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Lot 161 - A162 Books - Saturday, 22. September 2012, 10.00 AM

- Niederdeutsches Gebetbuch auf Pergament.

Enthält die "Ghetiden van den Heiligen Geist, den Heiligen Drivoldichsit, die Seven Psalmen in duytschemetLitanien", die "Vigilien in duytsche". Erste Seite in illuminierter Schönschrift "Jhesus Maria"; 7 mehrzeilige grosse mit florealem Schmuck ausgestattete Initialen, sowie eine Bildminiatur mit dem "Jüngsten Gericht".
Köln, ca. 1420-1430. 154 Blatt. 121 x 90 mm. Samteinband um 1700 mit 6 ziselierten Eisen-Buckelbeschlägen und 1 -Schliesse, Vorsätze mit Buntpapier ausgestattet (kleine Fehlstellen durch Bereibungen und minimal fleckig).

Sehr gut erhaltene und lesbare Handschrift. - Von alter Hand durchnummeriert. Stellenweise Farbdurch- und abdruck der Bemalungen. Wenige Seiten minimal berieben. Nur gelegentlich Feuchtränder oder kaum merkliche Braunflecken. Insgesamt überaus saubere Handschrift. - Gest. Exlibris. Nachsatz mit hs. Notizen von anderer Hand. - Provenienz: London, Henry White collection, 1902, London, Sotheby's, 30. April, 1902, Lot 1782; Schweizer Privatbesitz. Vorliegendes im Übrigen unveröffentlicht gebliebenes ausserordentlich qualitätsvolles Gebetsbuch erweist sich als bedeutende Wiederentdeckung der altkölnischen Buchmalerei vor Stefan Lochner. Der Bezug zur Gegend um Köln ergibt sich für diese Gebetsbuch über den nachfolgend zu diskutierenden Stilbefund hinaus vorerst über die in den Litaneien besonders angerufenen Heiligen (fols. 90 ff). und eine besondere Verehrungbekunden. Zu erwähnen sind besonders der primär im Bistum Köln verehrte Kölner Stadtheilige Sankt Gereon und andere im nahen Einzugsgebiet bevorzugten Heilige wie beispielsweise die in Aachen besonders gepriesenen Heiligen Cornelis und Cyprianus, sowie der vor allem im Raum von Köln bis Maastricht verehrte Lambert. Damit kann davon ausgegangen werden, dass das Gebetsbuch, vermutlich für eine Familie in oder um Köln in Auftrag gegeben wurde. Der Umstand, dass ein Gebet zu Ehren der Heiligen Katharina von Alexandrien mit einer prunkvollen ornamentalen Initiale (fol.70) besonders hervorgehoben wurde, mag darauf hindeuten, dass diese Heilige für den Besitzer, resp. Besitzerin des Gebetsbuchs eine besondere Bedeutung dargestellt hatte. Im Klartext heisst das, dass die Heilige Katharina von Alexandrien womöglich als Namenspatronin der Besitzerin verehrt wurde. Damit läge es nahe, dass das Gebetsbuch für die private Andacht einer reichen Bürgersfrau, namens Katharinaangefertigt wurde. Was den Seitenaufbau des kleinen Manuskriptes, insbesondere dessen Rankenschmuck, aber auch den Stil der einzigen illuminierten Bilderschmuck mit dem Jüngsten Gericht auf fol. 87v angeht, findet unsere These einer kölnischen Provenienz eine eindrückliche Bestätigung. Der reiche floreale Rahmenschmuck mit von bunten sorgfältig gemalten Blüten besetztem filigranen Rankenwerk, das sich auf den mit grossen ornamentalen Initialen ausgestatteten Seiten allseits um den Textspiegel erstreckt, erscheint als eine um einige Jahrzehnte ältere Prämisse für die spätere kölnische Buchmalerei, die gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts durch die Arbeiten von Stefan Lochner und seinen Zeitgenossen geprägt wurde (vgl. Frank Günter Zehnder (ed.), Stefan Lochner Meister zu Köln, Ausstellungskatalog, Köln, WallrafRichartz-Museum, 1993, Köln 1993, S.109 ff, S.388-411). Die Seiten aus feinstem Pergament, namentlich das Frontispiz, sind mit viel Gold und Blau gemalt. Die bedeutenden Seiten, welche die einzelnen Sektionen des Gebetsbuches einleiten, sind mit reich ornamentierten grossen mehrzeiligen Rankeninitialen ausgestattet, die jeweils von üppigem Bordürenschmuck begleitet werden. Damit sind die wichtigen Textanfänge hervorgehoben. Die Ranken der Bordüren nehmen ihren Ursprung in den Ausläufern der Buchstabenkörper und bilden mit Goldlinien und Blattrispen ein Liniengeflecht, in das phantasievoll Blatt und Blütenformen eingearbeitet sind. Sowohl im gesamten Dekorationskonzept als auch bezüglich der einzelnen Blütenformen erkennen wir eine Konzeption, die auch von den späteren Kölner Buchmalerwerkstätten um Stefan Lochner weiter entwickelt wurde. Das gilt besonders für einzelne Blütentypen und deren Anordnung, die auch bei Stefan Lochner bevorzugt wiederkehren, so beispielsweise jene mit den bewegten, weit ausgreifenden Kelch- und Blütenblättern und dem markanten konisch-spitz auslaufenden Fruchtknoten. Unser kleines Manuskript erscheint als späterer Ausläufer des weichen Stils wie er zu Beginn des 15. Jahrhunderts in Italien in der Buchmalerei vor allem von Michelino da Besozzo auf vorbildliche Weise vorgetragen, und auf die Spitze getrieben wurde. Der Figurenstil der einzigen ganzseitigen Bildminiatur mit der Darstellung des "Jüngsten Gerichts" (fol.87v), die in Kurzform der ikonographischen Tradition der Altkölner Malerei seit dem frühen 14. Jahrhundert folgt, nämlich Christus, beidseits von einem Posaunen blasenden Engeln flankiert und der Erdkugel zu Füssen, auf einem Regenbogen sitzend in Erscheinung treten zu lassen, während unten die Muttergottes und Johannes der Täufer für die vor ihren Augen auferstehenden Seelen in Fürbitte knien, ist noch klar dieser spätgotischen Bildwelt verpflichtet. Das ikonographische Konzept ist in solcher Form bereits auf der gegen 1330-1340 gemalten Altartafel mit 27 Szenen aus dem Leben von Jesu im Wallraf-Richartz Museum in Köln (Inv.6) vorgebildet. Stilistisch schliesst der unbekannte Buchmaler hier an die kölnischen Maler des frühen 15. Jahrhunderts an, beispielsweise an den unbekannten sogenannten Älteren Meister der Sippe oder den Meister der heiligen Veronika. Dies gilt besonders auch für den extrem schmalhüftigen, leicht steifen Körperbau des Christus, der von der kölnischen Malerei um 1400, insbesondere von den genannten Malern vorgebildet wurde. Damit fügt sich unser Gebetsbuch chronologisch zwischen die Werke der genannten Maler (1410-20) und die frühen Manuskripte Stefan Lochners um 1444 (Stundenbuch, Berlin, Kupferstichkabinett, Inv. 78B 1a) und um 1451 (Stundenbuch, Darmstadt, Hessische Landes-und Hochschulbibliothek,Inv.Hs 70), was auf eine ungefähre Datierung um ca. 1420-30 schliessen lässt. Prof. Dr. Gaudenz Freuler, Universität Zürich


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