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Lot 1611 - A160 Sammlungen - Montag, 26. März 2012, 14.00 Uhr

JOHANN HEINRICH WILHELM TISCHBEIN

(Haina 1751–1829 Eutin)
Portrait von Ernst Friedrich Herbert Graf zu Münster.
Öl auf Leinwand.
Verso auf dem Keilrahmen beschriftet: 'K 98 Ernst Friedrich Herbert Graf zu Münster gemahlt 1801 vom Professor Tischbein aus Rom'
54,4 x 44,9 cm.


Ein Gutachten von Dr. Hermann Mildenberger liegt vor, der dieses Gemälde als eigenhändiges Werk Tischbeins bestätigt. Das Portrait des Grafen Ernst zu Münster (1766-1839) von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829) stammt aus dem letzten Jahr, in dem sich die Freunde persönlich sahen. Im August 1801 hatten sie noch eine Reise nach Osnabrück und durch Westfalen, der Heimat des Grafen, unternommen. Im Herbst des Jahres bis 1804 von König Georg III. als Diplomat nach St. Petersburg entsandt, lebte Münster von 1805 als Staats- und Kabinettminister bis zu seiner Demissionierung 1831 in London. Tischbein zog 1801 nach Hamburg und wurde 1808 von dem Oldenburger Herzog Peter Friedrich Ludwig zum Hofmaler und ersten Galerie-Inspektor berufen. 1821 schrieb Tischbein auf Münsters Wunsch seine Lebensgeschichte nieder und schilderte 1822, daß er die Portraits des Grafenpaares auf einem Altarbild (1808) für die St. Ansgarii-Kirche in Bremen verewigt habe. 1833 besah das Ehepaar Münster die Homer-Zimmer und Idyllenbilder Tischbeins im Oldenburger Schloss. Graf Münster hatte Tischbein, der seit 1787 in Neapel und 1789 zum Direktor der Königlichen Kunstakademie ernannt worden war, 1794/95 kennengelernt, als er auf Befehl Georgs III. dessen sechsten Sohn August Friedrich (1773-1843), den späteren Herzog von Sussex, auf einer Italienreise begleitete. Sie traten 1798 wegen der Bedrohung durch französische Truppen die Heimreise an. Tischbein folgte 1799 nach der Besetzung Neapels, zunächst nach Kassel und Göttingen, und gründete dann, durch Vermittlung des Kammerrates Graf Münster, in Hannover eine Zeichenschule für Damen, die Wilhelmine Gräfin zu Schaumburg-Lippe und Münster als famulus besuchten. Erziehung und Ausbildung des Grafen Münster Voraussetzung für diese Freundschaft war die Ausbildung und das künstlerische Interesse des Grafen Münster. Nach dem Tod seines Vaters Georg Hermann Heinrich von Mönster zur Surenburg (1721-1773, der Name Mönster wurde bis 1792 geführt) förderte Ernsts Mutter Eleonore, geb. Freiin von Grothaus zur Ledenburg (1734-1794, s. ihr Portrait Los … ) die künstlerische Befähigung ihres Sohnes durch Mal- und Zeichenkurse. Am Philanthropinum in Dessau, einer im Kulturkreis Leopolds III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) errichteten Schule, erhielt er im Alter von 12 Jahren (1778-1780) eine Erziehung im Geist der Aufklärung und fand eine Vaterfigur in der Person des Fürsten. Dieser führte ihn in das Gedankengut des Englischen Gartens und die Planungen der Wörlitzer Anlagen ein, die er für seine als Relikte einer idealen Antike im Geist Johann Joachim Winckelmanns (1717-1768) erworbenen Kunstgegenstände errichtete. Unter Winkelmanns Führung hatte Fürst Leopold mit seinem Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736-1800) auf der Reise durch Italien 1766/67 Rom besucht. Diese künstlerischen Kenntnisse und Interessen vertiefte Ernst während des Jurastudiums an der Georg-August-Universität in Göttingen 1784-1788 in den Vorlesungen des klassischen Philologen Christian Gottlob Heyne (1729-1812), des Begründers der modernen Altertumswissenschaft. Heyne vermittelte die Kunst der Antike in ihren historischen, literarischen, mythologischen und religionswissenschaftlichen Zusammenhängen, die antike Skulptur an Beispielen seiner Gipsabgußsammlung. Malerei und Architektur erläuterte Johann Dominik Fiorillo (1748-1821), einer der wichtigsten Vermittler der italienischen Kunstgeschichte, an Reproduktionen und Stichen. 1786 begannen auch die drei jüngsten Söhne Georgs III. ihr Studium an der Universität. Graf Münsters Italienaufenthalte als Prinzenbegleiter und seine Kunststudien Nach dem Eintritt in den Hannoverschen Staatsdienst 1788 erhielt Graf zu Münster 1793 den Auftrag, Prinz August Friedrich von Italien nach England zurückzubegleiten. Nach vier Monaten bei der königlichen Familie in Windsor brachen die früheren Studienkollegen 1794 zu einer weiteren, fünfjährigen Reise durch Italien auf, eine Zeit, die Münster für intensive Studien und die Begründung einer eigenen Sammlung nutzte. Vom Beginn der Reise in Rom und in der Campagna, danach in Neapel, Portici, Herculaneum und Pompeji war Münster beeindruckt von den antiken Ruinen und Monumenten, besuchte die Bauwerke späterer Epochen, die Gemäldegalerien und Skulpturensammlungen und war dabei ebenso berührt von der Schönheit der südlichen Landschaft. Neben den diplomatischen Kontakten kam er in Rom sofort in Berührung mit dem deutschen Künstlerkreis um Angelika Kauffmann (1741-1807) und befreundete sich besonders mit dieser, mit Friedrich Rehberg (1758-1835), Johann Christian Reinhart (1761-1847) und Friedrich Bury (1763-1823), mit dem er malte und kopierte. Zum weitergehenden wissenschaftlichen Verständnis erteilten die Archäologen und Altertumswissenschaftler Aloys Hirt (1759-1837) und Johann Georg Zoëga (1755-1809) Unterricht vor den Originalen. Mit Zoëga teilte Münster das Interesse für antike Mythologie und traf Forschungsabsprachen. Der Graf verfaßte eine Untersuchung über den "Ursprung der Religionen" sowie Zusammenstellungen der in den römischen Sammlungen vorhandenen antiken Statuen und antiken Sarkophage, Arae und Grabstelen. Die Bearbeitung zur Publikation verhinderte der wegen französischer Expansionswünsche ratsam erscheinende Umzug in das Königreich Neapel. Dort lernte Münster am Hof Ferdinands IV. (1751-1825) und bei Sir William Hamilton (1731-1803) die Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Jakob Philipp Hackert (1737-1807) und Christoph Heinrich Kniep (1755-1825) kennen. Tischbein arbeitete seit 1790 an Stichwerken zur Vasensammlung Lord Hamiltons sowie zu "Homer nach Antiken gezeichnet". Münster hat diese Arbeiten sicher begleitet, da er 11 "Skitzen nach Etrurischen Vasen, gelb in schwarzem Grunde, von Tischbein ausgemalt" und vier Kreidezeichnungen antiker Statuen und Büsten des Homer, Ulisses, Achill und Polyphem aus Neapel mitbrachte. Als Abschiedsgeschenk erhielt er von Tischbein ein aquarelliertes Blatt "Die Amazonen, die aus dem Gebirge kommend ihre Pferde in Galopp setzen" (Kunsthalle Kiel), für das Kniep die Landschaft gezeichnet hatte (zu Kniep s. Lot 1622 ). Die Kunstsammlung und Schloß Derneburg Aus Italien brachte Graf Münster Gemmen und Intaglios - sein erstes Sammelgebiet - und 12 antike Skulpturen bzw. Fragmente mit, weiterhin 46 Gemälde, von den Zeitgenossen vorrangig Landschaften und Veduten, aber auch Kopien von Malern der Hochrenaissance und des Barock. Die Gemäldesammlung wurde in England durch Käufe und Geschenke auch alter Meister ergänzt, weiterhin 1818 durch Erwerbungen aus der Sammlung des Grafen Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn (1736-1811). Nach dem Inventar, das Münster an seinem Lebensende verfaßte, bestand die Sammlung aus Gemälden in Öl und Aquarell, Zeichnungen in Sepia und Kreide, Kupferstichen und Lithographien, von ihm selbst gemalten Bildern, die den Töchtern gehörten, Büsten und Statuen sowie geschnittenen Steinen, insgesamt 192 Objekten. Den Beispielen folgend, die Graf Münster in Wörlitz, in Italien, im Wallmoden-Schloß in Hannover sowie in England in Earl Georg Augustus Pembroke's (1759-1827) Wilton House gesehen hatte, gestaltete er mit seiner Frau Wilhelmine die Klosteranlage Derneburg als repräsentatives Schloss, um seine Sammlung zu präsentieren. Arkadien vor Augen, integrierte er in die Anlage eines Landschaftsgartens einen dorischen Tempel, wie er ihn im Herkules-Tempel in Cori gesehen und sorgfältig gezeichnet hatte. Literatur: Nicolaus Strube, Ästhetische Lebenskultur nach klassischen Mustern. Der hannoversche Staatsminister Ernst Friedrich Herbert Graf zu Münster im Lichte seiner Kunstinteressen (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, Bd. 11), Hannover 1992 (das Portrait ist auf S. 126 erwähnt). Wir danken Andrea Huber für ihren Beitrag zu diesem Lot.

CHF 8 000 / 12 000 | (€ 8 250 / 12 370)

Verkauft für CHF 45 600 (inkl. Aufgeld)
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