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Lot 3737 - A193 PostWar & Contemporary - Samstag, 04. Juli 2020, 14.00 Uhr

JOHN CHAMBERLAIN

(Rochester/Indiana 1927–2011 New York)
Grass Skirt Opus. 2002.
Bemalter und verchromter Stahl.
41 × 33 × 32 cm.

Provenienz:
- Galerie Karsten Greve, Köln/St. Moritz.
- Bei obiger Galerie vom heutigen Besitzer 2003 erworben, seitdem Privatsammlung Schweiz.


The good thing about being an artist, is it's a legitimate way of looking at things cross-eyed.
(John Chamberlain)

Der US-amerikanische Bildhauer John Chamberlain zählt zu den bedeutendsten Wegbereitern der Pop Art und ist durch die Verwurzelung seiner Metallskulpturen im Nouveau Réalisme und Abstrakten Expressionismus eine der zentralen Figuren der amerikanischen Nachkriegskunst.

1927 in Rochester, Indiana, geboren und in Chicago aufgewachsen, studiert John Chamberlain Anfang der 1950er Jahre am Art Institut of Chigaco und beginnt hier erste geschweisste Skulptur, inspiriert durch die Werke des Bildhauers David Smith zu machen. Anschliessend studiert und lehrt er am legendären Black Mountain College Bildhauerei und Poetik. Die kreativ-unkonventionelle Atmosphäre dort beflügelt ihn und prägt seine visuelle Bildsprache. 1957 entdeckt er eher zufällig seine unverwechselbare Assemblage-Technik. Im Hinterhof seines Freundes Larry River in Southampton, NY, entdeckt er einen 1929 Ford. Er nimmt einzelne Teile des Wagens auseinander und formt sie zu einer Skulptur, indem er mit seinem Truck immer wieder darüber fährt. So entsteht das berühmte Werk "Shortstop" und seine unverwechselbare Technik, durch Verformung vorgefundener farbiger Autowracks Skulpturen von unvergleichlichem poetischen Ausdruck zu schaffen.

Sein Umzug nach New York markiert eine entscheidende Wende. Insbesondere die Begegnungen mit Franz Kline und Willem de Kooning übt einen grossen Einfluss auf ihn aus und intensivieren seinen Diskurs mit künstlerischen Positionen des Abstrakten Expressionismus. "Kline gab mir die Struktur. De Kooning die Farbe", so Chamberlain später. Seine solitäre Position in der amerikanischen Nachkriegskunst begründet sich nicht zuletzt in der rebellischen Hinwendung zur starken Farbigkeit seiner Werke - eine zu diesem Zeitpunkt eher skeptisch gesehene bildhauerische Position. Die Nähe zur Malerei bleibt evident. Wie die Künstler der Pop Art einige Jahre später bedient Chamberlain sich eines industriell gefertigten Massenprodukts, welches in der amerikanischen Alltagskultur einen hohen emotionalen Stellenwert hat. Durch die Übersteigerung der Farbigkeit und Neugestaltung der vorhandenen Elemente hinterfragt er die Beziehung der Menschen zu diesen Kultobjekten bei gleichzeitiger Freude am Farbspiel.

Chamberlains Schaffen wird von dem Drang begleitet, mit dem traditionellen Begriff der Skulptur zu brechen und die Grenzen zwischen Gebilde und Malerei verschmelzen zu lassen. Mit seiner Schweißtechnik setzt er Bilder des Abstrakten Expressionismus in Plastiken um. Wenngleich das Ausgangsmaterial vorgefertigt ist und die Bearbeitungsweise durch die Schrottpresse nur eine bedingte Einflussnahme des Künstlers erlaubt, sind seine Werke keinesfalls Zufallsprodukte, sondern sorgfältig komponierte und intuitiv gestaltete Wesen, die häufig erst durch den Sprachwitz seiner Titel komplettiert werden. So befeuert Chamberlain den Mythos, amerikanische Nachkriegskunst entspringe einer Synthese aus Inspiration, Muskelkraft und Zufall, gleichzeitig handle der Künstler aber aus einer kontrollierten kreativen Intuition und Absicht heraus.

Er bedient sich oft für die meterhohen Gebilde unter anderem bei ausrangierten Cadillacs, Motorteilen, Stahlresten oder Gummi und schafft es trotz der widerspenstigen Materialien, die Kunstwerke an lebende Körper, Vögel, Bäume, Schiffe oder Blumen erinnern zu lassen. Nicht zuletzt verweist der Titel des hier angebotenen Werkes „Grass Skirt Opus“ auf Chamberlains Parallele zwischen Natur und Kultur. Er geht dabei sogar noch einen Schritt weiter in der Adaption der Naturmythologie des Abstrakten Expressionismus als seine Mitstreiter. Wenn Jackson Pollock ihn mit der Aussage:„Ich bin die Natur“ praktiziert, postuliert Chamberlain scharfsinnig: „Kultur ist Natur“ und zählt damit von Menschenhand geschaffene, gestaltete Dinge genauso zur Natur wie Vogelnester oder Biberdämme. In diesem Spannungsverhältnis von ungezähmter Natur und Symmetrie zeigen seine Werke ihre Entsprechung. In seinem Spätwerk wird die Kompaktheit der frühen Plastiken häufig aufgebrochen, hin zu einem luftigen, verspielten Arrangement von farbigen Stahl- und Chromelementen. Gerade das hier angebotenen Werk „Grass Skirt Opus“ zeigt seine Virtuosität in der Transformation von industrieller Metallkarosserie in leichte, schwebende Objekte. Dabei will Chamberlain seine Kunst nicht erklären. "Jeder will immer wissen, was es bedeutet", sagte er. "Selbst wenn ich es wüsste: Ich wüsste nur, was ich denke, dass es bedeutet."

CHF 100 000 / 150 000 | (€ 103 090 / 154 640)