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Lot 1097* - A142 Möbel, Porzellan & Dekoration - Donnerstag, 20. September 2007, 10.00 Uhr

PRUNK-KOMMODE MIT BOULLE-MARKETERIE,

Régence, aus einer Pariser Meisterwerkstatt, um 1720/30.
Polychromes Schildpatt allseitig ausserordentlich fein eingelegt mit graviertem Messing in "contre partie"; ovale Kartusche mit Szene aus den Metamorphosen von Ovid, mit König Midas, Pan, Apollo und Bacchus, Eichhörnchen, Arabesken, Blumen, Blättern, Kartuschen und Zierfries. Bombierter Korpus mit vorstehendem, in profilierten Bronzestab gefasstem Blatt auf wellig ausgeschnittener Zarge mit geschweiften Beinen. Front mit 2 Schubladen. Ausserordentlich feine, matt- und glanzvergoldete Bronzebeschläge, -sabots und -applikationen in Form von Löwenköpfen, Kartuschen, Blättern und Zierfries. 129x65x84 cm.

Provenienz: - Galerie Didier Aaron, Paris. - Aus einer hochbedeutenden europäischen Privatsammlung. Als "Rarissima" zu bezeichnende Prunkkommode von perfekter Qualität und Eleganz, den höfischen "style Régence" in exemplarischer Weise manifestierend. Das Gegenstück unserer Kommode ist abgebildet in: A. Pradère, Die Kunst des französischen Möbels, München 1990; S. 113 (Abb. 70). Es besitzt die identische Formgebung, Bronzen und Marketerie, allerdings wurde der originale Marmor durch eine Portor-Platte ersetzt. Der Autor schreibt die Kommode dem Ebenisten N. Gérard zu, aufgrund eines Vergleichsstückes aus der berühmten Pariser Kotschoubey-Auktion 1906 - an ihm sind ähnliche Bronzebeschläge vorzufinden. Eine weitere Kommode mit identischen Eckbronzen wurde in unserer Juni-Auktion 1994 (Katalognr. 1032) verkauft. Ein Paar Kommoden mit Boulle-Marketerie ist ausserdem zu erwähnen, die aus der Sammlung Ojjeh stammen und am 25.6.1979 bei Sotheby's Monte Carlo verkauft wurden (Katalognr. 31). Es wurde dem Atelier von A.C. Boulle zugeschrieben. Eine weitere Kommode mit 3 Schubladen und Boulle-Marketerie, N. Gérard zugeschrieben, stammt aus der Sammlung R. Hoe in New York und wurde am 19.5.2004 (Katalognr. 131) bei Christie's verkauft. Sie besitzt nicht nur die identischen Eckbronzen, sondern auch das identische Blatt "en première partie" mit dem figuralen Zentralmedaillon. Unsere Kommode ist ebenfalls in den Umkreis von N. Gérard und A.C. Boulle zu setzen, die Quellenlage erlaubt jedoch noch keine definitiven Zuschreibungen. Der vor 1690 geborene Noël war Sohn von Nicolas Gérard und Marguerite Montigny. Nach Nicolas' Tod heiratete seine Witwe Louis Dubois und gebar ihm 1694 einen Sohn, Jacques Dubois, der ebenfalls ein berühmter Ebenist wurde. N. Gérard ging bei François Clabaux in der Rue du Faubourg-Saint-Antoine in die Lehre und wurde nicht nur Kunstschreiner, sondern auch einer der grössten "marchands-merciers" von Paris. Zu seinen Kunden zählten der Ex-König von Polen, Stanislaus Leszczynski, der Comte de Clermont und Gerichtspräsidenten des Pariser Parlamentes wie Gabriel Bernard des Rieux und Molé. Er belieferte den Comte de Watteville, den Chevalier d'Erlac, Oberst der Schweizergarde, den Generalpächter der Steuern Le Riche de la Popelinière, den Duc de Bauffremont, den Prince de Carignan, den Verteidiger am Parlament Lenormand, den Comte de Comecourt usw. N. Gérard starb im Frühjahr 1736 auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Sein Nachlassinventar, das im August 1736 erstellt wurde, verzeichnete einen beachtlichen Bestand an Möbelzubehör aller Art, der ihm von Gérard bewohnten früheren Stadtpalais des Bankiers Jabach gestanden hatte. Das fast endlos wirkende Verzeichnis beschreibt geradezu eine "Gemischtwarenhandlung" mit Ebenisterie, Tapisserie, Antiquitäten, Beschlägen, Gemälden, Waffen, Spiegeln und Lampen. A.C. Boulle, bereits in jungen Jahren als "menuisier d'art" und "charpentier" tätig, arbeitete als polyvalenter Künstler in den 1660er Jahren in der Abbaye Sainte-Geneviève als Maler, Bildhauer und Stukkateur. Diese Tätigkeiten ermöglichten ihm den Zugang zur Académie St. Luc und brachten ihm den ersten Auftrag des Königs ein, zwei Gemälde. Der am französischen Hof tätige Colbert erkannte sehr früh das künstlerische Talent des jungen Boulle und lobte ihn als "le plus habile dans son métier". Boulle erhielt durch ihn als Nachfolger von J. Macé eine Wohnung im Louvre. Es folgte ein rasanter Aufstieg mit zahlreichen Aufträgen, die ihm den Titel "architecte, peintre, sculpteur en mosaique, ciseleur-graveur, marqueteur, inventeur de chiffre" und das Privileg einbrachten, mehrere Aktivitäten zu kombinieren, was angesichts der starken Korporationen der Zünfte eine enorme Freiheit bedeutete: Er konnte all diese Tätigkeiten in seinem Atelier ausüben. Der riesige Erfolg seiner qualitativ hochwertigen Möbel, Bronzen, Pendulen, Leuchter, Postamente und Einrichtungsgegenstände führte zu einer Fülle von Aufträgen für den französischen Hof, aber auch für die gesamte führende Adelsschicht von Frankreich, wie zum Beispiel für die Ducs d'Orléans und de Bourbon, für den Prince de Condé, die Duchesse du Barry, den Kardinal von Rohan, für ausländische Könige und Fürsten wie König Philippe V. von Spanien, den Bischof von Köln und Prinz Maximilian Emanuel von Bayern. Trotz des enormen Erfolges kämpfte Boulle ständig mit finanziellen Problemen und war auf die Hilfe des Königs angewiesen, wie beispielsweise im Jahr 1703: "Le Roi a bien voulu accorder cette fois encore à Boulle un arrest de surséance pour six mois à condition que ce sera la dernière grâce que sa Majesté luy fera là-dessus". Es waren die finanziellen Schwierigkeiten, vor allem die ausstehenden Lohnauszahlungen an seine Arbeiter, und Steuerprobleme, die Boulle im Jahr 1715 zwangen, das Unternehmen an vier seiner Söhne zu überschreiben - allerdings ohne die Zügel aus der Hand zu geben. Bis ins hohe Alter blieb er in seiner Werkstatt tätig und war verantwortlich für die neue Formensprache der Régence. Die ursprünglich aus Italien und Holland stammende Einlegearbeit mit Messingfilets, Schildpatt und Elfenbein wurde im späten 17. Jahrhundert von dem für den Hof im Louvre tätigen A.C. Boulle zu höchster Vollendung weiterentwickelt; daher wird diese Technik als "Boulle-Marketerie" bezeichnet. Als zeichnerische Vorlagen für die Motive müssen vor allem die Arbeiten von J. Bérain (1638-1711) erwähnt werden. Lit.: A. Pradère, Die Kunst des französischen Möbels, München o.J.; S. 111-114 (biogr. Angaben zu Gérard) und S. 67-109 (biogr. Angaben zu Boulle). P. Kjellberg, Le mobilier français du XVIIIe siècle, Paris 1989; S. 106-114 (biogr. Angaben zu Boulle). J.P. Samoyault, André-Charles Boulle et sa famille, 1979.

CHF 500 000 / 900 000 | (€ 515 460 / 927 840)

Verkauft für CHF 710 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr