Sie haben noch kein Login?

Klicken Sie hier um sich zu registrieren »


Wenn Sie bereits registriert sind - Login:




Lot 3007* - A192 Gemälde Alter Meister - Freitag, 19. Juni 2020, 14.00 Uhr

BICCI DI LORENZO

(1373 Florenz 1452)
Mystische Vermählung der Heiligen Katharina. Um 1445–50.
Tempera und Goldgrund auf Holz.
165 × 98 cm.

Provenienz:
- John Temple Leader (1810–1903), Castello di Vincigliata, Fiesole, 1900.
- Durch Erbfolge wohl an dessen Neffen, Richard Luttrell Pilkington Bethell, 3. Baron von Westbury (1852–1930).
- Alberto Fassini Camossi (1875–1942), Rom.
- Um 1920 in den Besitz dessen Erben übergegangen.
- Auktion Sotheby’s, London, 20.4.1988, Los 5.
- Privatsammlung, Reggio Emilia, 1994.
- Europäische Privatsammlung.

Literatur:
- Raimond van Marle: The Development of the Italian Schools of Painting, Den Haag 1923–1938, Bd. VIII (1927), S. 252, Abb. 150.
- Adolfo Venturi: Collezione d'arte del Barone Alberto Fassini. Pitture dal 300 all'800, Mailand 1930, Abb X.
- Bernard Berenson: Italian Pictures of the Renaissance, Oxford 1932, S. 85.
- Bernard Berenson: Pitture Italiane del Rinascimento, Mailand 1936, S. 73.
- Bernard Berenson: Italian Paintings of the Renaissance: Florentine School, Oxford 1963, Bd. I, S. 29.

Diese imposante Darstellung mit der mystischen Vermählung der Heiligen Katherina, die sich über Jahrzehnte in Privatbesitz befand, wird nun erstmals wieder auf dem Kunstmarkt angeboten. Von musealer Qualität stellt sie ein Glanzstück des Florentiners Bicci di Lorenzo zu Beginn der Frührenaissance dar, der künstlerisch stark der Tradition des Trecento verbunden ist. Die Tafel wurde erstmals von Raimond van Marle (1927) veröffentlicht, der sie mit Arcangelo da Cola di Camerino (aktiv um 1416–1429) in Verbindung brachte. Doch bereits drei Jahre später erkannte Adolfo Venturi (1930) die korrekte Autorschaft des florentinischen Malers Bicci di Lorenzo, an der die spätere Literatur (Berenson 1932, 1936, 1963) mit Recht festhielt.

Bicci di Lorenzo, dem diese Tafel zweifelsfrei zugewiesen werden kann, wurde in eine Künstlerdynastie geboren und war als höchst erfolgreicher Maler tätig. Als Sohn des Lorenzo di Bicci (um 1350–1427) übernahm er die florierende väterliche Malerwerkstatt, die während des frühen fünfzehnten Jahrhunderts in und um Florenz zahlreiche Aufträge erhielt. Später, nach Bicci di Lorenzos Tod (1452), sollte diese in der dritten Generation von seinem Sohn, dem geschäftigen Neri di Bicci (1418–1492) weitergeführt werden.

Als einer der führenden Maler in Florenz und Umgebung, war Bicci di Lorenzo überaus aktiv und erhielt einige der wichtigsten Aufträge seiner Zeit. So führte er beispielsweise die (nicht mehr erhaltene) Freskierung von Sant´Egidio in Florenz aus, wo er an der Seite der damals berühmtesten Renaissance Maler Domenico Veneziano (um 1410–1461) und Piero della Francesca (1416–1492) wirkte. Neben einer Vielzahl von Gemälden, erhielt er zudem mehrere Aufträge für den Dom und schuf die Freskendekoration in der Compagni-Kapelle in Santa Trinità. Die Freskierung der Chorkapelle von San Francesco in Arezzo gelangte bis zur Bemalung des Gewölbes bevor Bicci die Lorenzo noch während der Arbeiten verstarb. Piero della Francesca vollendete das Werk mit seiner Bildfolge der "Legende des Wahren Kreuzes", mit der er eine der berühmtesten Bildzyklen der Renaissance schaffen sollte.

Das monumentale Format der hier angebotenen Tafel legt nahe, dass sie den zentralen Teil eines grossen Altarbildes bildete und wahrscheinlich auf beiden Seiten von Darstellungen stehender Heiliger flankiert war. Ein vergleichbares Konzept verkörpert Bicci die Lorenzos grosses Altarbild in Perugia, das ebenfalls die "Mystische Vermählung der heiligen Katharina" zeigt (Galleria Nazionale dell'Umbria, Inv.-Nr. 79).

Professor Gaudenz Freuler vermutet, dass die Tafel als zentrales Element eines mehrteiligen Altarwerks für eine Gemeinschaft religiöser Frauen konzipiert wurde. Die "mystische Ehe der heiligen Katharina" war im Bereich der Frauenorden ein beliebtes Sujet, versinnbildlichte es doch ihr Engagement für Gott. Die Weiheliturgie für Nonnen verwendete traditionell die Bilder des himmlischen Bräutigams und gelegentlich trugen Nonnen sogar einen Ehering, um ihre spirituelle Verbindung als "Sponsae Christi" zu demonstrieren. Diese Thematik entwickelte sich insbesondere in der Mystik der Dominikanerinnen nördlich der Alpen und wurde dort in zahlreichen Schriftzeugnissen und Bildern festgehalten.

Unter dem Einfluss von Lorenzo Monaco (1370–1425) und Gentile da Fabriano (1370–1427) entwickelte Bicci di Lorenzo während seiner langen Karriere einen kohärenten, dynamischen Stil, der einerseits die Ästhetik der internationalen höfischen Gotik verinnerlicht, dabei jedoch auch von Biccis florentinischen Wurzeln zeugt und seine Vertrautheit mit den Werken der florentinischen Progressiven Masaccio (1401–1427) und Masolino (1383–1447) offenbart. Die Verbindung aus antikisierenden Renaissance Versatzstücken, etwa Throne mit verdrehten Säulen, Tabernakel und ähnliche prunkvolle Elemente, mit der traditionellen, gotischen Bildwelt, gepaart mit Bicci di Lorenzos aussergewöhnlicher Technik, wie sie auch in der vorliegenden Tafel eindrücklich zu Tage tritt, fand grossen Anklang bei seiner Auftraggeberschaft, und sollte später auch das Werk seines Sohns Neri di Bicci auszeichnen.

Beim Vergleich der vorliegenden Tafel und dem Madonnenbild des auf 1450 datierten Altars der Kathedrale in Fiesole (vgl. Zeri Archiv Nr. 10336), das zu den späten Werken unseres Künstlers zu zählen ist, wird deutlich, dass beide ähnlich konzipiert sind: Das Gesicht der Madonna ist, verglichen mit dieser, wie auch anderen späten Tafel Biccis, nach identischem Muster und stilkongruent gemalt, was ebenso auf die Figur des Jesusknaben zutrifft.

Auch in Hinblick auf die Raumempirik, die von den Bildfindungen des Domenico Veneziano aus den 1440er-Jahren beeinflusst ist, fallen deutliche Parallelen auf: Etwa die imposante Renaissance Thronarchitektur mit Sternengewölbe, die die gewundenen Säulen nach Vorbild der Kosmaten-Säulen einführt und eine überzeugende Räumlichkeit suggeriert, die zudem durch die auf einen Fluchtpunkt zulaufenden Bodenfliesen verstärkt wird.

Professor Gaudenz Freuler, dem wir für seine Hilfe bei diesem Katalogeintrag danken, datiert unsere Tafel folglich in die letzten Schaffensjahre des Künstlers um 1445–50.

CHF 250 000 / 350 000 | (€ 257 730 / 360 820)

Verkauft für CHF 341 900 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr