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Lot 3004 - A198 Gemälde Alter Meister - Freitag, 01. Oktober 2021, 14.00 Uhr

MEISTER DER TEMPERE FRANCESCANE

(tätig in Neapel um 1320–1360)
Heiliger Jakobus. Um 1355–60.
Tempera und Goldgrund auf Holz.
25,6 × 19 cm.

Provenienz:
- Europäische Privatsammlung.
- Schweizer Privatsammlung.

Mit einer ausführlichen kunsthistorischen Analyse von Prof. Dr. Gaudenz Freuler, Februar 2021.

Das aus einem grösseren Zusammenhang stammende kleine Tafelbild zeigt in frontaler Ansicht die Figur des Apostels Jakobus des Älteren. In ein lila Kleid mit Goldbordüren gekleidet, über das ein in elegantem Faltenwurf fallender Mantel geschlungen ist, sucht der Heilige mit fixierendem Blick die Aufmerksamkeit des Betrachters. In seiner Linken hält er den Pilgerstab samt Tasche mit seinem traditionellen Emblem der Muschel, während er mit der anderen Hand die Bibel hält. Die Tafel lässt gemäss Prof. Gaudenz Freuler stilistische Eigenheiten erkennen, die sich aus einer früheren, aus Giotto (ca. 1265–1337) und später zusätzlich aus Simone Martini (1284–1344) entwickelten Kunst herleiten lassen und sich unverkennbar mit der neapolitanischen Malerei um 1350–60 verbinden.

Die höchst elegante Darstellung des etwas verträumt wirkenden Apostels Jakobus d. Ä. lässt stringente Anklänge an das spätere Œuvre eines in Neapel tätigen Malers, des sogenannten "Meisters der Tempere Francescane", erkennen. Dieser gehörte um 1340 zu den Protagonisten der damals für den Hof der Anjou tätigen Künstler und seine Dienste waren auch im süditalienischen Umland sehr gefragt. In der Folge wurde dieser Maler mit Pietro Orimina (tätig um 1330–ca. 1360), dem Vater des damals berühmtesten neapolitanischen Buchmalers des Anjou Hofs, Cristoforo Orimina (1335–ca. 1370), identifiziert. Gleich wie andere Zeitgenossen unseres Malers, wandte er sich nach einer anfänglich eher von Giotto beeinflussten Phase zunehmend der gotischen Eleganz von Simone Martinis Kunst zu, welche die Erscheinungsbilder mit einer höfischen Eleganz verfeinerte. Simone Martinis Werke kannte unser Maler aus erster Hand, denn der grosse sienesische Maler stand bereits im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts am Anjou Hof in Neapel in hohem Ansehen. Simones Kunst sollte in der Folge am Hof der Anjou in Neapel und dem alliierten päpstlichen Hof in Avignon stilbildend werden (siehe Vergleichsbeispiele Analyse Freuler, 02.2021, fig. 13), was nun auch augenscheinlich für das hier in Rede stehende Gemälde mit dem Jakobus d. Ä. zutrifft.

Die elegante Heiligenfigur erscheint auf Goldgrund innerhalb eines mit Sticheltechnik gemusterten Rahmenbandes, das Simone Martinis gegen 1340 gemalte punzierte Tafeln nachempfindet. Ähnlich gestaltete unser Maler auch für ein stilistisch verwandtes in seiner dekorativen Pracht aber in etwas opulenterer Form vorgetragenes Madonnenbild, das anlässlich der Auktion in New York (Sotheby's, 31.1.2013, Los 16) Prof. Freuler dem Meister der Tempere Francescane zugewiesen hatte. Gleich wie bei der Madonna erkennen wir auch hier die für das Spätwerk unseres Malers typischen Verfeinerungen in der Körper- und Gesichtsbildung. Der Jakobus erscheint als schlanke gestreckte Gestalt, mit schmalen, etwas herabhängenden Schultern und dem typischen gelängten, mageren Gesicht, dessen Inkarnat mit feinsten tonalen Übergängen ausgearbeitet ist. Diese gelängten, elliptischen, sich durch eine hohe Stirnpartie auszeichnenden Gesichter, die auch in den Figuren seines berühmten, ca. 1345 gemalten Altarwerks von Ottana und im Freskofragment in Santa Lucia alle Malve in Matera ähnlich wiederkehren, lassen sich auf Typen herleiten, wie sie Simone Martini in seiner frühen Schaffensphase in der Unterkirche von San Francesco in Assisi und der imposanten Tafel des Ludwig von Toulouse in Neapel, also aus den Werken gegen 1315–1320, entwickelt hatte.

Aus der Werkstatt des Buchmalers Cristoforo Orimina ist in seiner letzten Schaffensphase der frühen 1360er-Jahre ein Missale (Avignon, Bibliothèque Municipale, Ms 138) hervorgegangen, dessen illuminierte Illustrationen ein stilistisch eng verwandtes Figurenrepertoire erkennen lassen, was sich beispielsweise am Vergleich unseres Jakobus mit der Figur der Heiligen Agnes einer Initiale N des erwähnten liturgischen Buches nachprüfen lässt. Dieser Stilvergleich mit einer Buchillustration der Werkstatt des Cristoforo Orimina bestätigt die Zuweisung unserer Tafel ins Milieu der Orimina, gleich wie auch die Identifikationsthese des Meisters der Tempere Francescane mit Cristoforo Oriminas Vater, Pietro Orimina, so zusätzlich bekräftigt wird. Unser subtil gemaltes Tafelbild von bemerkenswerter künstlerischer Qualität reiht sich in das Spätwerk des Meisters der Tempere Francescane (alias Pietro Orimina) ein. Es dürfte ca. 1355–60 entstanden sein und präsentiert sich als seltene und zugleich bedeutende Erweiterung des Werkkatalogs dieses erfolgreichen, am königlichen Hof der Anjou sehr gefragten Malers. Zugleich gewährt es uns einen neuen Einblick in das noch wenig erforschte Spätwerk unseres Künstlers.

CHF 28 000 / 35 000 | (€ 28 870 / 36 080)

Verkauft für CHF 36 900 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr