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Lot 1824* ♣ - S17 Out of This World - Dienstag, 28. Juni 2022, 16.00 Uhr

EINE GESCHICHTE AUS FANTASIE UND BIOLOGIE

Stosszahn eines Narwals
Monodon monoceros
1930 - 1940
192 x 6 x 6 cm
Für den Export dieses Objekts ist eine CITES-Bescheinigung notwendig. Die Beschaffung dieses Dokuments obliegt dem Käufer. Der Versand ins Ausland ist durch Koller Auktionen nicht möglich. Bitte kontaktieren Sie die Abteilung für weitere Informationen.


Provenienz:
- Sammlung Max Iten
- Schweizer Privatsammlung

Der Stosszahn des Narwals ist nicht nur das exemplarische und unverzichtbare Stück, das in keiner Wunderkammer fehlen darf, sondern auch ein Paradebeispiel dafür, wie sich in diesen Kuriositäten Fantasie und Biologie, Mythos und Wissenschaft vermischen. Wie die einzigartige Oberflächenstruktur des Stosszahns, die einem verdrehten Tuch ähnelt, so ist auch seine Geschichte verdreht und verzerrt.
Das fängt schon damit an, dass der Stosszahn eigentlich ein extrem vergrößerter Zahn ist, der mehr sensorische Fähigkeiten hat als sämtliche inneren Zähne. Was also für unsere Augen wie ein bedrohlich vor das Tier gehaltener Speer aussieht, ist in Wirklichkeit ein empfindlicher Teil des Körpers. Der Zahn, der normalerweise im Maul verborgen ist, ragt hier bis zu drei Meter weit heraus, und dementsprechend entblößt der Stosszahn den empfindlichen Körper des Tieres ebenso sehr wie er ihn schützt.

Lange haben sich die Wissenschaftler gefragt, wozu dieser Stosszahn eigentlich dient, denn die Beobachtung des Narwals in seinem natürlichen Lebensraum war lange Zeit sehr schwierig. Da der Narwal die meiste Zeit seines Lebens unter dem arktischen Eis verbringt, war der Einsatz seines Stosszahns für uns immer unzugänglich.

Die Menschen des Mittelalters glaubten, dass das Horn des Narwals, zu Pulver gemahlen, nicht nur Krankheiten heilt, sondern auch als starkes Aphrodisiakum wirkt. Das Mittelalter war natürlich umso mehr von den Wunderkräften dieses Organs überzeugt, als es den Stoßzahn für das Horn eines Einhorns hielt. Narwal und Einhorn - eine weitere Verquickung von tatsächlichem Tier und mythologischem Wesen. Die Faszination für den Stosszahn des Narwals ist untrennbar mit der Geschichte des Einhorns verbunden. Das Einhorn, dieses berühmteste und faszinierendste aller Fabeltiere, wurde erstmals im frühen Christentum im Physiologus von Alexandria im zweiten Jahrhundert nach Christus beschrieben. Von dort aus gelangte das Einhorn über mehrere grundlegende Texte, darunter das berühmte Thierbuch von Conrad Gesner, in das Bewusstsein des Mittelalters. Noch im 16. Jahrhundert verwendete Gesner den Zahn des Narwals (von Seefahrern nach Europa gebracht) als Beweis für die Existenz des Einhorns.

Und so hat auch der Stosszahn des Narwals seine Faszinationen und Geheimnisse behalten: Während einige Biologen seit Darwin davon überzeugt sind, dass der Stosszahn weniger als eigentliche Waffe, sondern vielmehr als Hilfsmittel bei der sexuellen Selektion dient, ähnlich wie die Federn des Pfaus, argumentieren andere Wissenschaftler, dass der Stosszahn andere oder zusätzliche Funktionen haben könnte. Unter Verweis auf die sensorischen Fähigkeiten des Stosszahns wird argumentiert, dass er Veränderungen der Salzkonzentration im Meer aufspüren könnte, während Filmaufnahmen von jagenden Narwalen darauf hindeuten, dass sie den Stosszahn auch zur Nahrungsaufnahme nutzen, indem sie mit ihm Kabeljaue und andere kleine Fische betäuben und danach fressen.
Auf diese Weise als Betäubungswerkzeug eingesetzt, erweist sich der Stoßzahn des Narwals als das, wofür wir ihn immer gehalten haben: ein Zauberstab. Der Stosszahn ist ein Sensor in trüben Meeren - sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne. Der Stosszahn ist ein Medium zur Kontaktaufnahme, eine phallische Fantasie und eine metaphysische Waffe. Je länger wir ihn betrachten und seine vielen Geschichten bedenken, desto geheimnisvoller wird er. Eine verdrehte Geschichte mit verdrehten Ideen und Fantasien.

CHF 8 000 / 12 000 | (€ 8 250 / 12 370)

Verkauft für CHF 16 160 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr