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Lot 3202* - A197 Impressionismus & Moderne - Freitag, 02. Juli 2021, 17.00 Uhr

MAX LIEBERMANN

(1847 Berlin 1935)
Bildnis des Kaufmanns Robert Neumann. 1925.
Öl auf Leinwand.
Oben rechts signiert: M. Liebermann.
54,3 × 42,2 cm.

Wir danken Sandra Sykora für die freundliche Hilfe und ihre wissenschaftliche Unterstützung.

Provenienz:
- Robert Neumann, Berlin, direkt beim Künstler erworben.
- Max Neumann, Königsberg, von Obigem erhalten.
- Eva Ilse Neumann, geb. Goldstaub, Königsberg, 1933 durch Erbschaft von Obigem erhalten.
- Privatbesitz USA, durch Erbschaft von Obiger erhalten.

Literatur:
Matthias Eberle: Max Liebermann, Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien 1900–1935, Bd. II, S. 1132, Nr. 1925/10 (mit Abb.).

Die Sammlung Robert Neumann

Eine Sammlung, zwei Wege, dazwischen der Atlantik: Die Schicksale der beiden Gemälde von Max Liebermann, die hier in der Auktion angeboten werden, des "Bildnis des Kaufmanns Robert Neumann" (Los 3202) und der "Studie zu den Netzflickerinnen" (Los 3203), könnten unterschiedlicher nicht sein. Dabei gehörten sie einst beide dem jüdischen Kaufmann Robert Neumann (1875–1937), der in Berlin und im ostpreussischen Königsberg Warenhäuser mit dem Namen "Sommerfeld" besass und eine beachtliche Kunstsammlung mit Werken u.a. von Monet, Degas, Gauguin, Sisley, Corinth, Leible, Cranach d.Ä. und anderen zusammengetragen hatte.

Offenbar war Robert Neumann auch ein grosser Verehrer der Kunst von Max Liebermann, dem er 1925 für das hier angebotene feinfühlige Porträt Modell sass. In diesem Jahr feierte Robert Neumann seinen fünfzigsten Geburtstag – vielleicht der Anlass für den erfolgreichen Unternehmer Bilanz zu ziehen und sich mit Anzug, Gilet, weissem Hemd, Krawatte und Einstecktuch gepflegt und doch zurückhaltend verewigen zu lassen.

Von Max Liebermann besass Neumann noch weitere Gemälde, unter anderem ein Selbstbildnis des Künstlers "nach rechts mit der Zigarette in der Linken" (1902), sowie den "Rosengarten in Wannsee mit der Tochter und der Enkelin des Künstlers". Diese zauberhafte intime Gartenansicht von 1920 schenkte Robert Neumann seinem Sohn Max 1926 anlässlich dessen Hochzeit mit Eva Ilse Goldstaub, der Tochter eines prominenten Anwalts. Auch das hier angebotene Porträt seines Vaters erhielt schliesslich Max Neumann, der in Königsberg die Filiale seines Vaters führte.

Schon im März 1933 jedoch wurde Max Neumann Opfer des brutalen Überfalls eines NS-Schlägertrupps; seine Witwe floh mit der 1927 geborenen gemeinsamen Tochter Toni zunächst in die Niederlande, später in die USA. Den "Rosengarten" sowie das Porträt ihres Schwiegervaters Robert Neumann nahm sie mit in die neue Heimat, wo sie im November 1938 ankam.

Die "Netzflickerinnen" stammen dagegen aus der Sammlung des Breslauer Sammlers Max Böhm, der ebenfalls von Max Liebermann porträtiert worden war. Im Januar 1931 lieferte Böhm seine Sammlung im Auktionshaus Lepke ein, doch viele Werke gingen zurück: Mitten in der Weltwirtschaftskrise war die Zeit für Kunstverkäufe nicht günstig. Jedenfalls hat sich im Zentralarchiv der Staatlichen Museen Berlin ein Schreiben vom 18. Februar 1931 erhalten, in dem Max Böhm die "Netzflickerinnen" zusammen mit anderen Werken dem damaligen Direktor der Nationalgalerie Ludwig Justi zum Kauf anbot. Das Museum lehnte aber mit Verweis auf den fehlenden Ankaufsetat ab. Offenbar übernahm stattdessen der jüdische Kunsthändler Dr. Fritz Nathan das Gemälde und vermittelte es an Robert Neumann weiter.

1936 emigrierte Robert Neumann mit seiner zweiten Frau Ilse Neumann, geb. Meinhart-Tucholsky (1887–1940), einer Cousine des Schriftstellers Kurt Tucholsky (1890–1935), ins italienische Meran. Der Kunsthändler Nathan seinerseits wanderte in die Schweiz aus. Durch einen geschickten Schachzug gelang es Nathan, nach und nach insgesamt 54 Werke der Neumann’schen Kunstsammlung vor dem Zugriff der Nationalsozialisten zu bewahren, darunter die "Netzflickerinnen": Er deklarierte sie mit der Hilfe des damaligen Stadtpräsidenten von St. Gallen, Konrad Nägeli, kurzerhand als Dauerleihgabe des dortigen Kunstmuseums und lagerte sie dort ein.

Im Juni 1936 schenkte Robert Neumann die in St. Gallen befindlichen Kunstwerke seiner zweiten Frau Ilse Neumann und verschied 1937 in Meran. Seine Witwe, deren Ausweispapiere abgelaufen waren, konnte, wiederum mit der Hilfe von Nathan und Nägeli, von Italien in die Schweiz ausreisen und emigrierte schliesslich im Juli 1939 in die USA. Zuvor betraute sie Nathan mit dem Verkauf ihrer Sammlung; diese wurde teilweise an Privatsammler vermittelt, teilweise von Museen übernommen und teilweise bei der Galerie Fischer Luzern 1941 in die Auktion gegeben. Auch die "Netzflickerinnen" wurden dort mit gutem Erfolg verkauft.

Ilse Neumann verstarb bereits 1940, nur wenige Monate nach ihrer Ankunft in den USA. Ihre in der Schweiz verbliebene Kunstsammlung beziehungsweise den Erlös des Verkaufs vermachte sie testamentarisch der Tochter ihres verstorbenen Mannes, Irmgard Neumann, sowie seiner Enkelin, Toni Neumann, der Tochter des Sohnes Max Neumanns.

Nach intensiven Recherchen konnten kürzlich alle Erben nach Ilse Neumann ausfindig gemacht und eine einvernehmliche Lösung für den Verkauf der "Netzflickerinnen" mit ihnen gefunden werden. Die Freude war gross, als im Laufe der Verhandlungen mit einem der Erben nach Toni Neumann dieser dem Auktionshaus Koller auch das "Bildnis des Kaufmanns Robert Neumann" zum Verkauf anvertraute. Das Porträt des Urgrossvaters befand sich immer noch im Besitz der Familie und trat nun ein zweites Mal den Weg über den Atlantik an.

Sandra Sykora, Juristin und Kunsthistorikerin.

Wir danken dem Kunstmuseum St. Gallen für Hinweise zur Sammlung Neumann.

CHF 12 000 / 18 000 | (€ 12 370 / 18 560)

Verkauft für CHF 36 900 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr