Sie haben noch kein Login?

Klicken Sie hier um sich zu registrieren »


Wenn Sie bereits registriert sind - Login:




Lot 1011 - A206 Decorative Arts - Donnerstag, 21. September 2023, 10.00 Uhr

MUMIENPORTRAIT EINER DAME

Hawara, Ägypten, trajanische Periode, Anfang 2. Jh. n. Chr.
Holzpaneele polychrom bemalt mit Enkauste-Technik und auf späterem Holzpaneel montiert. Portrait einer vornehmen, jungen Dame mit Blickrichtung nach rechts. Klar umrissene Gesichtszüge. Das Haar ist vorne in Spirallocken und oben zu einem Dutt frisiert, welcher von einer Haarnadel festgehalten wird. Die Kleidung in rötlich, braunen Tönen. Perlen-, Gold- und Smaragdschmuck. In späterem Rahmen.
Lichtmass 38 × 23,5 cm.


Provenienz:
- Ausgrabung durch Flinders Petrie in Hawara, Ägypten, 1888.
- Sotheby's London, Martyn Kennard Collection of Egyptian Antiquities, 1912, Lot 542 (mit Abb.).
- Sammlung Dr. Andreas Ruesch, Zürich.
- Galerie Fischer Auktionen, Luzern, 1936, Lot 175 (mit Abb.).
- Sammlung Dr. J. Mäder, St. Gallen, an obiger Auktion erworben.
- durch Erbschaft an dessen Lebenspartnerin. In Privatbesitz bis zu ihrem Tod Anfang 1990er Jahren.
- durch Erbschaft in heutigen Schweizer Privatbesitz.

Literatur:
- Flinders Petrie, "Hawara", S. 44, Taf. 11 (L).
- Burlington Fine Arts Club, "the Art of Ancient Egypt", London, 1895, S. 34, Nr. 4.
- Burlington Magazine, Vol. 37, London, 1920, S. 209.
- Galerie Fischer Katalog, "Sammlung A. Ruesch Zürich", Luzern 1-2/9, 1936, S. 19, Lot 175, Abb. 18
- Prof. Klaus Parlasca, Repertorio D’Arte Dell’Egitto Greco-Romano, Serie B, Vol. I, Mailand, 1966, S. 57, Nr. 112, Abb. 2.

Das vorliegende Mumienporträt einer vornehmen Dame blieb seit seiner Auktion in Luzern im Jahre 1936 durch Erbschaft bis dato im gleichen Familienbesitz. Die Provenienz kann dank der reichlich vorhandenen Literatur bis zum Ausgrabungsort 1888 bei Hawara nachverfolgt werden. Die Entdeckung unseres Mumienporträts geht auf Sir William Matthew Flinders Petrie (1853-1942) zurück, seinerseits Pionier der Ägyptologie und Inhaber des ersten Lehrstuhls für Ägyptologie am University College in London. Nachdem unser Mumienporträt vom englischen Kunsthandel in die Schweiz kam, gelang es in den Besitz von Dr. Andreas Ruesch (1882-1929), dessen prestigeträchtige Antikensammlung 1936 durch das Auktionshaus Fischer in Luzern versteigert wurde. Gekauft wurde das Mumienporträt schlussendlich von Dr. Julius Maeder aus Sankt Gallen, in dessen Familie das Porträt seither verweilte. Prof. Klaus Parlasca, einer der renommiertesten Kenner von Mumienportraits, publiziert unser Porträt in seinem 1966 erschienenen Kompendium (unter Nr. 112) und qualifiziert das Werk als "sehr feines und ausgezeichnet erhaltenes" Exemplar. Parlasca erwähnt zudem, dass unser Porträt bei der Ausgrabung durch Petrie zusammen mit einem weiteren Porträt gefunden wurde, welches sich im Royal Ontario Museum in Toronto befindet. Dieses gehörte, wie unser Portrait, dem Sammler Martyn Kennard und wurde in der Auktion in London im Jahre 1912 verkauft (Vgl. ROM Toronto, dort unter Inv.-Nr. 918.20.1 aufgeführt).

Mumienportraits aus Fayum bilden einen Korpus naturalistisch-veristisch gemalter Porträts auf Holztafeln, die an Mumien in der Gegend von Fayum gefunden wurden. Üblicherweise werden die Tafeln auf die Mitte des 1. bis Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. datiert. Sie stammen stilistisch demnach aus der römischen Periode, wurden jedoch in Ägypten gefunden und in der Tradition des antiken griechischen Naturalismus gemalt. Trotz der Schwierigkeiten bei der Kontextualisierung üben diese lebensechten Porträts durch ihre Eindringlichkeit eine bis heute noch universelle Anziehungskraft aus. Nach E. Doxiadis haben „ihre Gesichter durch ein Wunder der Malerei das Leben selbst eingefangen. Der Betrachter wird in eine direkte Verbindung mit der dargestellten Person gebracht, die sich wie in einer Vorhölle, in einer Dämmerzone zwischen Leben und Tod befindet" (übersetzt aus: The Mysterious Fayum Portraits, Faces from Ancient Egypt, S. 12).

Das vorliegende Werk wurde mit der Enkauste-Technik gefertigt, einer antiken Maltechnik, bei der in Wachs gebundene Farbpigmente heiss auf den Maluntergrund aufgetragen werden. Solche Mumienporträt stellen für die Forschung wichtiges Material für die Untersuchung der römischen Porträtmalerei im Mittelmeerraum dar. Die Porträts geben allgemein Aufschluss über Verbindungen von römisch-ägyptischen Bestattungssitten sowie über Stil und Modetrends der Oberschicht im 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr. Es bleibt weitestgehend unklar, wie genau die Mumienporträts beim Totenkult verwendet wurden. Eine Entdeckung deutet darauf hin, dass sie in Häusern in Rahmen aufgehängt wurden, bis sie schliesslich über die Mumie gelegt wurden. Es wurde auch vermutet, dass sie kurz vor dem Tod bemalt und während einer Prozession (ekphora) zur Feier des Verstorbenen durch die Stadt getragen wurden, bevor man sie in die Grabkammer brachte.

CHF 20 000 / 30 000 | (€ 20 620 / 30 930)

Verkauft für CHF 450 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr