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Lot 1029* - A145 Möbel, Porzellan & Dekoration - Montag, 19. Mai 2008, 10.00 Uhr

GEFASSTE KOMMODE,

Louis XV, süddeutsch, wohl München, Mitte 18. Jh.
Holz fein beschnitzt mit Kartuschen und Zierfries sowie weiss/golden gefasst. Geschweifter, trapezförmiger Korpus mit vorstehendem Blatt auf wellig ausgeschnittener Zarge mit geschweiften Beinen. Mehrfach geschweifte Front mit 2 Schubladen. Goldgefasste Eisenbeschläge. 100x62x82 cm.


Provenienz: Privatbesitz, Zürich. Sehr bedeutende und seltene Kommode, ein meisterhaftes Beispiel der bürgerlichen Möbelkunst des 18. Jahrhunderts von erster Güte. Zu betonen ist zudem, dass die Fassung in nahezu unberührtem Zustand ist. Eine sehr ähnliche Kommode wurde in unserer September-Auktion 1998 (Katalognr. 606) verkauft. Die Kunst am Bayerischen Hof unter Kurfürst Max Emanuel und später Karl Albrecht war stark von der Pariser Ausstattungskunst beeinflusst. Einer der wichtigsten Hofkünstler dieser Epoche war François Cuvilliés d. Ä. (1695-1768), der bereits im frühen 18. Jahrhundert am bayerischen Hof tätig war und nach einem ersten Studienaufenthalt in Frankreich 1720-1724 den Rocaillenstil in Bayern einführte. Zu dem stark von ihm geprägten bayerischen höfischen Möbelstil dieser Zeit gehörten auch gefasste Möbel, in hellen, kühlen Pastellfarben, darunter auch gebrochenes Weiss. Die Schnitzereien waren vergoldet und traten zum Teil stark aus der Fläche. Nach französischem Vorbild besassen die Kommoden einen trapezförmigen Grundriss. Unsere Kommode steht mit der bayerischen höfischen Kunst in enger Verbindung; jedoch nicht in dem Sinn, dass sie selbst ein höfisches Exemplar wäre, sondern darin, dass ihre Dekoration diejenige der höfischen Möbel aufgreift und mit einfacheren, jedoch gekonnt eingesetzten Mitteln wiedergibt. Als Vergleichsbeispiel sei ein Kommodenpaar genannt, welches aus dem höfischen Bereich stammt und heute im J. Paul Getty Museum aufbewahrt wird. Der Vergleich der Formen und der Behandlung des Ornaments zeigt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu unserer Kommode auf: Beide Möbel sind zweischübig, mit jeweils dreiteiliger Gliederung der Front, mit zwei Kartuschen mit Rocaillen an den äusseren Schmalseiten, und einer Mittelkartusche um das Schlüsselschild. Eine weitere Ähnlichkeit liegt in den streng rechteckigen Schubladen, die mit einer schmalen goldfarbenen Rahmung versehen sind. Alle diese ornamentalen Schnitzereien bleiben bei beiden Kommodenvarianten stark der Fläche verhaftet. Die Lisenen an den Aussenkanten der Möbel hingegen treten stärker hervor. Bei den Kommoden des Getty Museums bestehen diese Lisenen aus vergoldeten, frei vor der Fläche und über Eck stehenden figürlichen Schnitzereien. An unserem Möbel hingegen sind diese Kantendekorationen auf flache, doch über Eck leicht vorstehende bandförmige Lisenen mit "mille raies"-Dekoration reduziert. In Anlehnung an die genannten höfischen Möbel ist auch unsere Kommode in der Kombination Weiss-Gold bzw. Hellblau-Gold gefasst. Die Unsicherheit bezüglich des Farbtons beruht auf dem Umstand, dass die Fassung freigelegt wurde, und möglicherweise immer noch unterschiedliche Schichten vorhanden sind. Beide Farbtöne sind in der höfischen Ausstattungsmode der Zeit verwendet worden. Das Blau, wenn es denn der ursprüngliche Farbton wäre, entspräche dem sog. "bleu mourant", in welchem z.B. der Spiegelsaal der Amalienburg im Nymphenburger Schlosspark gehalten ist. Als sehr seltene Besonderheit der Fassung bestehen die "Vergoldungen" dieser plastischen Elemente nur aus einer sehr geschickt angeordneten Farbkombination aus Gelb-, Grün- und Rottönen, die perfekt eine Vergoldung mit ihren Glanzlichtern imitiert. Bei dieser Farbgebung sind keinerlei Metallpartikel zu sehen. Im 18. Jahrhundert sind oft malerische Mittel am Möbel zur Imitation der unterschiedlichsten Materialien oder Dekorationstechniken, wie edles Holz, Marketerien, Stein oder Schildpatt, mit oder ohne gemalte Messingeinlagen angewandt worden. Diese Materialillusion wurde keineswegs immer nur als das minderwertige Artifizielle gegenüber dem wertvollen Echten bewertet, sondern sie hatte als "künstliche" Malerei durchaus ihren Eigenwert. Dass, wie hier, eine Vergoldung mit farblichen Mitteln sehr treffend nachgeahmt wurde, ist eine seltene Variante der Fassungskunst des 18. Jahrhunderts. Wie beinahe bei allen bemalten Möbeln ist hier die Malerei bzw. die Fassung ein Mittel, mit preiswerterem Material eine teurere Dekoration nachzuahmen. Hier ist ein höfisches Möbel mit schlichteren Mitteln optisch nachgestellt worden. Dies bezieht sich nicht allein auf die Fassung, sondern auch auf die Beschläge, vor allem die Ziehgriffe, deren Herstellung gleichfalls diesem Nachahmungsprinzip gehorchen: Die Ziehgriffe der höfischen Möbel des 18. Jahrhunderts bestehen aus feuervergoldetem Bronze- oder Messingguss, welcher ein feststehendes Ornament ausbildet, das sich von der Fläche ablöst und zu ihr zurückkehrt. Die Griffe unserer Kommode bestehen aus einem mit plastischer Masse ummanteltem dicken Metalldraht, der in gleicher Weise mit farblichen Mitteln "vergoldet" wurde, wie die übrigen Ornamente auf den Flächen des Möbels. Durch die Verwendung von Draht und plastischer Masse war es sogar möglich, auch der Feingliedrigkeit der Bronzen nahe zukommen. Hier ist die in Bayern häufige Gestaltung der Ziehgriffe in Form einer sog. "Springblume" aufgegriffen, d.h. einer Ranke, die der Mitte einer Rosette entspringt. Diese gelungene optische Vortäuschung von Gold mittels Farbe und, bei den Beschlägen, von Metallguss mittels Draht und plastischer Masse ist bei diesem Möbel in beispielhafter Weise gelungen und macht die Qualität dieses Stückes aus. In der Hierarchie des Luxus der höfischen Möbel sind auch die höfisch-bayerischen Vorläuferstücke wie das genannte Kommodenpaar aus dem Getty Museum zum Teil bereits "Sparversionen" der französischen Möbel, indem man bei ihnen die teuren feuervergoldeten Bronzen durch polimentvergoldete Schnitzereien ersetzt hatte. Als Beispiel hierfür sind die vergoldeten aufwändigen figürlichen Kantenschnitzereien zu nennen, welche die französischen "espagnolettes" imitieren, die aus kostbaren vergoldeten Bronzegüssen bestanden. Unsere Kommode ist von letzteren wiederum die vereinfachte und verbilligte Spielart, indem auch das Gold durch geschickte Farbanwendung, die seitlichen Skulpturen durch flächigere Schnitzereien und die Beschläge durch plastische Massen substituiert wurden. Diese Art Möbel ist selten geworden, weil ihre Besonderheit oft nicht erkannt wurde und sie entweder ihres kunstvollen Farbkleides beraubt oder, wie auch hier wohl geschehen, übermalt wurden. Bei unserem Möbel handelt es sich um ein Stück mit freigelegter Fassung, die im Stil der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wohl mit einer dunkelbraunen Maserierung übermalt worden war, von welchen noch Reste an schwer einsehbaren Stellen zu finden sind. Lit.: U. Schiessl, Rokokofassung und Materialillusion - Untersuchungen zur Polychromie sakralen Bildwerke im süddeutschen Rokoko, Mittenwald 1979. Ch. Bremer-David et al., Masterpieces of the J. Paul Getty Museum, Decorative Arts - The J. Paul Getty Museum, Los Angeles 1997. Wir danken Frau T. Cornet, München, für die weiterführenden Angaben.

CHF 40 000 / 70 000 | (€ 41 240 / 72 160)

Verkauft für CHF 42 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr