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KUHN, FRIEDRICH

* 5.10.1926 GRETZENBACH, † 6.9.1972 ZÜRICH

Maler, Bildhauer und Zeichner.

Die ersten Jahre seines Lebens verbringt Kuhn im solothurnischen Gretzenbach. Der Vater, Fritz Kuhn, ist Holz- und Steinbildhauer. 1933 zieht die Familie nach Zürich, wo Friedrich die Schulen besucht. In der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre zahlreiche Reisen: Marokko, Algerien, Tunesien, Spanien, Schweden, Norwegen und Grönland. Lebt vorübergehend in der Provence und anschliessend im Tessin. Beschäftigt sich mit Antiquitäten- und Kupferhandel. 1951–53 in Bern wohnhaft, zeitweise in Ateliergemeinschaft mit Lilly Keller und Walter Vögeli. 1953 Atelierausstellung im Kutscherhaus der Marcuard-Villa an der Laupenstrasse in Bern. 1954 Aufenthalt in Sessa (TI), zusammen mit Lilly Keller und René Brauchli. Wohnt von da an in Zürich, zunächst im Künstlerhaus an der Kruggasse, wo Kuhns legendäre Happenings stattfinden, später an der Brotgasse; 1958 bezieht er ein eigenes Atelier in der Künstlergenossenschaft Wuhrstrasse. Als Wohnsitz dient ihm auch das Haus seiner Eltern an der Südstrasse.

1963 Geburt seines Sohnes Michael. Im Mai 1965 erscheint die bibliophile Mappe mit Radierungen Sadkowsky grüsst Kuhn/ Kuhn grüsst Sadkowsky. Sie besteht aus zwölf Platten, an denen beide Künstler gemeinsam gearbeitet haben. Im Sommer 1967 dreht Georg C. Radanovics mit Kuhn den Film Pic-Nic. Spitalaufenthalt. 1969 mehrmonatiger Verbleib in Italien. 1971 Reise nach Sizilien und Aufenthalt in Venedig. Wiederholte Spitalaufenthalte. Im Januar 1972 Heirat mit Antonia Tischhauser. Am 28. August wird er in die Klinik Hirslanden eingeliefert, wo er kurz darauf stirbt. 1973 finden im Helmhaus Zürich und 1993 im Kunsthaus Zug Retrospektiven statt. 2008–09 widmet das Kunsthaus Zürich Friedrich Kuhn unter dem Titel Der Maler als Outlaw eine grosse Einzelausstellung.

Fakten zu Kuhns Leben, die über Angaben wie Wohnsitze (selbst davon sind längst nicht alle bekannt) hinausgehen, sind rar. Als Märchenerzähler setzte er Geschichten in die Welt, die von seinen Freunden und Bewunderern weitererzählt und zu fantasiereichen Legenden verdichtet wurden. Kuhn beherrschte die Selbstinszenierung: Er spielte den Schau- und Puppenspieler, den Clown und Gaukler im Alltagsleben ebenso wie als Maler, Zeichner und Plastiker. Werk, Legenden und Leben bilden bei ihm eine kaum aufbrechbare Einheit. Es scheint deshalb nur folgerichtig, dass in der ersten eigenständigen Werkreihe, die um 1954 beginnt, die Motive des Clowns und Gauklers, des Tingeltangels und des Puppentheaters vorherrschen. Die Szenen spielen sich noch in realistisch definierten Räumen ab. Zuweilen tauchen abstrahierende Formen auf, ohne jedoch das Figurative vollständig zu verdrängen.


Ab 1957 entsteht eine Gruppe von Werken, die Paul Nizon als «verwilderte Möbel» bezeichnet hat. Es handelt sich um Bilder, in denen Möbel- und Architekturteile wie Sockel, Konsolen, Gesimse und Zierleisten zu ornamentalen Gebilden komponiert sind, die sowohl als Persiflage auf das bürgerliche Interieur wie auch als Verherrlichung des Krimskrams gelesen werden können. Der perspektivische Raum ist aufgebrochen, die Gegenstände scheinen als additive Elemente aus dem Bildraum in die Bildfläche gelegt. Eine ebenso bunte wie ferne Welt erscheint in einer bezüglich der künstlerischen Mittel vergleichbaren Werkgruppe, deren Thema auch in den Titeln wie beispielsweise Orientalische Nacht oder Indische Landschaft, beide 1959, anklingt. Durchsetzt sind diese Sehnsuchtsbilder mit Ballonen, Windrädchen und Fähnchen, kurz, mit der Bildwelt des Jahrmarktes.

1964 tritt das Palmenmotiv erstmals auf. Der Umstand, dass die Palme nicht nur ein eingängiges, sondern auch formal einfach abwandelbares Motiv ist, inspirierte Kuhn, sie als Markenzeichen einzusetzen respektive sie zu einem Markenartikel umzuarbeiten: als Reproduktion, als Plastikpalme, als Multiple, als Muster und Ornament und – in zahllosen Varianten – zum Palmenhain vereinigt. Mit der Ausstellung Die Palmen des Friedrich Kuhn, die Pierre Baltensperger 1968 im Kleinen Kunstkabinett einrichtet, erreicht die Verwendung des Motivs seinen Höhepunkt. Kuhns Palmen haben nur wenig mit der überlieferten Symbolik von Sieg, Freude und Frieden zu tun, sie stehen vielmehr für die modernen Flucht- und Traumwelten, für Fernweh nach der exotischen Insel. Etwa gleichzeitig mit der Palme taucht in Kuhns Bildwelt das Pin-up-Girl auf, beides Motive, die damals häufig in illustrierten Zeitschriften, die er massenweise konsumierte, und am TV, vor dem er Stunden verbrachte, vorkamen.

Die Vorliebe für Trivialmotive, für das Unprätentiöse, für die Mythen des Alltags, teilt Kuhn mit der Pop Art, die auf die Schweizer Kunstszene der 1960er-Jahre anregend wirkte. Die Nähe zur Pop Art zeigt sich in den verwendeten Collageelementen: ausgeschnittene Schriftzüge und Signete, Abbildungen und Abziehbilder sowie Verpackungsteile. Ferner verwendet er häufig Schablonen oder imitiert diese Technik, um die menschliche Figur wiederzugeben, immer mit dem Ziel, den durch die Werbung und die Massenmedien konditionierten Menschen zu zeigen. Kuhn gehört zu jenen Künstlern, die sich weder in Schulen oder Akademien noch bei Lehrmeistern ausbilden lassen, sondern sich in einem Akt der Selbstbehauptung als Künstler deklarieren und sich, wenn überhaupt, die technischen Fähigkeiten und Kenntnisse autodidaktisch aneignen. Es ist der legendäre Künstlertypus des genialen Bricoleurs, unter dessen Hand alles zur Kunst gerät: Mit allem und auf alles lässt sich malen. So verwendet er als Trägermaterial für Bilder, zumal wenn nichts anderes greifbar ist, schon mal alte Türen und Füllungen. Besonders Reliefs und Skulpturen setzt er aus Resthölzern und Abfallmaterialien zusammen. Anschliessend wird das Ganze bunt bemalt. Kuhn wurde vor allem als «Farbmaler» verehrt, der eine breite Skala von Farbtönen beherrschte: vom Ton in Ton bis hin zur knalligen Buntheit.

Dabei war Kuhn mindestens ein ebenso guter und variationsreicher Zeichner sowie origineller Plastiker. Kuhns phantastisch-surreale Bildwelt ist schwierig auf den Begriff zu bringen: Paul Nizon prägte die Bezeichnung der «Zürcher Schule der kleinen Wahnwelt», zu der neben dem Grossmagier Kuhn Künstler wie Alex Sadkowsky, Fred Engelbert Knecht und Pierre Baltensperger gehörten. Aus dem Zürcher Umkreis sind ferner Muz Zeier, der zeitweise im gleichen Atelierhaus an der Wuhrstrasse wohnte, und vor allem Varlin zu nennen. Auf schweizerischer Ebene sind Assoziationen an Ilse Weber, André Thomkins und Dieter Roth nicht abwegig. Der Kunstkritiker Fritz Billeter hat Kuhn unter die «Outsider» subsumiert: Wie diese setzte er sich mit der gleichen Naivität und Unbekümmertheit über alle Traditionen hinweg. Andererseits war er kein Sonderling, der gleichsam ausserhalb der Gesellschaft seinen Obsessionen huldigt.

Auf die Art Brut verweisen Ähnlichkeiten in der Darstellung wie etwa das flächendeckende Ausfüllen des Bildes mit repetitiven Motiven und Ornamenten, um den Horror vacui zu vermeiden, oder das Arrangieren des Bildgeschehens auf einer Ebene. Kuhn ist nirgends richtig zu Hause. Sein Werk hat viele Bezugspunkte, irgendwo zwischen High and Low Culture, zwischen Mainstream und Avantgarde ist es anzusiedeln. Obwohl Kuhns Werk innerhalb der Schweizer Kunst einen qualitativ hochstehenden und originellen Beitrag darstellt, sind sowohl die offizielle Anerkennung durch die Fachwelt als auch die breite Bekanntheit ausgeblieben. Daran hat auch die grosse Ausstellung 2008–09 im Kunsthaus Zürich wenig geändert: Dort wird er der «anderen Moderne» zugeordnet, als Gegenkraft zur abstrakten-konkreten Kunst der 1960er-Jahre und als eine Figur der Umbruchs zwischen Bohème und Subkultur positioniert. Friedrich Kuhn bleibt der seltene Fall eines ewigen Geheimtipps. 


SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz

Karl Jost, 1998, aktualisiert 2011 https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4023405



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Lot 3120 - Z33 Schweizer Kunst - Freitag 07 Dezember 2012, 14.00 Uhr

FRIEDRICH KUHN

(Schönenwerd 1926–1972 Zürich)
Skandinavische Sinfonie für einen Zwetschgenbaum. 1968.
Mischtechnik auf Papier auf Hartfaserplatte auf Holz.
Unten rechts signiert und datiert: Friedrich Kuhn. 68.
126 x 88 cm.

CHF 6 000 / 8 000 | (€ 6 190 / 8 250)

Verkauft für CHF 6 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr

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Lot 7045 - ibid117 Grafik des 20. & 21. Jhs. – online only - Donnerstag 10 Dezember 2020, 16.00 Uhr

FRIEDRICH KUHN

(Schönenwerd 1926–1972 Zürich)
Die Palme des Friedrich Kuhn. 1968.
Farboffset. Unten rechts im Druck signiert und datiert: Friedrich Kuhn 68. Darstellung 124 × 85 cm auf Papier 128 × 90 cm.

CHF 200 / 300 | (€ 210 / 310)

Verkauft für CHF 238 (inkl. Aufgeld)
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