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Lot 3002* - A202 Gemälde Alter Meister - Freitag, 23. September 2022, 14.00 Uhr

TADDEO DI BARTOLO

(1362 Siena 1422)
Heilige Barbara.
Tempera auf Holz.
Unten mittig bezeichnet: SCA: BARBARA.
44,5 × 20,6 cm.

Provenienz:
- Kunsthandel Colnaghi, London, vor 1961.
- Sestieri, Rom, vor 1968.
- F. Taccani, Mailand, 1970–71.
- Deutsche Privatsammlung.
- Durch Erbfolge an heutige Besitzer, Schweizer Privatsammlung.

Mit einer ausführlichen kunsthistorischen Analyse von Prof. Gaudenz Freuler, Juli 2022.

Vorliegendes Tafelbild mit der Halbfigur der Heiligen Barbara ist in ein, der Gotik nachempfundenes Rahmenwerk des 19. Jahrhunderts eingefasst. Ihr Haupt leicht nach links geneigt sucht sie mit ihrem Blick die Aufmerksamkeit des Betrachters, dem sie mit dem Zeigegestus auf ihr Attribut, den Turm, ihre Identität als Heilige Barbara kundtut. Mit ihrem Namen ist sie denn auch unten in originaler Schrift in Gold bezeichnet. Federico Zeri, in dessen Fotosammlung das Bild als Werk des sienesischen Malers Taddeo di Bartolo (Fototeca-Nr. 7843) figuriert, brachte es in einen Zusammenhang mit drei weiteren Tafeln: einer Heiligen Agatha (Fototeca.-Nr. 7842, Los 3001) mit gleicher Provenienz wie das in Frage stehende Bild, einer Heiligen Giulitta an unbekanntem Standort und mit identischem Rahmenwerk (Fototeca-Nr. 7840) und schliesslich der Tafel mit der Heiligen Margherita in der Sammlung des Allen Memorial Museum in Oberlin College in Ohio (Inv.-Nr. 1943.246, Tempera auf Holz, 41,3 × 21 cm, Fototeca-Nr. 7841).

Wie bereits von Federico Zeri vorgeschlagen, sind die in Frage stehenden Tafeln Taddeo di Bartolo, dem erfolgreichsten der sienesischen Maler des späten Trecento und frühen Quattrocento zuzuweisen. Zweifellos waren die Tafeln Teil des obersten Register eines grossen Altarwerks und bildeten die Giebelspitzen über dessen seitlichen Tafeln.

Taddeo di Bartolo gehört zweifellos zu den schillerndsten und eigenständigsten Malern, die die sienesische Kunst hervorgebracht hatte. Seine Karriere ist gekennzeichnet durch verschiedene Wendungen. Der ca. 1362 geborene Taddeo di Bartolo muss in einer führenden sienesischen Malerwerkstatt, womöglich die des Jacopo di Mino Pelliciaio (um 1315/1319–1396), ausgebildet worden sein und orientierte sich auch am damals bedeutendsten sienesischen Maler des späteren 14. Jahrhunderts, Bartolo di Fredi (um 1330–1410) sowie an dessen Zeitgenossen Paolo di Giovanni Fei (um 1345–um 1411). Schwierig dürfte sich seine künstlerischen Anfänge in den 1380er-Jahren gestaltet haben, da die in Siena und in der näheren Umgebung anfallenden künstlerischen Aufträge zumeist an seinen älteren Mentor Bartolo di Fredi ergingen, der in diesen Jahren in der Heimat und den umliegenden Zentren ein dichtes, ihm wohl gesinntes Stifternetz geschaffen hatte. Diese Situation führte vermutlich dazu, dass Taddeo di Bartolo gegen 1389 mit seiner Werkstatt in das Gebiet von Pisa und danach nach Ligurien auswich, wo er ähnlich wie Bartolo di Fredi in Siena, ein bedeutendes Stifternetz aufbaute und sich über zahlreiche überragende Freskenzyklen und Altarwerke einen ausserordentlich guten Ruf schuf. Diese Erfahrungen fernab der Heimat führten zu Taddeos höchst persönlichen Malstil ausserhalb der sienesischen Orthodoxie. Dieser ist einerseits angereichert mit emilianischen Komponenten des in Ligurien arbeitenden Barnaba da Modena (um 1328/1330–nach 1386) und Niccolò da Voltri (vor 1370–nach 1417) und andereseits mit den kosmopolitischen Strömungen der Malerei in Pisa. Zurück in Siena um 1399/1400 avancierte Taddeo di Bartolo zum absoluten Protagonisten in der sienesischen Kunstszene, wo ihm die bedeutendsten Aufträge (Fresken im Palazzo Pubblico in Siena und im Dom von Siena) zufielen, gleich wie er in Montepulciano und Umbrien gigantische Altarwerke schuf.

Ein solches krönten auch die hier in Frage stehenden zwei Giebel. Bis heute konnten sie keinem der bekannten Altarwerke zugeordnet werden, wobei aufgrund stilkritischer Überlegungen in erster Linie die späten Altarwerke in Frage kämen. In der Tat schliessen sich die beiden Tafeln stilistisch an Taddeo di Bartolos Spätwerk an. Das sanfte gerundete, leicht verträumt blickende Gesicht der Agatha, die weitestgehend ein Modell einer ähnlichen Agathe an unbekanntem Standort verkörpert, repräsentiert eine ähnliche Stilstufe wie eine Katharina von Alexandrien im Musée des Beaux Arts in Caen, welche Teil eines um 1418 datierbaren Altarwerks war (siehe Ausst.-Kat. Taddeo di Bartolo, hrsg. von Gail E. Solberg, Cinisello Balsamo 2020, S. 256, Kat.-Nr. 41).

Dieser Datierungsvorschlag bekräftigt sich durch einen weiteren Vergleich, nämlich den der dritten Tafel unserer Giebelserie mit der Heiligen Giulitta, deren nach links geneigtes, vergleichsweise härter modelliertes Gesicht sich mit dem Antlitz des Stephanus im grossen, 1418 gemalten Altarwerks von Gubbio vergleichen lässt (Fogg Art Museum, Inv.-Nr. 1965.2, Tempera und Goldgrund auf Holz, 175,5 × 88,7 cm).

Die beiden Tafeln sowie die Giulitta in unbekanntem Besitz sind bedeutende Zeugnisse eines grossen Altawerks, das Taddeo di Bartolo am Ende seiner Karriere geschaffen hatte und zeigen, dass Taddeos Schaffenskraft und der künstlerische Output seiner Malerwerkstatt, der nunmehr auch sein Adoptivsohn Gregorio di Cecco (um 1390–um 1424) angehörte, auch am Ende seiner Tage ungebrochen war.

Wir danken Prof. Gaudenz Freuler für seine wissenschaftliche Unterstützung bei der Katalogisierung dieses Loses.

CHF 20 000 / 30 000 | (€ 20 620 / 30 930)

Verkauft für CHF 19 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr