Sie haben noch kein Login?

Klicken Sie hier um sich zu registrieren »


Wenn Sie bereits registriert sind - Login:




Lot 1380* - A182 Decorative Arts - Donnerstag, 21. September 2017, 10.00 Uhr

1 PAAR GROSSE APPLIKEN,

Régence, A.C. BOULLE (André Charles Boulle, 1642-1732) zuzuschreiben, Paris um 1715/20.
Matt- und glanzvergoldete Bronze. Fein durchbrochene, blätterbeschmückte Wandplatte mit 2 markant gedrehten, ungleich hoch angesetzten Lichtarmen mit breiten Tropftellern und vasenförmigen Tüllen.
H 51 cm.

Provenienz: Aus französischem Besitz.

Als zeichnerische Vorlage des hier angebotenen Applikenpaares darf ein Entwurf von A.C. Boulle zu Beginn des 18. Jahrhunderts aus seinem "Receuil de modèles gravés", Tafel 8, publiziert von J. Mariette nach 1707, gelten; es finden sich darin die analogen Blattwerke der Wandplatte sowie die identischen Tropfteller und Tüllen. Die Tafel ist abgebildet in: H. Ottomeyer / P. Pröschel, Vergoldete Bronzen - Die Bronzearbeiten des Spätbarock und Klassizismus, München; I, S. 60f. (Abb. 1.9.4).

Ein identisches Paar war Bestand der Sammlung Ribolzi in Monte Carlo und wurde bei Sotheby's Paris am 30.11.2011 (Katalognr. 38) verkauft. Ein weiteres, identisches Paar wurde bei d'Orsay Paris am 14.12.1979 (Katalognr. 100) verkauft. Eine Variante davon, mit 3 Lichtarmen, ist Teil der Sammlugen des Palais Rohan in Strassburg.

A.C. Boulle, bereits in jungen Jahren als "menuisier d'art" und "charpentier" tätig, arbeitete als polyvalenter Künstler in den 1660er Jahren in der Abbaye Sainte-Geneviève als Maler, Bildhauer und Stukkateur. Diese Tätigkeiten ermöglichten ihm den Zugang zur Académie St. Luc und brachten ihm den ersten Auftrag des Königs ein, zwei Gemälde. Der am französischen Hof tätige Colbert erkannte sehr früh das künstlerische Talent des jungen Boulle und lobte ihn als "le plus habile dans son métier". Boulle erhielt durch ihn als Nachfolger von J. Macé eine Wohnung im Louvre. Es folgte ein rasanter Aufstieg mit zahlreichen Aufträgen, die ihm den Titel "architecte, peintre, sculpteur en mosaique, ciseleur-graveur, marqueteur, inventeur de chiffre" und das Privileg einbrachten, mehrere Aktivitäten zu kombinieren, was angesichts der starken Korporationen der Zünfte eine enorme Freiheit bedeutete: Er konnte all diese Tätigkeiten in seinem Atelier ausüben. Der riesige Erfolg seiner qualitativ hochwertigen Möbel, Bronzen, Pendulen, Leuchter, Postamente und Einrichtungsgegenstände führte zu einer Fülle von Aufträgen für den französischen Hof, aber auch für die gesamte führende Adelsschicht von Frankreich, wie zum Beispiel für die Ducs d'Orléans und de Bourbon, für den Prince de Condé, die Duchesse du Barry, den Kardinal von Rohan, für ausländische Könige und Fürsten wie König Philippe V. von Spanien, den Bischof von Köln und Prinz Maximilian Emanuel von Bayern. Trotz des enormen Erfolges kämpfte Boulle ständig mit finanziellen Problemen und war auf die Hilfe des Königs angewiesen, wie beispielsweise im Jahr 1703: "Le Roi a bien voulu accorder cette fois encore à Boulle un arrest de surséance pour six mois à condition que ce sera la dernière grâce que sa Majesté luy fera là-dessus". Es waren die finanziellen Schwierigkeiten, vor allem die ausstehenden Lohnauszahlungen an seine Arbeiter, und Steuerprobleme, die Boulle im Jahr 1715 zwangen, das Unternehmen an vier seiner Söhne zu überschreiben - allerdings ohne die Zügel aus der Hand zu geben. Bis ins hohe Alter blieb er in seiner Werkstatt tätig und war verantwortlich für die neue Formensprache der Régence.
Die ursprünglich aus Italien und Holland stammende Einlegearbeit mit Messingfilets, Schildpatt und Elfenbein wurde im späten 17. Jahrhundert von dem für den Hof im Louvre tätigen A.C. Boulle zu höchster Vollendung weiterentwickelt; daher wird diese Technik als "Boulle-Marketerie" bezeichnet. Als zeichnerische Vorlagen für die Motive dienten vor allem die Arbeiten von J. Bérain.

Lit.: Die Kunst des französischen Möbels, München o.J.; S. 67-109 (biogr. Angaben). J.P. Samoyault, André-Charles Boulle et sa famille, 1979.

CHF 45 000 / 55 000 | (€ 46 390 / 56 700)

Verkauft für CHF 54 500 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr