New York führen dazu, dass der junge Maler auch sein Verständnis von Kunst nochmals einem Neustart unterzieht. Unterstützt zum einem durch seine Ateliergemeinschaft mit David Smith und Arshile Gorky und zum anderen durch die Möglichkeit der Teilnahme am WPA, dem grossen Künstler-Hilfspaket der Roosevelt Regierung während der Grossen Depression, widmet sich De Kooning Mitte der 1930er Jahre vollkommen der Malerei. 1948 hat er in der Galerie von Charles Egan seine erste Soloausstellung, Josef Albers lädt ihn als Dozent ans Black Mountain College ein, das Museum of Modern Art tätigt einen Ankauf und Alfred H. Barr, der legendäre Gründungsdirektor des MoMA, schlägt ihn 1950 mit Jackson Pollock für die Teilnahme an der 25. Venedig Biennale vor, was seinen internationalen Durchbruch bedeutet. Die anfängliche Freundschaft zu Pollock schlägt mit der Zeit in Rivalität um, die jedoch für das künstlerische Œuvre beider Künstler sehr fruchtbar ist.

Mit seinem Umzug nach Springs in East Hampton in den späten 1950er Jahren wendet er sich 1957 thematisch ausschliesslich den abstrakt-expressiven Landschaften zu und nimmt bis ca. 1963 Abstand vom sonst beherrschenden Thema des weiblichen Aktes. Der grosse Erfolg seiner Ausstellung mit Landschaften bei Sidney Jannis führt zur Einladung zur II. documenta. Nach Umzug und umfassendem Atelierumbau, wendet sich de Kooning Mitte der 1960er Jahre wieder den „Frauenbildern“ zu, die diesmal aber in engem Zusammenhang mit den Landschaftsgemälden stehen. 1964 wird ihm die Presidential Medal of Freedom verliehen und er nimmt an der III. documenta teil. Die aufkommende Pop-Art beschäftigt Willem de Kooning, der mittlerweile in seinen 60ern ist, sehr. Er findet den Zugang nicht und es fällt ihm schwer, der neuen jungen Kunstrichtung Wertschätzung entgegenzubringen. Gleichzeitig fürchtet er auch um seine eigene Karriere. Die 1970er Jahre sind einerseits von grosser Schaffenskraft und Kreativität, andererseits aber auch von seiner zunehmenden Alkoholsucht und deren Folgen geprägt. Anfang der 80er Jahre wird bei de Kooning Alzheimer diagnostiziert, der dann auch schnell voranschreitet, so dass er trotz seiner anhaltenden Schaffenskraft vollkommen auf die Hilfe seiner Assistenten angewiesen ist. 1997 verstirbt Willem de Kooning.

Mit der Bekanntschaft von Franz Kline und Jackson Pollock wendet sich der junge Willem de Kooning zunehmend der Abstraktion zu und findet einen für sich sehr eigenen Weg. Denn anders als die Malerkollegen des neu aufkommenden Abstrakten Expressionismus, verbannt Willem de Kooning das Figürliche nie komplett aus seinem Œuvre. Ganz im Gegenteil ist es immer ein fester, wenn auch nicht immer eindeutig identifizierbarer Bestandteil. Obwohl immer den Abstrakten Expressionisten zugeteilt, wehrt er sich vehement, einer Kunstrichtung zu geordnet zu werden. In seiner künstlerischen Auffassung sieht er Kunst und Leben aufs Engste miteinander verwoben und sich gegenseitig bedingend. Für Pollock, Motherwell, u.a. bedeutet die Hinwendung zur Abstraktion die absolute Freiheit und Loslösung von jeglichen Themen, Traditionen, etc. Eben diese Freiheit gibt es in Willem de Koonings Auffassung nicht.

Sein gesamtes, umfassendes malerisches Werk wird im Grunde von zwei Themen beherrscht: Frauen und Landschaft. Die Darstellung von Frauen durchzieht in unterschiedlichster Weise all seine Schaffensphasen. Die frühen Frauendarstellungen der 1940er Jahre sind noch der Figuration verpflichtet. Der Einfluss Picassos ist nicht von der Hand zu weisen, aber auch die einsetzende Hinwendung zur Abstraktion wird deutlich. Es gibt die comic-haften Frauen der 1950er Jahre, die sich durch ihre kräftige Farbigkeit und die expressive Malerei auszeichnen. Dann findet man in den 1960ern die rubensartigen Frauen mit deutlich sexueller Konnotation, deren Farbgebung eher zurückhaltend ist. Zum Ende des Jahrzehnts werden die Körper abstrahierter, die sexuelle Darstellung aber expliziter.

Seine Landschaftsgemälde dagegen zeichnen sich durchgehend durch ihre expressive Malweise und ein hohes Mass an gestischer Abstraktion aus. Nur die Titel helfen dem Betrachter eine thematische Einordnung zu machen. Liegt diese jedoch vor, beginnt sich vorm geistigen Auge des Betrachters die Landschaft zu formieren.

Das vorliegende, unbetitelte Gemälde aus den Jahren 1973/75 gehört zu einer Reihe von kleinformatigen Werken. Mit dynamischen, teils breiten Pinselstrichen sind Weiss, Orange, Rot und Gelb die beherrschenden Farben dieser dichten, gestischen Komposition. Der dünne Farbauftrag ermöglicht das effektvolle Durchscheinen der unterschiedlichen Farbschichten, wodurch die Arbeit in die Dreidimensionalität geht. Schwarze, breite Linien, die an De Koonings Skulpturen der frühen 70er Jahre erinnern, ragen in die Komposition hinein. Obwohl sie auf den ersten Blick dominierend, fast aggressiv wirken, gelingt es dem Künstler meisterlich, diese schwarzen Linien in ihrem Ringen mit den farbigen Elementen perfekt in die Komposition einzufügen. Der starke Kontrast und die Dominanz dieser Elemente geben der gesamten Komposition erst ihren Zusammenhalt und ihre Dynamik.

Der hohe Abstraktionsgrad erschwert die thematische Zuordnung, und so ist die Entscheidung, ob es sich um eine reine Landschaftsdarstellung handelt, oder ob sich in der Landschaft "schwarze Figuren" räkeln, schwer zu treffen.

Es scheint, dass de Kooning längere Zeit an diesem Werk gearbeitet hat, da es neben der gut sichtbaren Signatur noch 2 weitere gibt, die im Laufe des Arbeitsprozesses übermalt wurden.

CHF 600 000 / 900 000 | (€ 618 560 / 927 840)

Verkauft für CHF 534 300 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr