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Lot 3014 - A204 Gemälde Alter Meister - Freitag, 31. März 2023, 14.00 Uhr

LUCAS CRANACH d. Ä. und Werkstatt

(Kronach 1472–1553 Weimar)
Flügelaltar mit der Verkündigung Mariae, den Hl. Katharina und Barbara (innen) sowie Christus als Schmerzensmann und Maria als Schmerzensmutter (aussen). Um 1515.
Öl auf Holz.
Mitteltafel oben bezeichnet: AVE MARIA GRACIA PLENA DOMINVS TECVM BENEDICTA TV IN MVLIERIBVS: ET BENEDICTVS FRVCTVS VENTRIS TVI IHESVS CHRIST(VS) AME(N) und unten bezeichnet: ECCE ANCILLA DOMINI FIAT MICHI SECVNDVM VERBVM TVVM.
Linker Flügel oben bezeichnet: MORIB I(N)GENIO CATHERI(N)A:STEMATE FELIX: / ET CRISTV ET MARIA:COCILIARE POTEST: und unten bezeichnet: S:KATHERINA.
Rechter Flügel oben bezeichnet: HANC COLE:SI SVPERIS:SI XPI CORPORE GAVD / ORANTI AVXILIV BARBARA SANCTA FERET und unten bezeichnet: S BARBARA.
Mitteltafel: 122,5 × 86 cm. Seitenflügel: Je 120,5 × 37,5 cm.


Provenienz:
- Galerie Miethke, Wien.
- Auktion Stuker, Bern, 1972.
- Schweizer Privatbesitz.

Eines der letzten erhaltenen Altarwerke der deutschen Renaissance präsentiert sich hier als Meisterwerk Lucas Cranachs d. Ä. und seiner Werkstatt. Ein halbes Jahrhundert in Privatbesitz wurde dieses monumentale Kunstwerk kürzlich in einer Schweizer Privatsammlung entdeckt und wird nun wieder auf dem Kunstmarkt angeboten. Die museale Qualität besticht durch die leuchtende Farbigkeit und virtuose Detailvielfalt. Entstanden in der Wittenberger Schaffensphase um 1515, während dieser Lucas Cranach d. Ä. am kurfürstlichen Hofe Friedrich des Weisen (1463–1525) tätig war, bringt dieses Retabel die künstlerische Virtuosität des Meisters und seiner Werkstatt meisterlich vor Augen.

Der Altar zeigt in geöffnetem Zustand in der Mitteltafel die Verkündigung Mariens, die auf den Seitenflügeln von den Heiligen Katharina und Barbara flankiert werden. Die beiden Heiligen sind ganzfigürlich und stehend in durch Rundbogen im oberen Teil angedeuteten Nischen platziert. Gekennzeichnet durch ihre jeweiligen Attribute, lassen sie ihre Identität erkennen: Katharina mit dem Schwert und Rad, Barbara mit dem Turm, in den sie ihr Vater eingesperrt hatte. Die räumliche Gestaltung der Seitenflügel lassen keinen Hinweis auf die Lokalität zu. Die Mitteltafel hingegen verweist auf einen palastartigen Raum, der durch einen perspektivisch fluchtenden Fliesboden und Einrichtungsgegenstände wohnlich gekennzeichnet ist. Maria findet sich knieend an einem Betpult, vor ihr ein geöffnetes Gebetsbuch und wird von rechts vom Verkündigungsengel und der Taube des Heiligen Geistes über ihm schwebend begrüsst. Neben dem Betpult der Maria findet sich eine Glasvase mit dem klassischen Mariensymbol einer Lilie mit drei Knospen sowie einer Akelei, die mit ihren drei Blüten als Symbol für die Dreifaltigkeit steht. An der Rückwand des Raumes leicht aus der Mittelachse gerückt, findet sich ein Fenster mit Ausblick in eine Landschaft mit einer von Wasser umrahmten Burganlage, Bäumen und einem Gebirge im Hintergrund. Die Rückseiten der Seitenflügel, die in geschlossenem Zustand zu betrachten sind, zeigen auf der Tafel mit der Heiligen Katharina den Schmerzensmann und auf derjenigen der Heiligen Barbara die Schmerzensmutter, beide sich zugewandt. Beide Aussenflügel sind ohne räumliche Zugehörigkeit von einem monochromen dunklen Hintergrund bestimmt.

Die lateinischen Inschriften lassen sich wie folgt übersetzen:
Mitteltafel: Verkündigung Marias (in Bezug auf das Ave Maria, Lucas Evangelium 1,28)
Gegrüsset seist du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gesegnet unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes, Jesus Christus. Amen.
Siehe, ich bin die Magd des Herrn, es geschehe mir nach deinem Wort.
Hl. Katharina (linker Flügel):
Durch die Sittlichkeit und den scharfen Verstand konnte sie Ruhm erwerben; sie ist glücklich mit Christus und Maria.
Hl. Barbara (rechter Flügel):
Bei der Verehrung gewiss durch die Heiligen gewiss durch den Leib Christi wird Freude geschenkt dem Betenden; die Hl. Barbara gewährt ihm Hilfe.

Während Max Friedländer und Jakob Rosenberg das Retabel noch nicht kannten (Max Friedländer und Jakob Rosenberg: Die Gemälde von Lucas Cranach, Berlin 1932/ Basel 1979), waren die Mitteltafel und die Flügel einzeln in den Datenbanken "lucascranach.org"und "CORPUS CRANACH" bislang ohne Zugehörigkeit verzeichnet. Dr. Dieter Koepplin, dem wir für seine Auskünfte danken, bezeichnet die Arbeit als insgesamt "ein qualitätsvolles, äusserst fleissig durchgeführtes Werk aus der frühen Cranach Werkstatt um 1515". Die Qualifizierung "Lucas Cranach d. Ä. und Werkstatt" scheint ihm nach Fotografien richtig zu sein (Schreiben vom 28.1.2023). Auch Prof. Dr. Gunnar Heydenreich, dem wir für seine wissenschaftliche Unterstützung anhand von Fotografien danken, schlägt denselben Entstehungszeitraum um 1515–1517 vor (Schreiben vom 5.2.2023). Prof. Dr. Heydenreich geht von der Beteiligung eines oder mehrerer Mitarbeiter der Cranach Werkstatt aus. "Da einige Details, wie z.B. der Flügel des Engels mit grösserer malerischer Raffinesse und Sicherheit realisiert wurden, ist eine Mitarbeit Lucas Cranachs dem Älteren nicht auszuschliessen". Dr. Michael Hofbauer, dem wir ebenfalls für seine wissenschaftliche Untersuchung des Altars danken, führt das Gesamtwerk aktualisiert im Werkverzeichnis CORPUS CRANACH mit der Zuschreibung C1 (Lucas Cranach d. Ä. und Werkstatt) auf.

Aufgrund der beidseitig bemalten Flügel ist davon auszugehen, dass die Funktion des Altars in einem liturgischen Kontext stand: die Festtagsseite präsentiert die Verkündigung mit den flankierenden Heiligen Katharina und Barbara und in geschlossenem Zustand zeigt sich der Schmerzensmann und die Schmerzensmutter für die Werktagsandacht. Entstanden während Cranachs Tätigkeit am Wittenberger Hofe dürften Stifter wie Klerus als Auftraggeber in Frage kommen.

Die Heiligen Barbara und Katharina auf den Seitenflügeln sind nicht ungewöhnlich bei Altarwerken bei Cranach in der vorreformatorischen Zeit, wie beispielsweise der kleine Klappaltar mit der Auferstehung Christi und den Heiligen Barbara und Katharina, um 1508/09 in der Gemäldegalerie Alte Meister in Kassel (siehe Ausst.-Kat. Bild und Botschaft. Cranach im Dienst von Hof und Reformation, Stiftung Schloss Friedenstein Gotha und Gemäldegalerie Alte Meister, Schloss Wilhelmshöhe, Kassel, 2015, Kat.-Nr. 3, S. 98–99). Die Heiligen Katharina und Barbara gehören zu den vierzehn Nothelfern und sollten bei Krankheit und Tod den Gläubigen Mut schenken.

Stilistisch lassen sich die Seiteninnenflügel auch mit den beiden Darstellungen der Heiligen Katharina und Barbara, heute in der Gemäldegalerie Alte Meister in Kassel (Inv.-Nr. GK 12), vergleichen. Infrarotaufnahmen der Kassler Katharina lassen auf der Rückseite eine Marienfigur erkennen. Bei der Kassler Barbara wird der Verkündigungsengel, der sich heute in Dortmund im Museum für Kunst und Kulturgeschichte befindet, für die Rückseite rekonstruiert (Ausst.-Kat. Gotha/Kassel 2015, S. 100, Kat.-Nr. 4 und 5). Die Entstehung dieser Tafeln wird um 1510–15 datiert, im selben zeitlichen Rahmen, in dem auch unser Altar entstanden sein dürfte. Der Verkündigungsengel weist ebenfalls stilistische Parallelen zu unserer Darstellung in Hinblick auf Gestalt, Erscheinung und Detailvielfalt auf, auch in der Ausführung der Gewänder und der Brokatornamentik.

Infrarot-Reflektografien geben auch Einblick in den Werkprozess und die künstlerische Virtuosität des hier gezeigten Altars. Zahlreiche Unterzeichnungen, die mit Spitzpinsel und schwarzer Farbe direkt auf die Tafel aufgetragen sind, wurden im Prozess korrigiert und im finalen Ergebnis optimiert. Dies zeigt sich beispielsweise am Sockel des Betpults, der mit Hilfe eines Lineals zentralperspektivisch konzipiert, im Arbeitsprozess jedoch angepasst wurde (Abb. 4). Bereiche, die dunkler erscheinen sollten, sind durch Schraffuren markiert, wie beispielsweise an der Nase der Heiligen Barbara (Abb. 3). An der Wange und am Hals des Engels sind diese als sorgsam modellierende Parallellinien ausgeführt. Auch bei der Landschaft, die durch den Fensterausschnitt zu erkennen ist, finden sich einige Pentimenti und zeigen Änderungen im Werkprozess. Die Gebirgszüge sind in der finalen Ausführung deutlich abgeflacht (Abb. 1).

Dr. Hofbauer vermerkt, dass diese hier entdeckten Unterzeichnungen insgesamt mit der Ausführung auf Cranachs Dreifaltigkeitstafel, die heute im Museum der bildenden Künste in Leipzig aufbewahrt wird, zu vergleichen ist (Friedländer/Rosenberg 1978, Nr. FR065; CORPUS CRANACH Werkverzeichnis Nr. CC-CMD-020-054-A-D). Diese wurde von Gustav Wustmann 1909 als diejenige identifiziert, die laut einer Notiz in Johann Jacob Vogels „Chronicon“ von der Leipziger Sebastiansbruderschaft 1515 für die Sebastianskapelle von Cranach erworben wurde (siehe Gustav Wustmann: Zur Datierung der Werke Cranachs, in: Kunstchronik 44, Nr. 20, 1909, S. 300–301).

Mikroskopische Aufnahmen enthüllen weitere Werkprozesse, wie beispielsweise, dass das Gold der Nimbusscheibe bei der Heiligen Katherina unter der Farbschicht des Inkarnats angebracht ist und daraus schliessen lässt, dass der Nimbus zuerst aufgetragen wurde. Stilistisch finden sich ähnliche Nimbenscheiben auch bei anderen Werken Lucas Cranachs d. Ä. und seiner Werkstatt aus der Zeit um 1515. So beispielsweise bei der stehenden Gruppe der Anna selbdritt des Altarflügels aus dem Dom zu Zeitz , die um 1515/16 datiert werden und sich heute in der Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin (Inv.-Nr. 567A) befinden.

Bei Cranach sind eine Vielzahl an Pigmenten bekannt, weitaus mehr, als dies bei Dürer (1471–1528) oder Grünewald (1480–1530) zu vermerken ist (siehe Gunnar Heydenreich: „…dass Du mit wunderbarer Schnelligkeit malet“ Virtuosität und Effizienz in der künstlerischen Praxis Lucas Cranachs d. Ä., in: Ausst.-Kat. Cranach der Ältere, hrsg. von Bodo Brinkmann, Städel Frankfurt/ Royal Academy of Arts, London 2008, S. 38). Auch bei diesem Altar wurden hochwertige Pigmente eingesetzt. Bemerkenswert ist, dass bei den Festtagstafeln exquisitere Farben verwendet wurden als bei den Aussentafeln.

Über die Anfänge Lucas Cranachs ist wenig bekannt. Um 1472 wurde er im oberfränkischen Kronach als eines von vier Kindern geboren. Sein Vater, Hans Maler, dürfte ein wohlhabender Kronacher Bürger gewesen sein, bei dem er wohl auch seine künstlerische Ausbildung erhalten hatte. Ab 1502 war Lucas Cranach in Wien verzeichnet, bevor ihm drei Jahre später der künstlerische Durchbruch gelangte und er zum Hofmaler Kurfürsten Friedrich der Weise von Sachsen ernannt wurde. Dort übernahm er die von Jacopo de’ Barbari (1470–1516) geführte Malerwerkstatt im Schloss zu Wittenberg und sollte dort bis zu seinem Tod über fast fünf Jahrzehnte auch in den Diensten der nachfolgenden Herrscher Johann der Beständige (1468–1532) und Johann Friedrich I. dem Grossmütigen (1503–1554) stehen.

Die sächsischen Erz- und Silbervorkommen ermöglichen es den Wettiner zu Reichtum zu gelangen und sie werden als mächtige Schutzherren des Protestantismus zu wichtigen Stimmführern der europäischen Politik zwischen Kaiser, Papst und Reformation. Wittenberg ist damals ein aufblühendes Zentrum, in dem Cranach bald eine Schlüsselrolle spielt. Er schafft Gemälde für die fürstlichen Schlösser und entwirft Festdekorationen, Kostüme, Wappen und Medaillen für seine Dienstherren.
Seine herausragenden künstlerischen Fähigkeiten werden bald weitbekannt. Er steigt zu einem der einflussreichsten Bürger von Wittenberg auf, war im Besitz einer Apotheke und einiger Grundstücke und wird Kämmerer, Ratsherr und Bürgermeister. Auch auf diplomatische Missionen wird Cranach entsandt. So reiste Cranach 1508 in die Niederlande, wo er den Hof von Margarete von Österreich in Mechelen besuchte. Dort entstanden auch Porträts von Kaiser Maximilian I und vom späteren Kaiser Karl V. im Kindsalter, die den Einfluss der realistischen Malerei der frühen Niederländer zum Ausdruck bringen. Dieser Einfluss lässt sich auch in den Physionomien der porträtähnlichen Darstellungen der Gesichter im hier gezeigten Altar festhalten, aber auch in der Raumgestaltung der Mitteltafel mit der Fluchtpunktperspektive und dem Fensterausblick in eine detailreiche Landschaft. Auch die Gewänder mit Brokatornamentik belegen den niederländischen Einfluss.

Eine Reise nach Italien in derselben Zeit wird ebenfalls in der Wissenschaft diskutiert ohne dokumentarische Belege, aber zeigt sich in stilistischen Parallelen mit dem Werk Peruginos (1445/48–1523) und dessen Schüler Raffael (1483–1520). Die Haartracht beispielsweise der Heiligen Katharina des hier vorgestellten Altars sowie die Gesichter belegen diese Vermutung.

Zweifelsohne wurde dieser Altar für eine bedeutende Persönlichkeit am Vorabend der Reformation in Auftrag gegeben und verbildlicht mit der Verkündigung an Maria auf der Festtagsseite, den Heiligen Katharina als Schutzheilige der Kranken und Barbara als diejenige der Sterbenden sowie dem Schmerzensmann und der Schmerzensmutter auf der Werktagsseite Freud und Leid der Gottesmutter als Hauptthema. Der kostbare Hermelinbesatz bei der Kleidung der Maria auf der Mitteltafel und der Heiligen Katharina auf dem Flügel lässt auf eine wohlhabende Auftraggeberschaft schliessen. Die individuellen Gesichtszüge der Dargestellten scheinen darüber hinaus aus dessen persönlichem Umfeld aufgegriffen zu sein.

CHF 800 000 / 1 200 000 | (€ 824 740 / 1 237 110)

Verkauft für CHF 948 300 (inkl. Aufgeld)
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