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Lot 156* - A164 Bücher - Samstag, 23. März 2013, 10.00 Uhr

MANUSKRIPTE -

Breviar. Lateinische Handschrift auf Pergament. In brauner Tinte, mit 22 grossen, zum Teil figürlichen Initialen in Rot und Blau mit Bordüren in Federzeichnung.
Oberrhein (Elsass), 1370. 458 fols. Blattgrösse 140 x 105 mm. 15 Zeilen auf vorgezogenen Linien. Rote u. blaue Initialen u. Rubriken. Lederband um 1600 über Holzdeckeln mit etw. Blindprägung (gering berieben, winzige Fehlstelle am ob. Kapital, Messingschliessen defekt, Reste eines alten Signatur-Märkchens am Rücken).


Sehr schöne liturgische Handschrift. Enthält Kalendar u. Stundengebet mit Vesper, Laudes u. die kleinen Horen für das ganze Kirchenjahr. Ferner ein vollständiges Offizium der Jungfrau Maria mit 3 Lesungen. Die zur Vesper u. den Horen gehörenden Psalmen sind auf fol. 368v-441r zusammengestellt. Es folgen einzelne Gebete u. ein Anhang mit Texten von späterer Hand, darunter die deutsche Übersetzung der Hymnen aus einem Reimoffizium auf die hl. Maria Magdalena. Der breite Rand oben (beim Kalendar mit Verlust der Seitenüberschriften) beschnitten. Im Anhang fehlen 3 Blätter. Das halbe, einseitig beschriebene Blatt nach fol. 430 ist später eingebunden u. ergänzt einen Textausfall. Fol. 398v 5 Zeilen Text zerstört u. von späterer Hand ungelenk ergänzt. Fol. 382r 4 Zeilen des Symbolum Athanasianum aus dogmatischen Gründen (Trinitarische Formel) sauber durchgestrichen. Etwas staub- u. fingerfleckig in den Rändern, gegen Ende etw. stärker; stellenweise etw. verblasster, an wenigen Stellen ausgebesserter Text. Fol. 23 angeschmutzt. Vereinzelt kl. Rand- oder Eckläsuren, das letzte Blatt mit Eckabschnitt oben u. kl. Buchstabenverlust. Das schlichte, aber dennoch qualitätsvolle, in sauberer gotischer Minuskel geschriebene Breviar ist mit zahlreichen Filigraninitialen mit blau-rot gespaltenem Initialkörper ausgestattet. Verschiedene Buchstabenkörper sind mit Federzeichnungen von hunde- und drachenartigen Fabeltieren oder karikierten Fratzen ausgeschmückt. Das Manuskript wurde wohl zu Recht auch schon mit der süddeutschen Buchkunst des 14. Jahrhunderts in Verbindung gebracht. Das Dekorationsprinzip mit den erwähnten Fabeltieren im Buchstabenkörper gehört allerdings zum Standartrepertoire der deutschen Buchmalerei des 14. Jahrhunderts und ergibt keine schlüssige Hinweise zur genaueren Herkunft des hier zur Diskussion stehenden Manuskriptes. Vergleichbares lässt sich im Oberrhein gleich wie in Regensburg und anderswo lokalisieren. In diesem Zusammenhang sei beispielsweise auf die Filigraninitialen des oberrheinischen Graduale Cisterciense aus Wonnental in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe (MS. Cod. U.H.1) verwiesen. Der in unserem Breviar zu erkennende aus Blattfächern bestehende blau-rote Filigranblattschmuck in Inneren der Initiale hebt sich ab von den spiralförmigen Voluten Ranken, wie sie in der oberrheinischen Buchkunst nördlich und südlich des Rheins als besonders beliebte Dekorationsform nachweisbar sind (vgl. Ellen J. Beer, Beiträge zur oberrheinischen Buchmalerei in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Initialornamentik, Basel/Stuttgart 1959, Abb. 28, 30 und andere). Vorstufen zu diesen Blattfächern wie sie hier zu erkennen sind, sind aber dennoch auch in der oberrheinischen Buchkunst des frühen 14.Jahrhunderts greifbar und beispielsweise bereits im Cod. Aug. perg. 154, fol. 29 der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe (Ellen J.Beer, 1959, Abb 10) vorgebildet. Leider ergibt sich auch aus dem Namen des Schreibers keine schlüssige Klarheit zur Herkunft unseres Manuskriptes. Auf fol. 445v signiert und datiert ein Schreiber namens Konrad Höner sein Werk: Anno Domini MCCCLXX. Scripsit hunc librum Cunradus Hoener, ordinis Praedicatorum Einen wichtigen und letztlich schlüssigen Anhaltspunkt zur Eruierung der Herkunftsgegend vorliegenden Breviars liefern schließlich die im Kalender als besonders verehrungswürdig figurierenden Heiligen. Die dort aufgezeichneten Heiligen Erhard und Odilie sind beide eng an die Frömmigkeit des Elsass gebunden. Die Heilige Odilie - der Legende nach von Sankt Erhard getauft - hat auf dem nach ihr benannten Odilienberg im Elsass, das sich unter ihren Schutz stellte, ihre Grabstätte, die sich zu einer bedeutenden Pilgerstätte entwickeln sollte. Das 1370 vom dominikanischen Schreiber Conradus Hoener geschriebene Breviar stammt folglich mit guter Wahrscheinlichkeit aus einem der zahlreichen Häuser der elsässischen Dominikanerinnen, die im Kloster Unterlinden in Colmar und Saint Nicolas in Schlettstadt (Sélestat) wohl die beiden prominentesten Frauenklöster der Gegend betrieben, die - vor allem das letztere - wichtige Zentren dominikanischer Frauenmystik wurden. Prof. Dr. Gaudenz Freuler

CHF 18 000 / 25 000 | (€ 18 560 / 25 770)

Verkauft für CHF 21 600 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr