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Lot 3226 - A191 Impressionismus & Moderne - Freitag, 06. Dezember 2019, 16.30 Uhr

GERMAINE RICHIER

(Grans 1902–1959 Montpellier)
La Regodias (Renée Régodias). 1938.
Bronze, braune Patina.
Unten links am Hals signiert: G Richier. Auf der Rückseite mit dem Giesserstempel: CIRE PERDUE M. PASTORI GENÈVE.
40 x 17 x 27 cm (ohne Sockel).

Provenienz: Schweizer Privatsammlung, direkt von der Künstlerin erhalten und durch Erbschaft an die heutigen Eigentümer.

Literatur:
- Frehner, Matthias (Hrsg.): Germaine Richier - Retrospektive, Kunstmuseum Bern 2014, S. 72, Nr. 14 (mit Abb.; anderer Guss).
- Lammert, Angela/Merkert, Jörn: Germaine Richier, Akademie der Künste Berlin, 1997, S. 105, Nr. 8 (mit Abb.; anderer Guss).
- Prat, Jean-Louis: Germaine Richier, Retrospektive, Fondation Maeght, Saint-Paul-de-Vence 1996, S. 28, Nr. 4 (mit Abb.; anderer Guss aus der Familie Germaine Richiers).

Germaine Richier ist eine Pionierfigur der Avantgarde des 20. Jahrhunderts und ihr Werk zählt heute zu den wichtigsten Beiträgen in der modernen Tradition der Bildhauerei. Ab 1920 studiert sie an der École des Beaux-Arts in Montpellier bei Louis Jacques Guigues, einem ehemaligen Mitarbeiter von Auguste Rodin. Sie lernt in der zweiten Hälfte der 20er Jahre bei Émile-Antoine Bourdelle, seinerseits Schüler von Rodin. Ihre Ausbildung ist also gleich doppelt von einer kunsthistorischen Abstammung Rodins geprägt. Damit verbunden ist einerseits die Überwindung erstarrter, akademischer Traditionen, andererseits aber auch der noch vorherrschende Realismus. Lange wird die kunsthistorische Bedeutung von Richiers Werk als Vollendung, der sich im Verlaufe des 20. Jahrhunderts abschliessenden Traditionen und als Endpunkt des expressiven Realismus, eingestuft. Dies verkennt jedoch ihre Modernität, die darin besteht, dass sie ihre figurativen Plastiken oft mit einer Verfremdung versieht, welche einer kafkaesken Realitätsbefragung gleicht. Heute sieht man ihr Werk nicht mehr als Abschluss einer Entwicklung, sondern vielmehr als Orientierung für spätere Künstler. Sie nimmt viele bedeutende Positionen vorweg, wie z. B. jene von Georg Baselitz oder Rebecca Warren. In einigen Figuren spannt Richier Drähte, welche sehr an Francis Bacons Käfige erinnern. Diese Linien scheinen den Halt und eine Einordnung im Raum zu geben und so ist ihr Werk auch existenzialistisch zu verstehen. Man weiss inzwischen, dass ihre kunsthistorische Bedeutung derjenigen von Alberto Giacometti, ebenfalls ein Schüler Bourdelles, in nichts nachsteht. Da Germaine Richier 1959 früh verstirbt, bleibt ihr die entsprechende Breitenwirkung lange versagt.

Die beiden hier angebotenen Werke, die Bronzebüste „Regodias“ und der Gipsguss von „Le Crapaud“ (Los 3227) veranschaulichen schön die bei Richier vorhandene Verbundenheit zur Tradition und zum Realismus, welche jedoch mit idealisierenden oder surrealen Elementen versehen ist. Beide Werke stammen aus dem Nachlass eines mit ihr befreundeten Künstlers, welcher die Arbeiten direkt von Richier erhalten hat.

Die 1938 entstandene Bronzebüste stellt das professionelle Modell Renée Regodias dar. Anhand von zahlreichen Skizzen ist erkennbar, wie akribisch die Formsuche hier vor sich ging. Die klassische Technik von Bourdelles Triangulationsverfahren, welches die Oberfläche mittels eines Netzes aus Dreiecken konstruiert, hat Richier hier übernommen. Dies zeigt sich an dem mit blauen Linien übermalten Gips der Büste, welcher an Ausstellungen öfters gezeigt wurde. Die Proportionen sind perfekt und klar eingehaltenen Symmetrien verpflichtet. Die ruhige Wirkung der Büste beruht auf einer idealisierten, der Antike entlehnter Ästhetik. Jean Louis Prat vergleicht, anlässlich der bedeutenden Retrospektive 1996 in der Galerie Maehgt, die Büste der Regodias mit derjenigen der Berliner Nofretete.

Während Germaine Richier der menschlichen Figur über ihr ganzes Schaffen treu bleibt, verfremdet sie diese dennoch durch zum Teil tierische Gestalten und Haltungen. Zu den wichtigsten Themen in Germaine Richiers Werk zählen diese sogenannten hybriden Wesen oder Insektenmenschen. Sie nähert sich dem menschlichen Wesen gewissermassen von unten: Den hier angebotenen, frühen Frauenakt nennt sie „Le Crapaud“ (Los 3227), „die Kröte“. So durchkreuzt sie jede Erotik, die man bei Plastiken mit vergleichbaren, am Boden kauernden Frauenakten üblicherweise verbindet.

"Je suis le contraire de l’abstrait, mais les lois de l’abstraction ont une grande importance sur moi. " Germaine Richier.

CHF 10 000 / 15 000 | (€ 10 310 / 15 460)

Verkauft für CHF 83 260 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr